Schwanau - Nonnenweier

Unter einem Dach mit den Lebach-Mördern

Hans Weide
Lesezeit 4 Minuten
Jetzt Artikel teilen:
16. März 2017
In der Pension »Ellbach« in Baiersbronn-Mitteltal wohnten die beiden Lebach-Mörder gut eine Woche lang. Als der Fall aufgeklärt war, belagerte die Presse das Gebäude. Inzwischen gibt es den Beherbergungsbetrieb nicht mehr; das Gebäude dient rein privaten Zwecken.

In der Pension »Ellbach« in Baiersbronn-Mitteltal wohnten die beiden Lebach-Mörder gut eine Woche lang. Als der Fall aufgeklärt war, belagerte die Presse das Gebäude. Inzwischen gibt es den Beherbergungsbetrieb nicht mehr; das Gebäude dient rein privaten Zwecken. ©privat

Die Täter lieferten Schlagzeilen – ein Urteil hatte große Auswirkungen auf die Medienbranche. Die Täter der Bluttat in Lebach 1969 wohnten danach einige Tage bei einer Frau, die heute in Nonnenweier lebt.

Eines der größten Gewaltverbrechen der Nachkriegszeit – so wurde der Soldatenmord von Lebach 1969 ziemlich schnell in der Presse genannt. Zwei Männer töteten am 20. Januar drei Soldaten und klauten Patronen, Pistolen und Gewehre. Die 86-jährige Selma S.*, die heute im Feierabendhaus in Nonnenweier wohnt, beherbergte damals die Täter unter ihrem Dach – ohne etwas zu wissen natürlich. 40 Jahre betrieb sie mit ihrem Mann unter anderem die Café-Pension »Ellbach« in Baiersbronn-Mitteltal. 

Kurz vor Ostern 1969 mieteten sich bei ihr zwei junge Männer ein, die sich als Studenten ausgaben. Mit Blick auf ihr ungewöhnliches Verhalten und überhaupt ihr gesamtes Benehmen gewann die Pensionswirtin auch bald den Eindruck, dass es sich um ein homosexuelles Paar handeln müsse, was um diese Zeit noch nach Paragraph 175 Strafgesetzbuch strafbar war. Die Bezeichnung für die Betroffenen war im Volksmund damals daher 175er, was auch im vorliegenden Fall so ausgedrückt wurde. 

Bald fiel ihrer gesamten Familie jedoch auf, dass sich die beiden jungen Männer auch sonst sehr merkwürdig benahmen. Auffällig waren dabei ihre langen Abwesenheiten und die Vermeidung jeglicher Kontakte. Sie waren unter anderem zu keinem Gespräch bereit und beantworteten auch keine Fragen. »Andererseits hatten wir oft Gäste, die sich zurückgezogen benahmen«, sagt Frau S. im Gespräch mit dem Lahrer Anzeiger.

Ihr damals 13-jähriger Sohn jedoch machte sich so seine Gedanken. Der Soldatenmord war immer noch in den Medien präsent. »Und wenn die beiden die Mörder sind?«, meinte er zu seiner Mutter. »Ich habe ihm geantwortet: ›Du liest zu viele Abenteuergeschichten‹«, erinnert sich Frau S. Hätte sie anders reagiert, wäre sie um 60 000 Mark reicher gewesen – so hoch war die Prämie für die Ergreifung der Täter. 

Der Sohn war es auch, der die Männer vor ihrer Abreise mit zwei besonders schweren Säcken zu ihrem Auto gehen sah. Heute weiß man, dass sich darin unter anderem die bei dem Überfall erbeuteten 1000 Schuss Gewehr-, 50 Schuss Pistolenmunition, zwei Pistolen P 1 und drei Gewehre G 3 befunden haben.  

- Anzeige -

Am Dienstag nach Ostern, am 8. April 1969, hatten die anderen Ostergäste die Pension verlassen, und der Mann von Frau S. war auf Reisen, sodass sie mit den beiden angeblichen Studenten allein im Haus war. Erst am Donnerstag kam ihr Mann zurück und bemerkte einen benzinähnlichen Geruch im Haus. Auch hier stellte sich später heraus, dass es sich dabei wohl um Waffenöl handelte, mit dem die Täter die Waffen gereinigt haben. 

Am Samstag, 12. April 1969, reisten die Täter ab und bekamen eine Rechnung, die sie – wie alle Speisen und Getränke – bar bezahlten. Aufgrund dieser Rechnung, die man später bei der Durchsuchung ihrer Wohnung und Sachen fand, standen nach der Ermittlung der Täter plötzlich Beamte des Bundeskriminalamtes vor der Tür der Pension, um Auskünfte über den Aufenthalt der beiden in dem Hause einzuholen. Bei der Durchsuchung der Räume fanden sie unter anderem einen Zettel, auf dem die Telefonnummer des Büros der Kaiserin Soraya stand. Wie sich herausstellte, hatte sich der Täter Ditz bei der Wahrsagerin »Buchela«, deren Hinweis zur Ergreifung der Täter führte, mehrmals als Privatsekretär von Soraya ausgegeben.   

