Die meisten Eltern richten sich nach Grundschulempfehlung
Seit dem Schuljahr 2012/13 ist die Grundschulempfehlung nicht mehr verbindlich. Die meisten Eltern folgen aber dem Rat der Grundschullehrer, was die weiterführende Schule für ihr Kind betrifft, so der Tenor der Offenburger Rektoren. Entgegen der Entwicklung im Land hat sich die Zahl der Sitzenbleiber nicht erhöht.
Auf welche weiterführende Schule soll mein Kind ab dem kommenden Schuljahr gehen? Mit der Frage setzen sich in diesen Tagen die Eltern von Viertklässlern auseinander. Derzeit finden an den Grundschulen Gespräche mit den Eltern statt oder sie stehen kurz bevor. Verbindlich ist die Grundschulempfehlung seit dem Schuljahr 2012/2013 aber nicht mehr. Das heißt: Eltern können frei wählen, ob sie ihren Nachwuchs auf die Werkrealschule, Realschule, Gemeinschaftsschule oder auf das Gymnasium schicken.
Die Zahl der Eltern, die sich gegen den Rat der Grundschullehrer entscheiden, können die Rektoren der weiterführenden Schulen in Offenburg nicht nennen. »Bei der Anmeldung müssen die Eltern die Empfehlung nicht vorlegen«, erklärt Manfred Keller, Schulleiter des Schillergymnasiums und geschäftsführender Rektor der Offenburger Gymnasien. Aus dem, was er in Gesprächen mitbekommt, schließt Keller jedoch, dass sich viele Eltern an die Einschätzung der Grundschullehrer halten. »Das rate ich den Eltern auch bei Infoveranstaltungen«, betont der Rektor.
Während in Baden-Württemberg seit dem Wegfall der verbindlichen Grundschulempfehlung die Zahl der Sitzenbleiber sowohl auf der Realschule als auch auf dem Gymnasium gestiegen ist (siehe Hintergrund I), kann Keller dies für das »Schiller« nicht bestätigen. Die Zahl der Nicht-Versetzungen sei über die Jahre hinweg konstant geblieben. »Von 150 Fünftklässlern haben zwei bis drei am Ende des vergangenen Schuljahrs die Schule verlassen«, sagt Keller.
Zahlen fast gleich
Stefan Joost, Schulleiter des Okengymnasiums, nennt Zahlen: Zum Schuljahresende 2010 seien ein Fünftklässler und ein Sechstklässler nicht versetzt worden. »Am Ende des Schuljahres 2014/2015 mussten ein Fünftklässler und zwei Sechstklässler wiederholen, ein Fünftklässler wurde außerdem auf Probe versetzt«, berichtet Joost und macht damit deutlich, dass auch am »Oken« die Zahl der Sitzenbleiber nicht deutlich gestiegen ist. Er habe den Eindruck, dass sich die meisten Eltern an die Grundschulempfehlung halten, betont aber auch, dass man nicht automatisch davon ausgehen könne, dass Schüler, die eine Empfehlung für die Realschule haben, auf dem Gymnasium dann Probleme haben. »Es gibt Kinder, bei denen es die Eltern mit dem Gymnasium probieren wollten, und die sich dann gut entwickeln.«
Fritz Scheuer, Rektor der Erich-Kästner-Realschule, merkt an, dass es auch andere Beispiele gibt, auch wenn diese selten seien. »Es gibt Kinder, die überfordert sind und die bei einer anderen Schulart besser aufgehoben wären. Ich halte die Grundschulempfehlung für recht aussagekräftig«, erklärt er. Was die Zahl der Nicht-Versetzungen betrifft, habe er an seiner Schule »keine wahnsinnigen Verschiebungen« feststellen können. Laut Scheuers Einschätzung bekommen vor allem die Werkrealschulen den Wegfall der verbindlichen Grundschulempfehlung zu spüren, weil die Eltern ihre Kinder lieber auf die Realschule schicken.
Das bestätigt auch Michael Schmitteckert, Konrektor der Georg-Monsch-Grund- und Werkrealschule. Noch ist die Schule Werkrealschule, aber der Zug läuft aus. Mit dafür verantwortlich sei die nicht mehr verbindliche Grundschulempfehlung, so Schmitteckert.
Mehr Sitzenbleiber
In Baden-Württemberg sind seit dem Wegfall der verbindlichen Grundschulempfehlung die Sitzenbleiberquoten an Realschulen und Gymnasien angestiegen. Laut dem Statistischen Landesamt sind 2012
0,7 Prozent der Fünftklässler an Realschulen sitzengeblieben, im vergangenen Jahr waren es 4,3 Prozent.
Während an den Gymnasien 2012 nur 0,4 Prozent der Fünftklässler die Klasse wiederholen mussten, waren es 2015 1,7 Prozent.
Das sagen Grundschullehrer über die unverbindliche Empfehlung
»Es ist sicher richtig, dass der Wegfall der verbindlichen Grundschulempfehlung zu verändertem Wahlverhalten der Eltern geführt hat«, erklärt Victor Schreiner, geschäftsführender Rektor der Grund-, Haupt-, Werkreal-, Real- und Sonderschulen. Es gebe auch mehr »Rückläufer«, also Kinder, die überwiegend ab der sechsten Klasse von der höheren Schulform in eine niedrigere wechseln. Für die Grundschule erklärt Georg-Monsch-Rektor Jörg Hoffarth, dass er den Eindruck habe, die Eltern würden sich bei den Gesprächen gut beraten fühlen und sich überwiegend an die Einschätzung der Lehrer halten.
Katja Wößner, Konrektorin und Grundschullehrerin der Anne-Frank-Schule, hat in den vergangenen Tagen bereits 17 von 26 Gesprächen mit Eltern von Viertklässlern geführt. »Bis auf zwei Elternpaare waren die Eltern und ich der gleichen Meinung, was die weiterführende Schule anbelangt«, sagt sie. Schwierig seien jene Gespräche, bei denen das Kind notenmäßig eine höhere Schulform besuchen könnte, das Lernverhalten aber für eine Stufe darunter spreche, so Wößner.
Seit die Grundschulempfehlung nicht mehr bindend sei, würden ihre Kollegen und sie entspannter in die Beratungen gehen. Entscheiden sich die Eltern gegen die Einschätzung der Grundschullehrer, ginge das in den meisten Fällen nicht gut, so Wößners Erfahrung.
Sie wisse von einer vierten Klasse, in der vier Elternpaare ihre Kinder auf eine höhere Schule geschickt haben, als empfohlen wurde. »Alle vier Kinder haben die Schule wechseln müssen, weil es nicht funktioniert hat«, sagt die Konrektorin der Anne-Frank-Schule.