Ausbildung für Geschwister Krasniqi in Sicht
Noch vor einem Jahr war es für die beiden Geschwister undenkbar: Weil sie keinen Aufenthaltsstatus hatten, durften Sultan und Ficerije Krasniqi nicht zur Schule gehen. Nachdem das Verwaltungsgericht Freiburg im Frühjahr eine Abschiebung wegen der gesundheitlichen Lage der Familie verboten hat, geht es nun bergauf. Die beiden haben einen Platz auf einem Stuttgarter Internat für Blinde erhalten.
Offenburg. Was für andere Kinder und Jugendliche in Deutschland ganz normal oder mitunter sogar eher lästig ist, war für Sultan (20) und Ficerije Krasniqi (18) bis vor Kurzem noch ein unerreichbares Privileg. Der Schulbesuch war den beiden Flüchtlingskindern verwehrt. Denn dieser war für die blinden Geschwister, die vor 16 Jahren mit ihrer Mutter und fünf weiteren Geschwistern vor dem Krieg im Kosovo flüchten mussten, an einen Aufenthaltstitel gekoppelt. Der schien aber bis Frühjahr dieses Jahres für die Familie in weiter Ferne, bis das Verwaltungsgericht Freiburg nach 15 Jahren Bangen ein Abschiebungsverbot verhängte.
Sechs Monate später sitzen Sultan und Ficerije auf gepackten Koffern. Am Sonntag nämlich erfüllte sich ihr jahrelanger Wunsch: Sie haben einen Platz in einer Facheinrichtung für blinde und sehbehinderte Menschen in Stuttgart bekommen. Geholfen hat ihnen der Offenburger Streetworker Marcel Karow, der sich seit Jahren um das Wohl der Krasniqis bemüht. »Nach mehreren Beratungen sind wir auf die Schule in Stuttgart aufmerksam geworden«, berichtet Karow. Daraufhin seien sie in die Landeshauptstadt gefahren: »Die Schule hat einen sehr guten Eindruck gemacht.« Für ein Jahr sei der Unterricht, der eine Art Berufsvorbereitungsjahr sei, genehmigt – mit Option auf Verlängerung.
Alte Bekannte getroffen
Sultan Krasniqi hat bereits alte Bekannte getroffen: »Drei bis vier Leute kenne ich noch von früher.« Die Geschwister waren vor einigen Jahren schon einmal auf einer Blindenschule in Schramberg. Die Finanzierung war aber gestrichen worden. Seither waren die Jugendlichen zum Nichtstun verdammt.
16 Jahre dauerte die Odyssee von Frist zu Frist und bestimmte den Lebensalltag der gesundheitlich eingeschränkten Familie. Denn nicht nur die beiden Geschwister sind blind, ihre Mutter Sadije ist herzkrank und leidet zudem an Diabetes ebenso wie die ältere Schwester Naxherie. Weil die Mutter Analphabetin ist, wird sie von der Sozialstation St. Ursula versorgt, deren Mitarbeiter ihr zweimal am Tag Insulin und Medikamente verabreichen. Doch Anträge auf Asyl oder eine Härtefallregelung lehnte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge all die Jahre ab.
Im Frühjahr wendete sich das Blatt. Der Anwalt der Familie gewann eine Klage gegen die Bundesregierung. Das Verwaltungsgericht Freiburg erkannte die gesundheitliche Lage der Familie an und verhängte ein Abschiebungsverbot. Eine Rückkehr in den Kosovo sei mit Verelendung und einergravierenden Verschlechterung des Gesundheitszustandes der Mutter verbunden, befand die Richterin.
Seither hat sich viel getan bei Familie Krasniqi: Mutter Sadije gehe es von Tag zu Tag besser, berichtet Sultan. Und die beiden Geschwister haben eine Chance, einmal ein selbstbestimmtes Leben führen zu können. Beide freuen sich nun auf die neuen Herausforderungen in Stuttgart: Nicht einmal seinen Computer will Sultan mitnehmen, um sich ganz aufs Lernen zu konzentrieren.