"Critical Mass" setzt sich für mehr Rechte für Radler ein
»Critical Mass« ist eine Aktion, mit der weltweit Radler den öffentlichen Verkehrsraum zurückerobern wollen. Auch in Offenburg treffen sich jeden letzten Freitag im Monat »kritische Radler« als loser Verbund. Heike Hügle, Jochen Walter und Jürgen Hense erklären, was es damit auf sich hat.
Wenn die »kritische Masse« als Korso mit bis zu 40 Teilnehmern durch Offenburg radelt, dann wird sie beachtet. Das ist gewollt, denn »Critical Mass« ist eine Aktion, bei der sich weltweit Radfahrer treffen, um sich für mehr Rechte innerhalb des Gesamtverkehrs einzusetzen. Sie bilden dabei einen mehrspurigen Pulk auf der Straße, dürfen sogar wie ein Sattelzug über die Ampel fahren, selbst wenn diese zwischenzeitlich auf Rot umgeschaltet hat.
Haben die Radfahrer nicht längst alle Rechte, sind die Städte nicht ausreichend mit Radwegen, Radwegstreifen ausgerüstet? Mitnichten, ein halbes Jahrhundert fehlgeleiteter Verkehrspolitik habe Nichtmotorisierte, also Fußgänger und Radler, an die Seite gedrängt, so die Sicht der Leute von »Critical Mass«. Sie wollen wieder gleichberechtigte Verkehrsteilnehmer sein.
Begonnen hat das Massenradeln 1992 in San Francisco. Seit 1997 läuft es in fast allen größeren Städten der Bundesrepublik mit oft hunderten Teilnehmern und seit 2014 in Offenburg. »Critical Mass« ist ein loser Verbund, der vor Ort einen Urheber hat, aber ohne Vereinsstatuten und ohne Hierarchie funktioniert. Dabei treffen sich Leute allen Alters, erzählen Jochen Walter, Heike Hügle und Jürgen Hense, allesamt »kritische Radler«.
Bunte Mischung
Durch Mundpropaganda oder über digitale Kommunikation werden die Termine bekannt. Eine bunte Mischung von Fahrgeräten findet sich dann ein. Räder, E-Bikes, Skater, Rollis, Doppelräder, solche mit Kinderanhängern oder Tandems rollen in gemütlichem Tempo etwa eine Dreiviertelstunde durch die Straßen. Die Fahrgeschwindigkeit richte sich bewusst nach dem schwächsten Teilnehmer, man wolle und müsse zusammenbleiben, wird erklärt.
Zweispurig unterwegs
Denn nach der Straßenverordnung sei es zulässig, dass mehr als 15 Räder als geschlossene Gruppe die Fahrbahn zweispurig in eine Richtung nutzen dürfen. Die Routen werden oft noch kurz vor Start ausgemacht. Neben dem ideellen Auftrag »gleichberechtigte Verkehrsteilnahme und Verbesserung der städtischen Infrastruktur zugunsten von Radfahrern und Fußgängern« habe die Sache auch Freizeitcharakter mit Einkehr. »Wir hatten sogar einmal eine Hochzeit, die am Critical-Mass-Tag mitgeradelt ist«, schmunzelt Heike Hügle, überhaupt sei das Massenradeln familienfreundlich und offen für jedermann.
Was auch passieren kann, ist, dass man wie Jochen Walter im Urlaub auf einen Zug der »Critical Mass« stößt. »Da sind wir damals in Avignon einfach mitgefahren«, erinnert er sich. »Wir wollen um Verständnis werben«, versichert Jürgen Hense. Dazu beitragen, dass der Verkehr nicht nur auf Autos ausgerichtet ist. Die Stadt Offenburg zeige für ihre Radler Einsatz, anerkennt er, »aber ich sehe da schon viele Autofahrer, die denken, dass Radler auf öffentlichen Straßen stören«.
Kaum Gemecker
Bislang hat es kaum Gemecker vonseiten der Motorisierten gegeben, erzählen die drei. Es bedeute nicht nur Freiheit, sich radfahrtechnisch auf den Straßen bewegen zu können. Es biete auch eine Möglichkeit, das Fahrrad einer breiten Öffentlichkeit als umweltfreundliches Verkehrsmittel zu präsentieren. »Zudem bilanziert die Fahrradunfallstatistik, dass gerade auf Radwegen viele Radler verunglücken. Die markierten Radwege sind eng, oft an einer Seite von parkenden Autos begrenzt, manche hören plötzlich auf, und man möchte sich gar nicht vorstellen, wenn unmittelbar am Radweg eine Autotür geöffnet wird und der Radler daraufprallt«, erläutern die Aktivisten.
Die Initiative für Offenburg zur Teilnahme an der weltweiten Aktion von »Critical Mass« kam von der ehemaligen Gemeinderätin Anne Christoph (Grüne). Bundesweit wird »Critical Mass« vom ADFC (Allgemeiner Deutscher Fahrrad Club) unterstützt.
INFO: »Critical Mass« trifft sich jeden letzten Freitag im Monat ab 18 Uhr am Historischen Rathaus Offenburg. Der letzte Termin vor der Winterpause ist heute, Freitag.
Infos auf Facebook