»Augenmaß ist gefragt«
Die zumindest im Raum stehende Auflösung des Kulturkreises Lahr, das Scheitern des Vereins »Kultur im Blue Notes«, aber auch die vorübergehende Schließung des Schlachthof-Bistros sorgen für kulturpolitischen Gesprächsstoff. In einem Interview hat sich Bürgermeister Guido Schöneboom diesem Thema gestellt.
Herr Schöneboom, in einigen Wochen startet das städtische Kulturprogramm in die neue Saison. Wie ist es um die Kultur in der Stadt bestellt?
Guido Schöneboom: Die Kultur ist in Lahr gut aufgestellt! Das beginnt mit den städtischen Veranstaltungen, geht fließend über zu einer breiten Palette an Vereinen und Akteuren, die ganz unterschiedliche Themenfelder besetzen. Im Kulturbereich wird auch eine hervorragende Nachwuchsarbeit geleistet. Das zeigt sich nicht zuletzt an einer prosperierenden Musikschule, die Sensationelles auf die Beine stellt. Dasselbe gilt auch für eine Reihe von Musikvereinen mit einer langen Tradition wie etwa die Stadtkapelle oder die Harmonie Dinglingen. Es gilt auch für die Arbeit des Musikums und das von Hermann Feist geleitete Chorprojekt Maîtrise vocale an unseren Grundschulen. Hier wird immer wieder deutlich, mit wie viel Engagement und Herzblut der Nachwuchs gefördert wird. Die Ergebnisse sind dann in den musikalischen Beiträgen bei der Verleihung der Musikmedaillen in bewegenden Aufführungen zu hören. Sie manifestieren sich aber auch kraftvoll in einer tosenden Halle bei Magic Drums, in der Begeisterung des Publikums beim klassischen Gegenstück Magic Classic.
Die Stadt selbst setzt stark auf Veranstaltungsreihen. Der Fokus liegt klar auf der Stadthalle, wo das Kulturamt Jahr für Jahr ein sehr gut angenommenes Programm serviert. Das darunter anzusetzende Segment ist aber eher dünn. Eine Kabarettreihe, ein paar Konzerte unter dem Label »Songs’n’Singers«, als Leuchtturm die »Puppenparade« im Frühjahr. Reicht das?
Schöneboom: Ja, genau genommen reicht das, sofern sich Ihre Frage auf städtisches Engagement bezieht. Ich will nicht ausschließen, dass das Kulturamt vielleicht noch weitere neue Veranstaltungen kreieren wird. Aber im Grunde hat diese Frage damit zu tun, dass wir anderen Kulturträgern auch Luft lassen und nicht alle Bereiche abdecken wollen. Im Kleinkunst-, im Jazz- und Rockmusikbereich, in der klassischen Musik und weiteren denkbaren Veranstaltungsfeldern gab es schon immer Freiraum für andere, das soll im Prinzip auch so bleiben.
Die Luft scheint hier aber auch schnell dünn zu werden. Nehmen wir den Kulturkreises, der sich ernsthaft mit seiner Auflösung beschäftigt. Gehen für das klassische Nischenpublikum, die Jazzfreunde in Lahr, die Lichter aus?
Schöneboom: Die Protagonisten des Kulturkreises haben damals die Initiative ergriffen, weil ihnen in der etablierten Kultur etwas gefehlt hat. Aus diesem Anspruch heraus wurde eine herausragende Kulturarbeit geleistet. Wenn man sich heute mit einem Herrn Frenzer und einem Herrn Verrell unterhält, warum der Verein möglicherweise den Betrieb einstellt, wird keine Verbitterung laut. Sie haben mit sehr viel Vitalität und persönlichem Engagement die Dinge vorangetrieben. Nun sagen sie: Es war eine schöne Zeit, wir haben das nach Lahr geholt, was uns gefehlt hat. Manches davon ist mittlerweile im Kulturbetrieb der Stadt aufgegangen, es gibt viele Schnittmengen. Im Verein selbst fehlen wohl aber die Leute, die nach vorne drängen, um die Arbeit fortsetzen zu wollen. Der Verein hat sich trotzdem Zeit eingeräumt, um zu sehen, ob nicht doch jemand aus der zweiten oder dritten Reihe, möglicherweise auch von außen kommt. Es wird aber kein Anspruch formuliert, dass die Stadt das Erbe übernimmt.