Auf die Frage »Was haben denn die beiden getan?« bekam Frau S. die Antwort: »Schalten Sie heute Nachmittag das Radio ein.« Damit war jedoch die Geschichte für die Pensionswirtin noch nicht zu Ende. In den nächsten Tagen melden sich Reporter von Illustrierten und Zeitungen wie zum Beispiel »Die Bunte«, »Stern« und »Bild« – telefonisch oder sie kamen einfach vorbei. Frau S. erzählte freimütig ihre Geschichte, ohne zu wissen, dass ihr dadurch zum zweiten Mal eine Chance für eine entsprechende Prämie entgangen war. Sie hätte Geld verlangen können für die Informationen. »Aber das wusste ich nicht«, bekennt sie.

Eine ganze Woche lang belagerte das ZDF ihr Haus, weil sie einen Film unter anderem über den Aufenthalt der Täter drehten. »Es war alles sehr aufregend«, erinnert sich Frau S. »Trotzdem waren wir froh, als alles rum war und wir endlich wieder ein normales Leben führen konnten.«

*Auf Wunsch der Betroffenen wird nicht ihr voller Name genannt und auch kein Foto veröffentlicht. 

Info

ZDF-Film

Der ZDF-Film zu dem Lebach-Fall kam nie ins Fernsehen. Die Täter klagten dagegen vor dem Bundesverfassungsgericht – mit Erfolg. Das Grundsatzurteil ging als Lebach-Urteil in die Rechtsgeschichte ein und bewirkt, dass bis heute in deutschen Medien Namen und Gesichter von Strafgefangenen mit Rücksicht auf eine Resozialisierung unkenntlich gemacht werden müssen.

Info

Der Lebach-Fall und seine Aufklärung

Am Sonntag, 20. Januar 1969, überfielen gegen 2 Uhr Hans-Jürgen Fuchs und Wolfgang Ditz die Wachstation des Fallschirmjägerbataillons 261 in Lebach (Saarland), töteten drei der fünf Wachsoldaten im Schlaf und verletzten zwei schwer, einer starb wenig später. Außerdem entwendeten sie 1000 Gewehrpatronen, 50 Schuss Pistolenmunition, zwei Pistolen P 1 und drei Gewehre G 3. Nach der größten Fahndungsaktion der Nachkriegszeit wurden die Täter ermittelt. Es handelte sich um drei homosexuelle Männer aus Landau in der Pfalz, die sich durch Erpressung Geld beschaffen und damit ins Ausland gehen wollten. Dazu brauchten sie die Waffen, und dazu hatten sie das Wachbuch mitgenommen und Seiten davon ihren Erpresserbriefen angehängt. Nach einem in der Fernsehsendung »Aktenzeichen XY ungelöst« ausgestrahlten Aufruf wurden sie auf Grund eines Hinweises der Wahrsagerin »Buchela« ermittelt, die von den Tätern mehrfach aufgesucht worden war. Am 7. August 1970 verurteilte das Saarbrücker Landgericht die beiden Haupttäter zu zweimal lebenslänglich und einen Mittäter zu sechs Jahren Freiheitsstrafe. 

