Das Beste der Woche
Man sollte keine Gottgleichen verspotten - die Rache folgt auf dem Fuß. Und schon hat man einen Schwachsinn in der Zeitung stehen. Dafür sorgen die Götter und sie bedienen sich sehr subtiler Mittel.
Manche Menschen sind eben Freunde der Götter. Da können sie noch so viel Mist bauen (die Menschen) – die Götter lieben sie trotzdem. Und wehe, wehe ein Sterblicher erdreistete sich, über Götter oder Gottgleiche zu spotten. So wie ich über Napoleon. Die Rache folgt auf dem Fuß. Ich schrieb, Bonaparte verlor am 18. Juni 1815 seine letzte Schlacht bei Waterloo. Stimmt. Allerdings schrieb ich auch, das sei im 18. Jahrhundert gewesen – und das ist Quatsch. Es war das 19. Jahrhundert. Der Fehler war die Rache der Götter für meine Untat – und ein Leser aus Hohberg hat es glasklar erkannt: »Das müssten Sie als Journalist aber wissen«, ermahnte er mich streng. Recht hat er. Mehr noch, ich weiß es tatsächlich.
Als Journalist habe ich mit Zahlen nichts am Hut. Das Land der Ziffern und Gleichungen ist eine Wüstenei für mich. Nur Geschichte interessiert mich, und da kommen nun mal (Jahres-) Zahlen vor. Also habe ich mir die Rechenwege für die Jahrhunderte gemerkt. Es ist ganz einfach. Nehmen wir das bekannte 1815: In welchem Jahrhundert liegt es denn? Für die Antwort operieren wir erst einmal die hinteren beiden Zahlen weg, also in diesem Fall die 15. Bleibt die 18. Wer jetzt vorschnell 18. Jahrhundert kräht, ist raus. Das liegt nahe, ist aber Bockmist. Wir müssen nämlich noch eine 1 addieren. Sie wird hinten an die Zahl geklebt, also an die 8. Und heraus kommt die 9. Nun lesen wir es von vorne und bekommen – Tusch – die 19! Das ist die Zahl, die wir suchen. Es ist das 19. Jahrhundert.
Das war einfach
War doch ganz einfach – und selbst für Journalisten nachvollziehbar.
Warum hat’s dann aber in der vergangenen Woche nicht geklappt mit dem 19. Jahrhundert? Bellt etwa unser Hund auch tagsüber und lenkt mich ab? Wuff! Kaum. Es hat aber schon damit zu tun, was alles passieren kann, bis eine Idee vom Hirnkastel hinab zu den Spitzen der Zeigefinger fließt – also die 19 in Gedanken sich in eine 19 (und nicht 18) auf dem Computermonitor materialisiert. Da kann viel passieren, die Wege der Gedanken sind unergründlich.
Was mich derzeit am meisten ablenkt (weil ich aus dem Lachen nicht mehr herauskomme), ist die ADAC-Übungsstrecke an der Fessenbacher- / Ecke Franz-Ludwig-Mersy-Straße in Offenburg. Mein Büro liegt einen Steinwurf davon entfernt, ich höre täglich das ganze Elend der Ortenauer Autofahrer. Bitte? Übungsstrecke? Elend? Ja, die Stadt baut (endlich) den Kreisel an der Ortenberger/Fessenbacher Straße und führt dazu den Verkehr stadteinwärts über die Helene-Weber-Straße im Seidenfaden bis zur Fessenbacher. Dort geht es links in die Fessenbacher und zurück zur Ortenberger Straße. Alles kein Problem. Doch die Stadt hat eine eigentümliche Einrichtung installiert, die in unseren Breiten offensichtlich kaum einer kennt: die abknickende Vorfahrtsstraße. Das Ergebnis ist eine Hup-Orgie, die auch nach ein paar Wochen Abknickende kaum nachgelassen hat.
Die Hup-Orgie
Die Anlässe sind vielfältig: Ein Autofahrer hält in der Helene-Weber-Straße an der Fessenbacher Straße, obwohl er Vorfahrt hat (Abknickende!). Hintermann hupt. Eine Autofahrerin brettert (trotz Tempo 30) die Fessenbacher herunter und schert sich einen feuchten Kehricht um die Abknickende – das hat sie immer schon so gemacht, warum soll sie jetzt auf ein derart komischen Verkehrszeichen reagieren? Kostet ja nur 120 Euro und einen Punkt in Flensburg, wenn es kracht. Es kommt jedoch zu keinem Unfall, die Vorfahrtsberechtigen bremsen, hupen aber.
Nächste Version: Eine Autofahrerin aus Richtung Fessenbach bremst an der Abknickenden, um Vorfahrt zu gewähren – ihr Hintermann hupt. Tja, viel braucht es nicht, um Erwachsene prächtig zu unterhalten. Tröööööt! Ich verrate niemandem, dass selbst die Autofahrer auf der Franz-Ludwig-Mersy-Straße jetzt Vorrang haben vor denen auf der Fessenbacher – es sind nämlich zwei untergeordnete Straßen, aber die F.-L.-Mersy kommt von rechts. Das wäre zu viel für die Fessenbacher.
Wegen des ganzen Gehuptes habe ich wohl den Faden verloren und 18 statt 19 geschrieben. Hoffentlich lieben mich die Götter genug, damit ich irgendwann das Ende dieser Kolumne finde. Es war wirklich genial, was ich mir da ausgedacht hatte – doch wegen des ständigen Hupens habe ich es vergessen. Es ist einfach weg ... tröööööt!
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