Der Jazzfreund geht damit zukünftig aber wohl leer aus; er muss sich jenseits der Stadtgrenzen umsehen.
Schöneboom: Ich würde mir auch das eine oder andere Jazzkonzert wünschen; ich muss aus städtischer Sicht aber vielleicht auch aushalten, dass ich nicht jeden Kulturfreund erreichen kann. Es stellt sich hier sicher auch die Frage, ob es Sinn macht, sich in alle Richtungen zu öffnen; ob es nicht besser ist, in einer bestimmten Qualität einzelne Bereiche auszubauen und weiterzuentwickeln. Ähnlich könnte es auch beim Kulturkreis aussehen. Vielleicht findet sich auch hier jemand, der den bestehenden Ansatz aufgreift, etwas Neues daraus formt. Kultur steht nicht still!
Mit der Auflösung des Vereins »Kultur im Blue Notes« ist ein Akteur der Lahrer Kulturszene weggebrochen. Mit entscheidend für das Scheitern waren neben internen Fehlern sicherlich auch die zu dünne Finanzdecke, die fehlende Anerkennung der Gemeinnützigkeit. Hätte die Stadt nicht fördernd eingreifen oder vermittelnd intervenieren können?
Schöneboom: Die Stadt hat das mehrfach versucht. Allerdings haben Herr Berger (Gottfried Berger, Leiter des Kulturamts, Anm. d. Red.) und ich den Eindruck gewonnen, dass hier schon sehr früh eine »Schieflage« zu verzeichnen war. Dass das »Blue Notes« schließen musste, ist tatsächlich sehr bedauerlich! Man hat da eine Institution gegründet, die auf Gemeinnützigkeit und Ehrenamtlichkeit hin ausgerichtet war. Beides trat dann nicht oder zu wenig ein, sodass man dann letztlich einen kommerziellen Betrieb mit gemeinnützigem Konzept durchbringen musste.
Auch der Betrieb im Schlachthof lief zuletzt nicht rund, trotzdem wird kräftig investiert. 2012 wurden 320 000 Euro für die Sanierung der ehemaligen Großviehhalle bewilligt. Das Bistro wird gastronomisch ertüchtigt, die neue Küche wird mit 15 000 Euro zu Buche schlagen. Könnte der Schlüssel zu einer verbesserten Wahrnehmung und mehr Besuchern nicht auch in einem breiteren Kulturangebot mit mehr Veranstaltungen liegen?
Schöneboom: Nein, das sehe ich nicht so. Einfach »nur mehr« war in Lahr noch nie ein Maßstab. Durch mehr Angebot erreicht man noch lange nicht mehr Wahrnehmung und erst recht nicht mehr Besucher. Es ist doch gerade die quantitative Überflutung, die uns wegsehen oder weghören lässt. In einer Großstadt wäre das eventuell anders, aber in einer kleineren Stadt wie Lahr ist in punkto Quantität Augenmaß gefragt. Wir sind im Übrigen in guten Gesprächen mit allen Akteuren. Ziel ist, mit den neuen Betreibern vielfältige Kooperationen einzugehen und wechselseitige Unterstützungen auszuloten, die dem Schlachthof insgesamt zugute kommen.
Die »Lahrer Rockwerkstatt« ist fest in das kulturelle Angebot des Schlachthofs integriert. Sie bietet der regionalen Musikszene eine Plattform, wird von der Stadt direkt, aber auch indirekt über die von ihr organisierten Konzerte gefördert. Könnte das auch ein Ansatz für einen neuen Kulturverein sein?
Schöneboom: Das muss die Zukunft zeigen, das kann ich aus gegenwärtiger Sicht nicht beantworten. Im Übrigen meine ich aber, dass wir es nicht übertreiben sollten. Wir haben eine engagierte Rockwerkstatt mit gutem Programm; wir müssen da nichts übers Knie brechen. Unabhängig davon steht meine Tür für tatkräftige, interessante und gut durchdachte Kulturinitiativen aber immer offen.