Der Erste Weltkrieg in der Ortenau
Welche Auswirkungen hatte der Erste Weltkrieg auf unsere Region? Die Zeitschrift »Die Ortenau« des Historischen Vereins für Mittelbaden widmet den aktuellen 94. Jahresband der Zeit von 1914 bis 1918. Die Beiträge werfen ein schonungsloses Licht auf das Leiden der Menschen.
Offenburg (red/pie). Im Editorial der Redakteure der Sonderausgabe »Die Ortenau« um Herausgeber Martin Ruch wird der Pfarrer und Volksschriftsteller Heinrich Hansjakob zitiert. Er schrieb am 11. Juni 1915 bereits völlig desillusioniert: »Wenn man das maschinenmäßige Morden und die teuflischen Erfindungen, den Hass und die Verwüstungen ansieht – möchte man an der Menschheit verzweifeln.«
In den äußerst lesenswerten und durchgängig hervorragend recherchierten Beiträgen werden die Facetten dieses »Großen Krieges«, wie der Erste Weltkrieg in Frankreich genannt wird, beleuchtet. Louis Schlaefli liefert im ersten Beitrag Notizen und Bilder des Straßburger Priesterseminars, das während des Krieges als Festungslazarett diente. Er zitiert dabei aus dem »Journal du Grand Séminaire« des Geistlichen Joseph Gass (1867 bis 1951). Abgedruckt sind beeindruckende Fotos des Lazaretts im Priesterseminar.
Eine bittere Bilanz
Karl-August Lehmann schildert sehr anschaulich Oberharmersbach zwischen 1914 und 1918. Er stützt sich dabei auf die Notizen des Pfarrers Johann Busse, der in einer Gemeinde, die zu über 90 Prozent die katholische Zentrumspartei wählte, eine zentrale Rolle eingenommen hat. Besorgnis und Begeisterung haben sich demnach zu Kriegsbeginn die Waage gehalten. Als jedoch im September 1914 – es tobte die Schlacht an der Marne – wochenlang die Post ausblieb, war den Menschen schnell klar, dass es nichts werden würde mit dem schnellen deutschen Sieg. Die bittere Bilanz für Oberharmersbach: 74 Gefallene von 416 Männern an der Front. 20 Kriegerwitwen standen nach 1918 mit 47 unmündigen Kindern da. Und wem schob der Pfarrer letztlich die Schuld an der deutschen Niederlage zu? »Die Juden sind unser Unglück.«
Wie falsch er tatsächlich damit lag, zeigt der Aufsatz von Martin Ruch über die Offenburger Juden im Ersten Weltkrieg. Der »Dank des Vaterlandes« für die erheblichen Opfer der jüdischen Mitbürger an der Front sei eine bis dahin einzigartige Diffamierung, die die deutschen Juden als Drückeberger und Kriegsgewinnler hinstellte.
Manfred Merker zeichnet die gymnasiale Kriegsbegeisterung und den vaterländischen Opfertod von Lehrern und Schülern des Grimmelshausen-Gymnasiums nach. Es lässt den Leser auch 100 Jahre danach nicht kalt, wenn er mit diesen »abrupt abgebrochenen Biografien einer Generation« konfrontiert wird. Dem Absurden und Sinnlosen kommt der Aufsatz über Emil Huber noch näher: Er meldet sich mit 13 Jahren freiwillig zum Kriegsdienst und wird 1915 mit Kopfschuss und Uniform in der evangelischen Stadtkirche konfirmiert.