AWO: Anlaufstelle seit 25 Jahren
Seit 25 Jahren kümmert sich der sozialpsychiatrische Dienst der Arbeiterwohlfahrt um Menschen mit Depressionen und anderen psychiatrischen Erkrankungen. Vergangenes Jahr nutzten 154 Menschen das kostenlose Angebot, darunter auch immer mehr junge Leute.
Offenburg. Die Beratungsstelle für psychisch kranke Menschen in Offenburg feiert in diesem Jahr ihr 25-jähriges Bestehen. Schon etwa ab 1975 hatte man angefangen, sich mit den sehr veralteten und restriktiven Zuständen in psychiatrischen Einrichtungen kritisch zu beschäftigen. Man wollte die Menschen aus den Krankenhäusern herausholen und ihnen eine niederschwellige Anlaufstelle bieten.
Die Beratungsstelle des sozialpsychiatrischen Dienstes der Arbeiterwohlfahrt (Awo) in der Hauptstraße 58 war von Anfang an gut frequentiert. Der sozialpsychiatrische Dienst ist zuständig für psychiatrisch erkrankte erwachsene Menschen mit schweren Depressionen, Psychosen, Persönlichkeitsstörungen, Zwangserkrankungen, Essstörungen, Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung (ADHS) oder Borderline-Erkrankungen. »Es sind Menschen, die aufgrund ihrer seelischen Beeinträchtigung in vielerlei Hinsicht Hilfen bedürfen«, sagt Diplomsozialarbeiterin Ingrid Hugelmann. 154 Klienten waren es 2014 in Offenburg, wobei immer mehr junge Leute betroffen sind.
»Oft stehen lange Leidenswege und harte Schicksale hinter den komplexen Krankheitsbildern«, ergänzt Anna Staiger, ebenfalls Diplomsozialarbeiterin. Menschen mit chronisch psychischen Erkrankungen haben Schwierigkeiten, ihr Leben zu bewältigen. Sie sind ängstlicher, sensibler, unsicherer, manchmal kontaktscheu und wenig belastbar, die meisten können nicht mehr in ihrem Beruf arbeiten. »Im Vergleich zu unserer Arbeit in den 90er-Jahren stellen wir leider fest, dass es immer schwieriger wird für unsere Klienten auf dem freien Arbeitsmarkt Fuß zu fassen«, so Staiger.
Und wer keine Arbeit habe, fände auch kaum noch eine Wohnung in Offenburg. Wurden die Klienten früher von der Psychiatrie Emmendingen oder von einem der niedergelassenen Psychiater überwiesen, so kommen sie heute von der seit 1999 bestehenden psychiatrischen Klinik auf der Lindenhöhe, viele der Betroffenen melden sich selbst oder werden von Angehörigen angemeldet. Das Angebot ist freiwillig, kostenlos, die Berater stehen unter Schweigepflicht.
Hilfe bei Terminen
»Wir bieten eine Grundversorgung«, sagt Geschäftsführer Edmund Taller. Jeder kann ohne Verordnung oder Überweisung zur Beratung kommen. Daneben gebe es in Zusammenarbeit mit Fachärzten, Therapeuten und Reha-Einrichtungen einzelfallbezogene Hilfen. Oft gehe es um die Vermittlung eines Arbeitsplatzes in einer Reha-Werkstatt, um einen Termin bei der Schuldnerberatung oder beim Facharzt, die Unterstützung in Behördenangelegenheiten oder die Begleitung in die Tagesstätte Regenbogen, die ein Freizeitprogramm anbietet.
Nach wie vor Vorurteile
Seit 1998 gibt es zusätzlich das betreute Wohnen mit aktuell 16 Plätzen. »Da haben wir die Möglichkeit, mindestens einmal pro Woche zu den Klienten nach Hause zu kommen, mit ihnen zusammen den Alltag anzugehen und so die Hilfe kontinuierlich und intensiv zu gestalten. Wir beraten auch Angehörige und regen betreute Angehörigengruppen an«, so die Mitarbeiterinnen. Nach wie vor gebe es viele Vorurteile gegenüber psychisch Kranken. Diese Diskriminierung belaste die Betroffenen noch zusätzlich. Öffentlichkeitsarbeit sei deshalb eine wichtige Aufgabe der Beratungsstelle. Jedes Jahr zum Tag der seelischen Gesundheit am 10. Oktober gibt es deshalb eine Veranstaltung zu einem aktuellen Thema, in diesem Jahr geht es um Kinder von psychisch kranken Eltern.
Die Finanzierung
Teilfinanziert wird der Dienst vom Landkreis Ortenau und vom Land Baden-Württemberg. Früher waren noch die Krankenkassen beteiligt, die sind aber vor mehr als zehn Jahren aus der pauschalen Finanzierung ausgestiegen und bezahlen nur noch Einzelverordnungen.
Dank der grün-roten Landesregierung gibt es in Baden-Württemberg jetzt ein Psychiatriegesetz, in dem die sozialpsychiatrischen Beratungsstellen per Gesetz festgeschrieben worden sind. Das bedeutet zwar mehr Planungssicherheit für die Träger, die diesen Dienst mitfinanzieren müssen, allerdings ist die Finanzierung durch die öffentliche Hand bislang nicht zu 100 Prozent gesichert.