Ein Leben auf neun Quadratmetern
Gründliche Kontrollen, viele Schlösser, aber auch Einblicke in Zellen, Küche oder Sporträume: Beim »Offenen Werkstor« in der JVA Offenburg haben 20 OT-Leser einiges über den Alltag im Gefängnis gelernt – dass Sicherheit großgeschrieben wird, dass es aber auch um die Rückkehr ins normale Leben geht.
Offenburg. So viele Fragen der OT-Leser gab es selten. Kein Wunder, sie hatten sich am Dienstag im Rahmen der Aktion »Offenes Werkstor« hinter die Gitter der Justizvollzugsanstalt Offenburg begeben. 20 Leser ließen sich von Anstaltsleiter Hans-Peter Wurdak und Joachim Stein, dem stellvertretenden Vollzugsdienstleiter, den Alltag des Gefängnisses erklären. Nach zwei Stunden war Aufatmen auszumachen: »Nur raus hier«, stöhnte eine Leserin.
»Eierdiebe und Mörder«
Zuerst hatte man noch in die Haut eines Besuchers schlüpfen dürfen, Ausweiskontrolle, Handy abgeben, durch gefühlt kilometerlange unterirdische Gänge laufen bis zu den Besucherräumen des Gefängnisses. Danach erläuterte Wurdak Geschichte und Dimension der Einrichtung, die seit 2009 in Betrieb ist. Rund 500 Gefangene aus ganz Baden-Württemberg sitzen hier ein. »Wir sind voll belegt«, sagte Wurdak. In der JVA gebe es alles an Straftätern und an Strafdauer – vom »Eierdieb bis zum Mörder«, sagte er launig, »vom Tagesvollzug bis lebenslänglich«.
Etwa 250 Mitarbeiter sind im Vollzugsdienst beschäftigt und, seit der »politische Wille«, so Wurdak, die Teil-Privatisierung wieder zurückgenommen habe, liegen diese Dienste seit Juni 2014 wieder in staatlicher Hand. Dazu gehören auch zwei Anstaltsärzte, ein Psychiater und zwei Geistliche.
Nachdem die OT-Leser, an unzähligen Gittertoren vorbei, bei den Besucherräumen angekommen waren, gab es verblüffte Gesichter. »Da steht ja eine Kinderspielecke!« Diesen Besucherraum dürfen nur etwa 20 Langzeit-Gefangene für Familienbesuch in Anspruch nehmen. Er wird für sechs Stunden nicht überwacht. Die Anwartschaft darauf werde sorgfältig geprüft, versicherte Wurdak. Der Einzelbesuchsraum für Untersuchungs-Häftlinge wiederum wird optisch und akustisch beobachtet. Im Besuchszimmer für Inhaftierte, die sich bereits in Strafhaft befinden, ist immer ein Vollzugsbeamter dabei.
Mit Joachim Stein ging es weiter in den Haftbereich. Lange, völlig leere graue Flure, rechts und links geschlossene Zellentüren machten klar: Hier wird es ernst. Einzelzellen sind Standard, dazu kommt eine Dreierzelle in der »Wohngruppe«. Dieses Schema wiederholt sich in jedem Trakt der JVA, die Insassen werden nach ihrer Haftdauer aufgeteilt. Mancher der Besucher verspürte in der Einzelzelle Platzangst. Um die neun Quadratmeter mit Bett, Schreibtisch, kleinem Regal und separater Toilette machen die »Wohnung« des Gefangenen aus. Oft über Jahre. Und wieder ließ Joachim Stein den Ernst der Lage spürbar werden. Ab 21 Uhr ist »Einschluss«, um 5.50 Uhr werden die Häftlinge geweckt. Der Tagesablauf hat eine straffe Struktur, um während der Haft zu einem geregelten Leben zurückzufinden. Resozialisierung hat einen großen Anteil der Inhaftierungszeit. Dazu gehören Arbeit, Freizeitangebote oder die Möglichkeit, eine Ausbildung zu machen.
»Alle müssen arbeiten«
»Alle Strafgefangenen müssen arbeiten«, betonte Wurdak. In den gefängniseigenen Werkbetrieben werden je nach Qualifikation einfache bis komplizierte Tätigkeiten ausgeführt. Der Stundenlohn dafür liege im Durchschnitt bei 1,40 Euro, so Stein. Das reicht für kleine Einkäufe, ein Teil wird zwangsangespart. In der JVA sind auch eine Krankenstation, ein Zahnarztraum, eine Kapelle und ein Sportraum angesiedelt. »Sport soll unter anderem die Möglichkeit bieten, sich fair zu verhalten, sich wieder in eine Gemeinschaft einzuordnen«, erklärte Stein. »Wir ächten die Straftat, aber nicht den Täter«, steht im Leitbild der JVA Offenburg.
Fakten zur JVA
Leiter der Justizvollzugsanstalt Offenburg ist Hans-Peter Wurdak. Die JVA zählt rund 250 Beschäftigte, die alle staatlich angestellt sind. Das Gefängnis verfügt über 500 Haftplätze, 360 werden für Strafgefangene und 80 für Untersuchungsgefangene bereitgestellt. Zudem gibt es 60 Haftplätze in der sozialtherapeutischen Abteilung. Außerdem bietet die Anstalt in ihren Werkstätten IHK-geprüfte Ausbildungen an. Ebenso ist es möglich, dort den Hauptschulabschluss abzulegen.