Debatte um Sterbehilfe-Regelung
Es gibt in Deutschland genug Möglichkeiten, in Würde zu sterben. Gewerbsmäßige Sterbehilfe braucht man nicht. Das ist ein Ergebnis einer spannenden Podiumsdiskussion am Freitag in der Stiftskirche.
Das Thema Sterbehilfe wird in Deutschland immer wieder kontrovers diskutiert. Direkt nach der parlamentarischen Sommerpause haben die Bundestagsabgeordneten das Thema auf die Tagesordnung gesetzt. Demnächst soll ein Gesetzentwurf beraten werden. Doch wie soll der aussehen? Suizidhilfeangebote umfassend verbieten, wie dies weite Teile der Union und auch Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe anstreben, oder begrenzt erlauben, wie in einigen Bundesstaaten der USA?
»Einfache Schwarz-Weiß-Lösungen gibt es nicht«, meinte Pfarrer Thomas Abraham zu Beginn einer Podiumsdiskussion im Rahmen der Reihe »Blick-Wechsel« am Freitagabend in der Stiftskirche. Entsprechend hatte Abraham für die Veranstaltung Gäste geladen, die das komplexe Thema »menschenwürdiges Sterben« aus sehr verschiedenen Blickwinkeln betrachteten – und dabei eine Menge interessante Denkanstöße lieferten.
Arngard Uta Engelmann, Studienleiterin an der Evangelischen Akademie Baden in Karlsruhe, empfahl etwa, Lehren aus dem Mittelalter zu ziehen. Die Menschen damals hätten sich vor allem als Wesen begriffen, die in Beziehungen leben – sowohl zu Gott als auch zu ihren Mitmenschen.
Dies habe nicht nur das Leben bestimmt, sondern auch das Sterben. Das Leben zu gestalten heiße daher auch, Beziehungen zu gestalten – und die seien auch auf dem »letzten Weg« wichtig. Sterbehilfe in diesem Sinne bedeute daher vor allem »Hilfe im Sterben« – nicht »Hilfe zum Sterben«. Der Begriff »Würde« werde oft gleichgesetzt mit »Selbstbestimmung« – und viele Menschen hätten Angst, die Kontrolle über den Sterbeprozess zu verlieren. Sich als Beziehungswesen zu begreifen könne dagegen auch helfen, sich im Sterben anderen Menschen anzuvertrauen. In diesem Sinne komme der Sterbebegleitung eine wichtige Aufgabe zu.
Anderes ist wichtiger
»Ein Gesetz zur Sterbehilfe braucht man derzeit eigentlich nicht«, meinte Horst Gaiser, Arzt an der Intensivstation des Lahrer Klinikums und Vorstandsmitglied im Hospizverein Lahr. Anderes sei viel wichtiger. So sprach sich Gaiser, der auch Mitglied im ambulanten Palliativ-Team Ortenau ist, für einen Ausbau der Palliativmedizin aus. Es gebe auch zu Hause Situationen, wo man den Angehörigen die Begleiterscheinungen des Sterbens nicht mehr zumuten kann. Auch in den Pflegeheimen müsse man anders mit dem Sterben umgehen. So gebe es in vielen Heimen keine »Visiten-Kultur«, und auch die freie Arztwahl mache für Pflegeheime keinen Sinn. Katarina Weilert, wissenschaftliche Mitarbeiterin im Bundestag und Mitarbeiterin an der Forschungsstätte der Evangelischen Studiengemeinschaft in Heidelberg, wies auf »Grauzonen« und Widersprüche in den rechtlichen Regelungen und Rechtsgütern hin.
Zentraler Streitpunkt bei einer Neuregelung der Sterbehilfe dürfte die Stellung des Arztes werden, meinte sie. Bei einer Legalisierung der Sterbehilfe laufe man Gefahr, dass »etwas kippen könnte« und die Ärzte in Konflikte gestürzt werden könnten. Sie warnte vor einer überstürzten Neuregelung. Zentraler Maßstab müsse Artikel 1 des Grundgesetzes sein: »Die Würde des Menschen ist unantastbar.« Musikalisch umrahmt wurde die Veranstaltung von Kaia Bustnes, Schülerin am Clara-Schumann-Gymnasium, am Cello.