Ein sehr persönlicher Abschied
Nach 195 Jahren ist Schluss: Gestern hat Notar Reinhard Körner die letzten Grundbucheinträge in Ortenberg vollzogen. Ab dem 23. Dezember ist auch mit der Einsichtnahme Schluss. Die Grundbuchbeamten Eine Besonderheit: Bernd und Rudolf Sieferle haben zusammen über 57 Jahre die örtlichen Grundstücksangelegenheiten verwaltet.
Ortenberg. Eine Ära ging gestern mit dem letzten Besuch des Offenburger Notars Reinhard Körner zu Ende. Das Grundbuchamt in Ortenberg ist ab heute Geschichte. Nur noch bis Dienstag, 23. Dezember, können die Original-Akten eingesehen werden, bis zum 5. Januar gehen Aktenkisten nach Kornwestheim. »Das ist heute schon ein besonderer Tag«, sagt der Grundbuch- und Standesbeamte Bernd Siebert. Seit 1990 ist er der Herr über die Grundbuchakten der Gemeinde. Zuvor wurde das Ortenberger Grundbuchamt von seinem Vater Rudolf Siebert geleitet. Damit ging auch ein Stück der Familiengeschichte der Familie Siebert zu Ende, bei denen Vater und Sohn über 57 Jahre hinweg die Grundstücksangelegenheiten in Ortenberg dokumentiert, verwaltet und beurkundet haben.
Schöne Schrift wichtig
»Mein Vater Rudolf kam 1957 zur Gemeindeverwaltung und übernahm im gleichen Jahr auch das Grundbuchamt«, erzählt Bernd Siebert. Eine schöne und vor allem lesbare Handschrift gehörte bis in die 80er-Jahre hinein zu einem Grundbuchbeamten. »Aber mein Vater war der Erste, der sich eine Schreibmaschine im Rathaus zulegte«, erinnert sich Siebert. Allerdings tat es der erst im diesem Jahr verstorbene Grundbuchbeamte gänzlich in Eigeninitiative, denn die erste Schreibmaschine in der Verwaltung bezahlte Rudolf Siebert aus eigener Tasche. »Erst als er sie hatte und auch benutzte, konnte er den damaligen Gemeinderat davon überzeugen, solch ein nützliches Gerät für die Gemeinde anzuschaffen«, berichtet Bernd Siebert.
Diese erste Schreibmaschine aus den 50er-Jahren funktioniert heute noch und ist im Gemeindearchiv staubgeschützt aufbewahrt. Bernd Siebert kennt noch die Anfang der 90er-Jahre hochmoderne, programmierbare elektrische Schreibmaschine. Hier konnten zum ersten Mal auch die Grundbuchakten und der Schriftverkehr einigermaßen komfortabel geführt werden. Für beide Sieberts war das Grundbuchamt nur die Hälfte der Arbeit, beide waren und sind auch Herr über das Standesamt. Das ergänzte sich offenbar gut: »Während im Standesamt während der Sommer- und Herbstmonate am meisten los ist, war im Grundbuchamt über die Wintermonate am meisten zu tun.«
Schloss als Nummer eins
Das älteste Grundbuch mit der Lagenummer 1 – Schloss Ortenberg – stammt von 1819. »Da muss man sich erst einlesen«, räumt Siebert ein. »Die Schrift ist zwar sehr klar, aber die Sütterlin-Schrift für uns heute nicht mehr gegenwärtig.« Ausgelagert werden aus dem Ortenberger Rathaus sämtliche Bestände des Grundbuchamts ab 1900. »Wir mussten lange daran arbeiten, dass wir hier wenigstens die Grundbücher bis 1900 weiterhin im Archiv lagern dürfen«, sagt der Grundbuchbeamte. Auch dieser Restbestand nimmt rund 15 laufende Meter in den Regalen in Anspruch. In Kornwestheim werden die Akten aus dem ganzen Bundesland gelagert. »Da sind es gleich 180 laufende Kilometer«, weiß Siebert.
Grundbuchangelegenheiten werden künftig im Grundbuchamt Achern verwaltet, in Ortenberg bleibt eine Einsichtsstelle erhalten. »Da geht jetzt schon ein Stück Ortenberger Geschichte und ein großer Batzen Familiengeschichte auf Reisen«, bedauert Siebert. Bis Ende 2015 müssen sämtliche Grundbuchämter im Land diesen Schritt der Zentralisierung vollzogen haben. »Damit verlieren wir ein gutes Stück unserer Selbstverwaltung«, bedauert auch Bürgermeister Markus Vollmer.
Der Rathauschef hatte gestern zum Abschied für den letzten Grundbuchbeamten Ortenbergs ein besonderes Geschenk dabei: das Emailschild »Grundbuchamt«, das im ehemaligen Rathaus hing. Siebert selbst wird noch bis zu seinem Ruhestands 2017 im Rathaus die Ressorts Standesamt, Friedhofsverwaltung sowie die Rentenberatung leiten. Zu tun gibt es für den Standesbeamten wohl auch weiterhin genug. Allein 66 Trauungen absolvierte Siebert mit seinen Standesbeamten 2014 – »und ich denke, 2015 werden es nicht weniger«.