Darum gibt es in Offenburg keinen Feinstaub
Seit Jahren hat Stuttgart ein Problem mit dicker Luft: Immer wieder muss die Landeshauptstadt Feinstaub-Alarm ausrufen. Kann dieses Szenario auch Offenburg treffen? Nein, sagen Experten – der geografischen Lage sei Dank.
Nach der Auswertung vorläufiger Messdaten von Ländern und Umweltbundesamt zu Beginn des Monats ist es um die Luftqualität in deutschen Städten nach wie vor nicht gut bestellt: So wurde an 57 Prozent der Messstationen an stark befahrenen Straßen der Grenzwert von 40 Mikrogramm pro Kubikmeter Stickstoffdioxid (NO2) im Jahresmittelwert für das Jahr 2016 überschritten. Besonders betroffen sind demnach Großstädte und Ballungszentren. Die einzige Messstation im Ortenaukreis steht in der Kehler Vorstadt und verzeichnete einen Jahresmittelwert von 25 Mikrogramm. Stickoxide sind unsichtbar und können Kopfschmerzen, Schwindel und Atemnot auslösen.
»Die Belastung mit Feinstaub ist allerdings in den letzten zehn bis 20 Jahren in ganz Deutschland kontinuierlich zurückgegangen. In Baden-Württemberg verzeichnen wir nur noch Überschreitungen im Stuttgarter Kessel an der Messstelle ›Stuttgart Am Neckartor‹. Auch in Kehl gibt es keine Überschreitungen der Feinstaubgrenzwerte«, wie dem Offenburger Tageblatt auf Nachfrage von der Landesanstalt für Umwelt, Messungen und Naturschutz Baden-Württemberg (LUBW) mitgeteilt wurde. Beim Schwebstaub/Feinstaub (PM10) gilt ein Immissions-Grenzwert von 50 Mikrogramm für den Tagesmittelwert sowie 35 Tage zulässige Überschreitungen im Jahr.
Inversionswetterlage
Die Landeshauptstadt kämpft seit Jahren mit schlechter Luft, wodurch es immer wieder zu Feinstaub-Alarmen – inklusive freiwilliger Fahrverbote – kommt. Ein Grund: »Wir haben in Baden-Württemberg seit Anfang dieses Jahres eine Wetterlage mit langanhaltenden Inversionsperioden. Dadurch kam es vor allem in der Stuttgarter Kessellage aufgrund der sehr luftaustauschschwachen Situation zu einer Häufung von Tagen, an denen der Tagesmittelwert für Feinstaub und damit die Luftschadstoffbelastung überschritten wurde«, so eine Sprecherin der LUBW.
Matthias Henrich, stellvertretender Pressesprecher des Regierungspräsidiums Freiburg, ergänzt: Eine so starke Anreicherung an Luftschadstoffen trete aufgrund der Offenheit der in der Rheinebene liegenden Städte so nicht auf. »Deshalb sind Probleme mit Schwebstaub wie aktuell in Stuttgart hier seit mehr als einem Jahrzehnt unbekannt.«
Obwohl es derzeit in Kehl (PM10-Jahresmittelwert 2016: 16 Mikrogramm) eine Messstation gibt und in Offenburg zwischen 2005 und 2010 gab (PM10-Jahresmittelwerte: 17 bis 23 Mikrogramm), mussten bisher aufgrund zu vernachlässigender Grenzwertüberschreitungen keine Luftreinehaltepläne mit entsprechenden Maßnahmen, wie zum Beispiel die Ausweisung einer Umweltzone, aufgestellt werden. Generell gilt: Die LUBW ist für die Überwachung der Luftqualität in Baden-Württemberg verantwortlich, Luftreinhaltepläne erstellen dann die Regierungspräsidien in Zusammenarbeit mit betroffenen Kommunen.
Seit 2008 gibt es eine neue europäische Luftqualitätsrichtlinie mit gesetzlichen Grenzwerten. Schaffen es die Städte nicht, diese für Feinstaub und Stickoxide einzuhalten, sind Strafzahlungen unausweichlich. Doch »blaue Briefe« , wie sie in Stuttgart eingingen, flattern in nächster Zeit mit wohl nicht ins Offenburger Rathaus.
Das sagt die Stadt
Zuletzt gab es in Offenburg bis 2010 eine Messstation zur Überwachung der Luftqualität. Da die EU-Grenzwerte für Feinstaub und Stickstoffdioxid durchgängig eingehalten wurden, konnte die Luftmessstation, die sich am Mühlbach in der Vogesenstraße befunden hat, abgebaut werden. Somit konnten auch rund 40 000 Euro jährlich für den Betrieb eingespart werden, so die LUBW.
»Vor allem aufgrund der günstigen geografischen Lage und des damit einhergehenden Windes, der vom Kinzigtal oder vom Westen Frankreichs durch die Stadt weht, hat Offenburg das Glück, relativ saubere Luft zu haben«, freut sich Stadtpressesprecher Wolfgang Reinbold. Eine Mittelstadt mit gerade einmal 60 000 Einwohnern lasse sich aber natürlich auch nicht mit der Verkehrsbelastung einer Großstadt wie Stuttgart vergleichen.
Doch auch verkehrspolitisch habe die Stadt einiges auf den Weg gebracht, damit es gar nicht zu Feinstaub-Alarmen wie in der Landeshauptstadt komme: »Schon 1979 haben wir mit dem Bau der ersten Radwege begonnen und seither schon den x-ten Fahrradentwicklungsplan auf den Weg gebracht.« Das Ziel sei es – zusammen mit dem Ausbau des öffentlichen Nahverkehrsnetzes – das Umsteigen auf Busse und Räder (auch E-Bikes) attraktiv zu machen. »Das Auto einfach mal stehen zu lassen spart Energie, hält die Luft rein und kommt damit allen zugute«, betont Reinbold.
Schon heute liege der Anteil der Fahrradfahrer am Gesamtverkehrsaufkommen der Stadt (neben Fußgängern, Bussen und Autos) bei über 25 Prozent. »Hier steigern wir uns seit Jahren.«