Die köstlichen Getränke aus der Poststraße
Kaum zu glauben: In Offenburg gab es einst in der Poststraße 1a eine Mineralwasserfabrik. In den Hochzeiten wurden dort eine Million Flaschen abgefüllt und vertrieben – darunter auch »Chabeso«. OT-Kolumnist Otmar Hansert hat sich jüngst an das Kultgetränk erinnert und Kontakt zu Michael Schöner (55) aufgenommen. Der Enkel des Fabrikanten Georg Schöner denkt gerne an das Geschäft des Opas zurück.
Offenburg. Es muss eine schöne Kindheit gewesen sein, die Michael Schöner in der Poststraße 1a verbrachte. Dort hatte die 1896 von seinem Ur-Großvater Georg Schöner sen. gegründete Mineralwasserfabrik seit 1901 ihren Sitz. Und als junger Bub durfte der heute 55-jährige Personalreferent einer Bank in Frankfurt nicht nur auf dem Gelände herumstreifen, er durfte auch mit seinen Kumpels die sogenannten Ausläufer leer trinken. Das waren Flaschen, die nur zur Hälfte oder einem Viertel abgefüllt waren – aber deren Inhalt dennoch richtig gut schmeckte. »Da war ich natürlich der King bei meinen Freunden. Limonade oder Cola waren ja damals noch nicht so verbreitet«, schmunzelt Schöner.
Eine Mineralwasserfabrik in Offenburg – das klingt verrückt. Aber Michael Schöners Ur-Opa Georg hatte diese Geschäftsidee und setzte sie am 16. Mai 1896 mit der Firmengründung in die Tat um. Bei dem Wasser handelte es sich um kein Quellwasser, wie man meinen könnte. »Es wurde aus dem Offenburger Wassernetz entnommen und mit Kohlensäure angereichert«, erzählt Michael Schöner. Rasch nach dem Ersten Weltkrieg kam mit Zitronenlimonade ein weiteres Produkt hinzu, nach dem Zweiten Weltkrieg folgten »Schöners Gold Orangenlimonade«, »Schöners Silber Zitronenlimonade« und »Schöners Brause« sowie ein eigenes Tafelwasser, berichtet Michael Schöner. Spätestens 1931 habe sich die Lizenz für »Chabeso« dazugesellt. »Das war damals das absolute In-Getränk«, erzählt der 55-Jährige. Aber dazu später.
1935 übernahm Schöners Opa Georg Schöner jun. die Firma und er landete gleich einen Coup, indem er 1936 die Lizenz für die Abfüllung von Afri Cola an Land zog. 1950 bekam er auch die Lizenz für Bluna. Alles wurde in der Poststraße 1a produziert und abgefüllt – zu Spitzenzeiten im Jahr 1964 waren es 1 000 200 Flaschen, wie Georg Schöner jun. fein säuberlich aufgelistet hat. Die Herstellung funktionierte, indem dem Wasser ein vorgefertigter Sirup zugefügte wurde, berichtet Michael Schöner. Zu den Eigenmarken handelte sein Opa auch mit Fremdprodukten wie Hohes C oder Peterstaler.
Ende der 60er-Jahre gestaltete sich das Geschäft immer schwieriger. Mit Coca Cola kam ein mächtiger Konkurrent auf. »Außerdem entdeckten die Brauereien die nicht-alkoholischen Getränke und begannen die Gaststätte an ihre Produkte zu binden«, erzählt Michael Schöner. Für seinen Opa wurde es folglich immer zäher, seine Produkte an den Mann zu bringen. Außerdem seien in dieser Zeit neue Flaschen und Verschlüsse auf den Markt gekommen. Um im großen Stil zu investieren, habe der Firma aber das Eigenkapital gefehlt, so Schöner. Folglich gab der Opa am 31. Juli 1970 das Geschäft auf und verkaufte es an die Kronenbrauerei.
Da im Winter nicht so viel getrunken wird, hatte der findige Ur-Opa für diese Durststrecke einst zur Mineralwasserfabrik eine Kohlehandlung gesellt. Diese ereilte ein ähnliches Schicksal: Mit dem Aufkommen von Zentralheizungen und Öl habe sich der Vertrieb von Kohle nicht mehr rentiert. Auch der Kohlenhandel wurde daher schweren Herzens verkauft.
Das Geschäft ist nicht mehr in Familienbesitz, doch Michael Schöner hat den Geschmack der Getränke noch auf der Zunge. Neulich in einem Café habe er Bluna auf der Karte entdeckt, gleich ein Glas bestellt und »mit göttlichem Genuss« getrunken. »Schmeckt halt doch anders als Fanta«, lacht er.
Zum Schluss noch einmal zurück zum Kultgetränk »Chabeso«: Das ist schließlich der Grund, weshalb die Geschichte der Mineralwasserfabrik noch einmal in den Fokus gerückt ist. Und das kam so: OT-Kolumnist Otmar Hansert unterhielt sich mit einem Kumpel über alte Getränkemarken, und der bekam beim bloßen Gedanken an »Chabeso« leuchtende Augen und einen riesigen Durst. Doch wie und wo wurde »Chabeso« hergestellt? Schnell war Michael Schöner gefunden und damit nicht nur die Geschichte der Offenburger Mineralwasserfabrik ausgegraben, es wird am Freitag, 31. Oktober, 19.30 Uhr im Restaurant »Seegarten«, Seestraße 22 in Schutterwald, auch einen »Chabeso«-Abend geben. Michael Schöner wird dabei über die einstige Fabrik seiner Familie referieren, die Band »CC Ryder« den passenden Sound beisteuern – und das Beste: Schöner hat ein paar Kisten »Chabeso« organisiert. Wie in seiner Kindheit wird er vermutlich wieder »der King« sein, wenn er an diesem Abend mit dem einstigen Offenburger Kultgetränk auftrumpfen kann.