Bürgermeister Erny: »Wir kämpfen um den Klinikstandort«
Ein vom Ortenau-Klinikum in Auftrag gegebenes Strukturgutachten schlägt vor, die Orthopädie von Gengenbach nach Kehl zu verlagern. Das könnte kompliziert werden, nicht nur weil Bürgermeister Thorsten Erny sagt: »Es verbietet sich für mich, an eine Schließung auch nur zu denken.«
Das Offenburger Tageblatt hat am Dienstag Auszüge aus dem Strukturgutachten des Ortenau-Klinikums (Ortenauseite) veröffentlicht.
Als eine Option wird darin vorgeschlagen, das Haus in Gengenbach zu schließen und die bundesweit anerkannte Orthopädie nach Kehl zu verlagern.
Das Gutachten hat die CMK Krankenhausberatung GmbH in Mannheim erstellt.
Bürgermeister Thorsten Erny, auch Mitglied im Krankenhausausschuss des Kreistags, zeigte sich gestern auf Anfrage des Offenburger Tageblatts gelinde gesagt verwundert, dass das Gutachten bereits an die Presse gelangt ist, ohne dass darüber im Krankenhausausschuss am Mittwoch ein Wort gesprochen worden sei.
Die inhaltliche Debatte beginne erst am nächsten Mittwoch in einer weiteren nichtöffentlichen Sitzung. Auch sei noch nichts beschlossen.
Deshalb betonte Erny: »Als Bürgermeister verbietet es sich mir, an eine Schließung auch nur zu denken. Wir werden um den Klinikstandort kämpfen.«
Die Orthopädie mit Chefarzt Bruno Schweikert genießt einen sehr guten Ruf. Sie ist als Endopropthetikzentrum der Maximalversorgung zerzifiziert.
Sie kam 2007 von Offenburg nach Gengenbach. Dafür gab das Krankenhaus die Frauenheilkunde und Geburtshilfe an den Ebertplatz ab.
Gleichzeitig fusionierte das Gengenbacher Krankenhaus, das vom Spitalfonds getragen war, mit dem Ortenau-Klinikum.
Vertrag bis 2057
Aus dieser Zeit existieren noch Verträge. »Wir haben einen Erbbaupachtvertrag, der bis 2057 läuft«, erklärte Martin Klotz, Geschäftsführer des Spitalfonds.
Dieser sei mit der Fusion 2007 auf 50 Jahre ausgelegt worden. Der Vertrag bezieht sich darauf, dass das Ortenau-Klinikum bis dahin Grundstück und Gebäude für den Krankenhausbetrieb nutzt.
Außerdem gebe es einen Kooperationsvertrag mit dem Pflegeheim am Nollen, dessen Leiter Klotz ist, welcher es ermöglicht, gegen Vergütung Dienste des Ortenau-Klinikums Offenburg-Gengenbach, etwa in Bezug auf Technik, Betriebsmedizin und Fortbildungen, zu nutzen.
»Nur Arbeitspapier«
Klotz bezeichnete die Inhalte des Strukturgutachtens lediglich als »Arbeitspapier«.
Der Erhalt des Gengenbacher Krankenhauses ist für Bürgermeister Erny auch deshalb bedeutsam, weil in unmittelbarer Nähe die Ortenberger Firma Trendconcept ein Stadt-
hotel samt Gesundheitszentrum baut.
Geschäftsführer Bertram Jörger war gestern für eine Stellungnahme nicht zu erreichen, doch sieht Erny im Verbund mit dem Krankenhaus große Chancen: »Wir wollen Gengenbach als Gesundheitsstandort stärken.«
Das Gutachten betrachtet in einem Kurzzeitansatz drei Szenarien, jeweils eine Minimal-, Mittel-, und Maximallösung. In allen drei Varianten wäre das Aus der Gengenbacher Orthopädie besiegelt. Bliebe es bei der Minimallösung, wären alle anderen Standorte im Landkreis vorerst gesichert.
- Mittellösung: Außer Gengenbach würde das Haus in Ettenheim (Verlagerung nach Lahr) geschlossen.
- Maximallösung: Hier würde Gengenbach, Ettenheim, sowie das Oberkircher Krankenhaus geschlossen.
- Langfristige Perspektive (drei Standorte): Überlegt wird, nur noch die Standorte Lahr und Wolfach zu halten. Die Kliniken in Offenburg würden aufgelöst. Dafür könnte etwas weiter nördlich ein Neubau entstehen, in dem auch die Häuser Achern und Kehl aufgehen.
- Langfristige Perspektive (vier Standorte): Erhalten blieben Lahr, Offenburg und Wolfach. Im Norden des Landkreises würde neu gebaut.
- Nichts entschieden: Das Ortenau-Klinikum hat das Strukturgutachten als Diskussionsgrundlage eingebracht. Das letzte Wort hat der Kreistag. Läuft alles nach Plan, wird er im Herbst ein neues Konzept beschließen. Bis dahin sind allerdings heftigste Diskussionen zu erwarten.
Zahlen des Ortenau-Klinikums
Das Ortenau-Klinikum hat 2015 ein Jahresverlust in Höhe von neun Millionen Euro erwirtschaftet. Für das Jahr 2023 wird ein Defizit von rund 17,5 Millionen Euro prognostiziert.
Das Haus in Gengenbach hat im Jahr 2015 rund 2,3 Millionen Euro Defizit eingefahren, die Auslastung der 104 Betten lag bei 62 Prozent. Als ideal gelten 80 bis 85 Prozent.
Bislang ist es erklärtes Ziel des Kreistags, alle Standorte in der Ortenau zu halten. Das Gutachten der Mannheimer CMK Krankenhausberatung GmbH sagt, wenn das so bleiben soll, muss der Kreis Verluste tragen und die Kreisumlage erhöhen, die wiederum von Städten und Gemeinden zu leisten ist.