Weitere Artikel aus der Kategorie: Lahr

Ein Gast hat in einem Seelbacher Lokal nicht nur versucht, die Zeche zu prellen, sondern dabei auch das Inventar eingesteckt.
27.03.2024
Mit 2,9 Promille
Ein 35-jähriger Mann hat versucht, in einer Seelbacher Kneipe die Zeche zu prellen. Angestellte verhinderten seine Flucht. Als die Polizei ihn durchsuchte, kam noch mehr zum Vorschein.
Ehrungen langjähriger Mitglieder beim Schwarzwaldverein Lahr: (von links) Vorsitzender Andreas Kaufmann, selbst seit 50 Jahren dabei, Bruno Kohlmeyer, Erika Strauß und Karl-Heinz Strauß.
27.03.2024
Ortsgruppe statt Ortsverein
Der Schwarzwaldverein Lahr feiert in diesem Jahr sein 150-jähriges Bestehen. Bei der Hauptversammlung wurde aus diesem Anlass eine Namensänderung beschlossen.
Abbas Syed im Werk der Firma Herrenknecht in Allmannsweier.
27.03.2024
"Nie aufgeben ist wichtig"
Wir stellen Menschen vor, die im Ausland aufgewachsen sind und jetzt hier in der Region leben. Heute: Abbas Syed aus Pakistan, der bei der Firma Herrenknecht eine Ausbildung gemacht hat.
In der Lahrer Innenstadt konnten im März 1966 Lahrer Bürger an der Hallenbad-Lotterie teilnehmen. Bürgermeister Rudolf Ritter, Stadtkämmerer Friedrich Dilger und Stadtrat Eugen Landerer (von links) freuten sich.
27.03.2024
Zum 50. Geburtstag
Lahr feiert den 50. Geburtstag des Hallenbads mit diversen Veranstaltungen. Klar ist, dass das Bad einen großen Sanierungsstau aufweist.
Schwer verletzt hat sich ein 32-Jähriger bei Arbeiten auf einer Baustelle in Lahr. Der Mann stürzte und fiel auf ein Metallstab.
26.03.2024
Lahr
Bei einem Arbeitsunfall auf einer Baustelle ist ein 32-Jähriger schwer verletzt worden. Der Mann stürzte auf einen Metallstab, der sich dabei durch sein Gesäß bohrte.
Sabine Näger, die zum ersten Mal teilnahm, präsentiert eines ihrer Bilder.
26.03.2024
Szene zeigt Vielfältigkeit
Kunstschaffende aus der Region haben bei der Ausstellung "Kunst im Schlössle" in Heiligenzell ihre Werke gezeigt. Drei Künstlerinnen nahmen zum ersten Mal teil.
Eine Streichergruppe des Clara-Schumann-Gymnasiums.
26.03.2024
Eine glatte Eins
Zum jährlichen Hausmusikabend hatte die Abteilung Musik des Clara-Schumann-Gymnasiums am Donnerstag eingeladen. 13 Ensembles haben ihr hohes musikalisches Können gezeigt.
Die Gründerzeitvilla und die beiden Rotbuchen in der Obertorstraße sollen nun doch erhalten bleiben. Auf dem Grundstück ist ein Gebäude mit sieben Wohnungen geplant.
26.03.2024
Obertorstraße
Auf einem Villengrundstück in der Obertorstraße 17 in Lahr können sieben Wohnungen gebaut werden. Die Baugenehmigung liegt dem Investor vor.
25.03.2024
Kandidatenliste vorgestellt
Die CDU Schwanau hat die Listen für die Kommunalwahl vorgestellt. Diese 28 Kandidatinnen und Kandidaten stehen zur Wahl.
Martin Lampeitl dessen Passion vor allem die irische Musik ist, mit einer Mandoline an seinem Rückzugsort.
25.03.2024
In zwei Welten zuhause
Seit drei Jahren ist Martin Lampeitl, der frühere evangelische Seelsorger im Europa-Park, im Ruhestand – aber nur als Mann der Kirche, als Musiker hingegen ist er aktiv wie eh und je.
Wegen seines Kampfhundes stand ein Gebrauchtwagenhändler vor dem Lahrer Amtsgericht. Der Prozess endete mit einem Freispruch.
25.03.2024
Kein Angriff durch Kampfhund
Um einen Pitbull im Büro eines Lahrer Gebrauchtwagenhändlers hat sich eine Verhandlung am Amtsgericht Lahr gedreht. Sie endete mit einem Freispruch für den Hundehalter.
Der Radbus auf den Geisberg fährt vom 31. März bis zum 27. Oktober. 
25.03.2024
Saison startet am 31. März
Von Sonntag, 31. März, an fahren die Freizeitbusse der SWEG wieder. Es geht auf den Geisberg, den Langenhard, zum Europa-Park oder über den Schönberg nach Biberach.

Das könnte Sie auch interessieren

- Anzeige -
  • HYDRO liefert etwa Dreibockheber für die Flugzeugwartung. 
    26.03.2024
    HYDRO Systems KG und Rhinestahl fustionieren
    HYDRO Systems KG und Rhinestahl schließen sich zusammen. Mit diesem Schritt befinden sich die Kompetenzen in den Bereichen Ground Support Equipment (GSE) und Aircraft- & Engine Tooling unter einem Dach.
  • Alle Beauty-Dienstleistungen bietet die Kosmetik Lounge in Offenburg unter einem Dach.
    26.03.2024
    Kosmetik Lounge Offenburg: Da steckt alles unter einem Dach
    Mit einer pfiffigen Geschäftsidee lässt Elena Plett in Offenburg aufhorchen. Die staatlich geprüfte Kosmetikerin denkt "outside the box" und hat in ihrer Kosmetik Lounge ein außergewöhnliches Geschäftsmodell gestartet.
  • Konfetti, Flitter und Feuerwerk beschließen die große Preisverleihung im Forum-Kino in Offenburg. Die SHORTS feiern 2024 ihr 25. Jubiläum. 
    26.03.2024
    25 Jahre SHORTS – 25 Jahre Bühne für künftige Filmemacher
    Vom kleinen Screening in 25 Jahren zum gewachsenen Filmfestival: Die SHORTS der Hochschule Offenburg feiern Jubiläum. Von 9. bis 12. April dreht sich im Forum-Kino Offenburg alles um die Werke junger Filmemacher. Am 13. April wird das Jubiläum im "Kesselhaus" gefeiert.
  • Das LIBERTY-Team startet am Mittwoch, 27. März, in die Afterwork-Party-Saison. 2024 finden die Veranstaltungen in Kooperation mit reiff medien statt. 
    22.03.2024
    Businessaustausch jetzt in Kooperation mit reiff medien
    Das Offenburger LIBERTY startet mit Power in die Eventsaison: Am Mittwoch, 27. März, steigt die erste XXL-Afterwork-Party mit einem neuen Kooperationspartner. Das LIBERTY lädt zusammen mit reiff medien zum zwanglosen Feierabend-Businessaustausch ein.