Lokalrunde des Lahrer Anzeigers
Am 25. Mai ist Kommunalwahl. Bei einer »Lokalrunde« im Gasthaus »Zarko« haben sich führende Köpfe des Lahrer Gemeinderats und Kandidaten für die kommende Legislaturperiode über Themen der Lahrer Lokalpolitik ausgetauscht – mit überraschenden Ergebnissen.
Vieles eint, nur weniges trennt die Fraktionsvorsitzenden des Lahrer Gemeinderats, die sich am Donnerstagvormittag auf Einladung von Burkhard Ritter, Redaktionsleiter des Lahrer Anzeigers, in diskussionsfreudiger Runde im »Zarko« über aktuelle Themen der Kommunalpolitik ausgetauscht haben. Viele wie etwa FDP-Mann Jörg Uffelmann, Roland Hirsch (SDP) oder Claus Vollmer (Grüne) gehören dem Stadtparlament schon seit Jahrzehnten an. Man kennt sich, duzt sich über die Fraktionsgrenzen hinweg. Dagegen hatte Lukas Oßwald, einziger Ratsherr der Linken, gerade einmal fünf Jahre Zeit, sich mit der Lokalpolitik und den Gesetzmäßigkeiten des Gemeinderats vertraut und sich einen Namen zu machen. Dem künftigen Gemeinderat, der am 25. Mai gewählt wird, könnten auch neue Gesichter angehören: Marlies Llombart beispielsweise, die Eberhard Roth für die Liste der Freien Wähler gewinnen konnte, Pascale Simon-Studer für die Grünen oder der erst 18-Jährige Tunahan Yildirim, in den SPD-Fraktionschef Roland Hirsch große Hoffnungen setzt.
Verwaltungschef und Oberbürgermeister Wolfgang G. Müller (SPD), der im Gemeinderat regelmäßig um Mehrheiten für seine Politik werben muss, darf gespannt sein, wie sich das künftige Lahrer Stadtparlament zusammensetzt. Führende Köpfe aller Fraktionen des amtierenden Gemeinderats kündigten in einer Sache bereits jetzt überraschenden Widerstand an: Eine vom Rathauschef vorgeschlagene Auflösung des Frauenbeirats wird es mit ihnen nicht geben. »Man muss nicht zwingend ein Gremium abschaffen, das wir geschaffen haben«, wehrt sich etwa Ilona Rompel, die CDU-Fraktionsvorsitzende, gegen Müllers Plan. Allenfalls machen die versammelten Kommunalpolitiker »Probleme der Effizienz« aus, wie es der Liberale Uffelmann ausdrückt.
Sie alle wissen: Frauen für die Politik zu gewinnen (dem derzeitigen Gemeinderat stehen 23 Herren nur neun Damen gegenüber), ist genauso schwer, wie die Jugend zu begeistern. Sowohl das aktive als auch das passive Wahlrecht werden nur verhalten ausgeübt. Einen einzigen jungen Mann konnte die FDP für ihre Liste gewinnen. Mehr sei ihm nicht gelungen, sagt Uffelmann. Ein negatives Beispiel ist auch der Jugendgemeinderat, dessen gewählte Vertreter in einigen Fällen schon wenigen Monaten die Amtsmüdigkeit überfällt. Nach Uffelmanns Überzeugung fehlt es den jungen Leuten an »Standvermögen«. Tunahan Yildirim, der dem Gremium selbst angehört, kann das bezeugen. Sein schlichter Vorschlag lautet, die Legislaturperiode von drei auf zwei Jahre zu verkürzen.
Zu den Megathemen der kommenden Jahre zählt zweifelsfrei die Landesgartenschau, die 2018 ausgerichtet wird. Noch existieren nur Kostenschätzungen für das Projekt: Millionen Euro verschlingen aber allein der Bau einer Brücke und eines in seiner endgültigen Form zuletzt heftig umstrittenen Badesees in den Stegmatten. Während Roth, Rompel und Hirsch den Nachhaltigkeitscharakter solcher Investitionen herausstellen, heben andere mahnend den Finger. Die Finanzierung der Landesgartenschau bereite ihm Sorge, betont Uffelmann, der einen Badesee für »so unnötig wie einen Kropf« hält und Schulden auf die künftige Generation zukommen sieht. Damit leistet der FDP-Mann dem erklärten Gartenschaugegner Oßwald Schützenhilfe, der für seinen Vorschlag, wenigstens allmählich ein Kostenmanagement zu etablieren, um auf diese Weise den Überblick zu behalten, über den Tisch hinweg zustimmendes Nicken erntet.
Auch andere Fragen sind im Zusammenhang mit der Großveranstaltung noch nicht geklärt – allen voran die nach der Führung des Straßenverkehrs. Park-and-Ride-Parkplätze auf der grünen Wiese? Eine Eisenbahnverbindung vom Schuttertal nach Lahr? – Noch, darauf macht Rompel aufmerksam, hätten sich Verwaltung und Gemeinderat mit einem Verkehrskonzept nicht beschäftigt.
