Die Wylerter feiern 650 Jahre Dorfgeschichte
Der Festreigen zum 650-jährigen Bestehen des Stadtteils Kippenheimweiler ist am Samstag beim Jubiläumsabend sprichwörtlich mit Pauken und Trompeten, aber auch mit allerlei Informationen und Unterhaltung eröffnet worden. Die Kaiserswaldhalle war voll besetzt.
Lahr-Kippenheimweiler. Dumpfe Paukenschläge, helle Trompetenklänge – die Eröffnung des Jubiläumsabends mit dem Bläserensemble von Kippenheimweiler unter der Leitung von Marco Kaulke hat gepasst. Feierlich und mittelalterlich anmutend wurden die Festgäste durch den Abend begleitet. Ein Grußwort des Oberbürgermeisters, die Vorstellung des Buches »Die Geschichte des Dorfes Wylert«, der Blick über die Schulter eines Historikers bei der Arbeit, Zeitzeugen, die amüsant und mit teils spitzer Zunge aus früheren Jahren berichteten – das Programm war abwechslungs- und lehrreich zugleich.
Eines wissen die Wylerter, wie sich die Einwohner in Bezug auf historische Dokumente nennen, jetzt sicher: Die Urkunde vom »Dienstag vor dem Sankt-Andreas-Tag 1365«, also dem 25. November 1365, in der »Kippenheimwiler« erstmals urkundlich erwähnt wurde, ist echt. Das hat Stadthistoriker Thorsten Mietzner anhand von Schriftbild, Sprache und Text herausgefunden. Auch das genaue Datum hat er ermittelt. Wie er dabei vorgegangen ist, erläuterte er in einem kurzen Vortrag, bekannte allerdings am Ende freimütig: »Das ist für Sie jetzt aber völlig nutzloses Spezialwissen.«
Dass sich Kippenheimweiler bei der Gemeindereform Anfang der 70er-Jahre nach Lahr orientierte, freut den Oberbürgermeister heute noch. »Lahr ist nur so stark, weil wir starke Stadtteile haben«, sagte Wolfgang G. Müller, »sonst wären wir nicht die zweitgrößte Stadt in der Ortenau; wir sind froh, dass Kippenheimweiler bei uns ist.« Für die Leistung in der Integrationsarbeit zollte das Stadtoberhaupt den Wylertern »Dank und viel Anerkennung; und das ist kein protokollarisches Lob, sondern ernst gemeint«.
Den schwelenden Konflikt der vergangenen Wochen griff Müller ebenfalls auf. Er wolle nicht den Eindruck vermitteln, er würde sich davor drücken, sagte er. Im Gegenteil: »Das gehört zur Lebendigkeit des Stadtlebens. Ich finde es in Ordnung, dass unterschiedliche Bewertungen angemerkt werden und kann gut damit umgehen. Wir werden uns bald zusammensetzen und darüber reden«, versprach er.
320 Seiten starkes Buch
Stephan Hurst, Edgar Kern und Anna-Luise Labelle stellten das neue Ortsbuch vor, das sie in jahrelanger Arbeit aufgelegt haben. »Ich bin einmal gefragt worden, wann denn die Broschüre fertig sei«, berichtete Hurst. »Das war nett.« Denn das Werk ist wahrlich keine normale Festschrift geworden, sondern ein 320 Seiten starker Wälzer, der sich mit der Geschichte, aber auch mit Wylerter Menschen befasst. »Egal wen wir für ein Gespräch oder Bilder angefragt haben, es hat nie ein Nein gegeben«, dankte Hurst den vielen Einwohnern, die ihren Teil zum Buch beigetragen haben.
Zeitzeugen berichten
Das i-Tüpfelchen waren an diesem Abend drei Zeitzeugen, die die Lacher auf ihrer Seite hatten. Unter der Moderation von Ex-Ortsvorsteher Eberhard Roth erzählten Martha Kuhn, Hermann Weis und Konrad Schneble von der Zeit der Eingemeindung (Weis: »Kippenheim wollte uns ja nicht, und 90 Prozent von uns wollten lieber nach Lahr«), der Integration (Schneble: »Egal welche Probleme es gibt, es muss immer miteinander, nicht übereinander geredet werden«) und der Sichtweise einer Neubürgerin (Kuhn: »In Russland war uns die deutsche Sprache verboten; wenn ich heute meine Kinder und Enkel Deutsch sprechen höre, bin ich glücklich«) und gaben so einen guten Überblick über die Politik und das Leben der vergangenen 40 bis 50 Jahre in Kippenheimweiler.
Das Buch »Die Geschichte des Dorfes Wylert« wurde am Jubiläumsabend erstmals verkauft und fand reißenden Absatz. Ab sofort ist es im Buchhandel erhältlich ISBN 977-3-7806-8171-3).
AUFGELISTET
Zitate und Lacher
◼ »Langenwinkel muss bis 2047 warten; dann kann das 250-Jährige gefeiert werden. Das ist das Küken – nicht Sie, Frau Deusch.« (OB Wolfgang G. Müller mit Blick auf das nächste Stadtteiljubiläum an die Ortsvorsteherin Langenwinkels gerichtet)
◼ Dass OB Wolfgang G. Müller auch nach 18 Jahren in Lahr noch immer ein »Hergloffener« ist, bewies er bei der Begrüßung der Jubiläumsgäste mit dem Zungenbrecher »Liebe Kippenheimweilererinnen und -weilerer«. Der Sitznachbar brummte: »Des heißt Wylerter!«
◼ In seinem Grußwort erzählte OB Wolfgang G. Müller von seiner ersten Begegnung in Kippenheimweiler während seines Wahlkampfs 1997, als er von einem Hund gebissen wurde. Ortsvorsteher Tobias Fäßler konterte gezielt: »So ist das mit uns Wylertern: Wenn man uns ärgert, werden wir bissig« – und spielte damit auf die Meinungsverschiedenheiten in den vergangenen Wochen an.
◼ Der Dorfbott ist in Kippenheimweiler Ende 1969 abgeschafft und seine Aufgaben durch ein Amtsblatt ersetzt worden. In der ersten Ausgabe vom 23. Dezember 1969 heißt es zu den Druckkosten: »Der Kostenfaktor ist noch nicht ermittelt; wir müssen erst noch Erfahrungen sammeln.« Darauf Stadtrat und Ex-Ortsvorsteher Eberhard Roth zum OB: »Wenn ich das mal im Gemeinderat bezüglich der neuen (Landesgartenschau-) Brücke gehört hätte.«
◼ Zeitzeuge Hermann Weis zum Waldmattensee auf die Frage, wie das einst mit den ersten Grabungen gelaufen sei: »Mir hen erscht mol ä Loch gebuddelt, um Kies rusz’hole. Alles ganz eifach!« Darauf Eberhard Roth: »Warum het dich de OB dann nit g’frogt wegem Stegmattesee?!«