Im Tandem bis nach Rotterdam
Gemeinsam eigenständig sein – unter diesem Motto findet alle zwei Jahre eine Euro-Tandem-Tour statt, bei der sehende und stark sehbehinderte oder blinde Radfahrer gemeinsam auf verschiedene Netzhauterkrankungen aufmerksam machen. Gestern starteten die Radler von Lahr aus zur zweiten Etappe.
Lahr. Nein, es war nicht die Tour de France, die durch die Grenzregion führte – wenngleich es so aussah. Die 38 Tandem- und neun Einzelfahrer, die gestern Morgen von Lahr aus in Richtung Rotterdam starteten, sind sehende und fast bis ganz erblindete Menschen aus ganz Europa. Hintergrund ihrer zweijährlich stattfindenden Tour ist die Aufklärung über Netzhauterkrankungen, die bis zum völligen Sehverlust führen können. Zudem wollen die Radfahrer zeigen, dass behinderte Menschen – also auch jene, die nicht sehen können – überall integriert werden und auch arbeiten können, somit die Gesellschaft auch entlastet werden kann. Im Fall der Euro-Tandem-Rhein-Tour 2014 bringen die Sehbehinderten ihre Muskelkraft ein, während der Pilot zwar auch kräftig in die Pedale tritt, aber in erster Linie seine Sehkraft einsetzen muss.
»Wir haben sehr gut geschlafen, noch besser gegessen und sind von sehr netten jungen Frauen bedient worden«, dankte Ideengeber Horst Schwerger den Gastgebern in Lahr. Die Fahrt und der anschließende Aufenthalt im Badischen seien »die Vorstufe zum Himmel« gewesen, kokettierte Schwerger. Nach der ersten Nacht – die Truppe hat ihre insgesamt 934 Kilometer lange Tour am Montag in Basel gestartet – fühlten sich die 19- bis 76-jährigen Fahrer aus Deutschland, der Schweiz, Frankreich, den Niederlanden und Luxemburg ausgeruht und bereit für die nächste Etappe.
Willi Brem macht Tempo
Zwischen 100 und 120 Kilometer legen die Radler bei durchschnittlich 25 Stundenkilometern pro Tag zurück. Wie es sich für eine solche Tour gehört, mit Polizeieskorte voraus und am Ende, begleitet von einem Tourbus, einem Versorgungs- und einem Besenwagen, der gestern auch schon zum Einsatz kam. Der Grund: Unter den Teilnehmern ist der blinde dreifache Paralympics-Sieger Willi Brem, der mit seinem Piloten ein Tempo vorgab, das nicht alle halten konnten. Brem versprach mit einem verschmitzten Lächeln, sich an den nächsten Tagen zurückzuhalten.
Die Stimmung im Team ist ganz offensichtlich gut, der Umgang untereinander locker. »Bei uns wird viel gewitzelt, gelacht und auf die Schippe genommen«, erzählt Gerhard Voggenreither. Der Kriminalbeamte aus Stuttgart ist Schwergers Pilot. »Gestern sagte Horst zu mir: ›Mensch, Gerhard, ich hab’ dich schon lange nicht mehr gesehen‹«, gibt er ein Beispiel, wie die blinden Fahrer über sich selbst witzeln können.
Den »Startschuss« zur nächsten Etappe gab Bürgermeister Guido Schöneboom gut hörbar mit einer Klappe, nicht ohne die Gäste vorher begrüßt und sie zur Landesgartenschau 2018 nach Lahr eingeladen zu haben. Eine Einladung, die die Radler annehmen wollen: Mit einem lauten »Tschüss, wir kommen 2018 zur Landesgartentschau wieder« verabschiedete sich die muntere Truppe in Richtung Baden-Baden, wo sie gestern Mittag von Oberbürgermeisterin Margret Mergen erwartet wurde.