Kopfzerbrechen bereitet allen Anwesenden auch die Flugplatz-Frage. Während das grün-linke Lager um Vollmer und Oßwald fordert, das Geld, das für das Festhalten an einer fliegerischen Nutzung ausgegeben wird, in andere Infrastrukturmaßnahmen zu investieren, sehen die Vertreter eher bürgerlicher Fraktionen einen engen Zusammenhang zwischen Flugbetrieb und wirtschaftlicher Prosperität des Standorts Lahr. Insbesondere ein Logistikleistungszentrum würde von einem Flughafen profitieren, glaubt Roth: »Es wird sich in den nächsten Jahren da draußen etwas tun«, ist er überzeugt. Wohl wissend, dass in Sachen Güterzugtrasse eine Entscheidung noch immer aussteht. »Wenn alles scheitern sollte, müssen wir uns aber sagen: Ein Traum muss auch mal ausgeträumt sein«, schließt Rompel.
Roland Hirsch (63, SPD-Stadtrat seit 1989, Kripo-Hauptkommissar a.D.) auf die Frage nach dem Frauenbeirat: »Gleichberechtigung zwischen Männern und Frauen ist in Wirklichkeit noch lange nicht erreicht.«
Tunahan Yildirim (18, SPD-Kandidat, Schüler und Jugendgemeinderat) auf die Frage, welchen Sinn der Jugendgemeinderat hat: »Es gibt kein anderes Gremium, das Jugendliche vertreten kann.«
Ilona Rompel (55, CDU-Stadträtin seit 1994, Rechtsanwältin) zur Arbeit des »großen« Gemeinderats: »Wir sind hier auch kein Debattierclub!«
Hermann Burger (72, CDU-Stadtrat seit 1994, Konditormeister) zur grundsätzlichen Einstellung von Jugendlichen: »Jugend ist in ihrer Entwicklung so, dass sie sich von Strukturen verabschiedet, die ihnen von den Älteren auferlegt wurden.«
Eberhard Roth (60, Freie-Wähler-Stadtrat seit 1989, Geschäftsführer bei der Evangelischen Kirche) zur Landesgartenschau: »Für uns ist das ein wichtiges Stadtentwicklungsprojekt. Ein Image-Gewinn, vor allem aber dient sie der Nachhaltigkeit.«
Marlies Llombart (57, Freie-Wähler-Stadtratskandidatin, Physiotheratpeutin und Lehrerin) zur vom OB empfohlenen Auflösung des Frauenbeirats: »Ich würde diesen harten Schnitt nicht machen.«
Jörg Uffelmann (70, FDP-Stadtrat seit 1983, Rechtsanwalt) zu einem möglichen Abschied von der fliegerischen Nutzung des Lahrer Flugplatzareals: »Wir wären mit dem Klammerbeutel gepudert, wenn wir das Gelände vermarkten würden, um dann dieses Geld bei der Bima abzugeben.«
Sonia Kmitta (65, FDP-Stadträtin seit 2004, Ballettlehrerin) zu einer möglichen Auflösung des Frauenbeirats: »Wir haben genügend Frauen in anderen Gremien.«
Lukas Oßwald (47, Linken-Stadtrat seit 2009, Forstwirtschaftsmeister) über die Schwierigkeit, junge Leute für die Politik zu begeistern: »Ohne Spaß an der Politik, wird man Jugendliche nicht dazu bringen, sich zu engagieren.«
Claus Vollmer (64, Grünen-Stadtrat seit 1984, Oberstudienrat a.D.) zur Fliegerei in Lahr: »Obwohl nicht geflogen wird, hat sich Lahr zu einem der größten Logistikstandorte entwickelt.«
Pascale Simon-Studer (56, Grünen-Kandidatin, Eurodistrikt-Referentin am Landratsamt Ortenaukreis) zur Situation Lahrs: »Die geografische Nähe zur Europastadt Straßburg ist ein großer Standortvorteil für die Attraktivität Lahrs.«
SERVICE
Wahlprüfsteine
Jeden Mittwoch bis zum 14. Mai stellt der Lahrer Anzeiger den Lahrer Parteien eine kommunalpolitische Frage. Am 30. Mai geht es um das Fliegen in Lahr.
Gemeinderatswahl am 25. Mai
Wähler nicht nur über die künftige Zusammensetzung des Europaparlaments ab. Sie wählen in Baden-Württemberg auch ihre Kreis-, Gemeinde- und Ortschaftsräte. Der Lahrer Gemeinderat verfügt über 32 Sitze. In ihm vertreten sind SPD und CDU mit jeweils acht Sitzen, Freie Wähler (sieben Sitze), Grüne und FDP mit jeweils vier Sitzen sowie die Linke Liste Lahr mit einem Sitz. Von den bisherigen Mitgliedern des Gemeinderats werden nur Traudel Bothor (Freie Wähler), Monika Schmidt (SPD) und Hermann Hauer (FDP) nicht mehr antreten. Die meisten Stimmen konnten bei der Wahl im Jahr 2009 SPD-Urgestein Walter Caroli (7423), Eberhard Roth (Freie Wähler, 7271) und Roland Hirsch (SPD, 6332) auf sich vereinen.
Der Lahrer Stadtrat ist im Schnitt 59,3 Jahre alt und ist seit 15,5 Jahren im Parlament. 17 Stadträte kommen aus der Kernstadt, 15 aus den Stadtteilen. 23 Männern stehen lediglich neun Frauen gegenüber.