Er will den Anschluss nicht ganz verlieren
Welche Erfahrungen nehmen Sie aus Ihrer Zeit im Gemeinderat mit?
Ekkehard Kallfaß: Ich habe gelernt wie politische Prozesse ablaufen. Als Selbständiger bin ich gewohnt schnelle Entscheidungen zu treffen und diese auch durch- und umzusetzen. Im Gemeinderat ist das nicht so einfach: hier entscheiden Mehrheiten demokratisch. Das bedeutet, dass manche Themen, die einem persönlich am Herzen liegen und die man versucht entsprechend darzustellen, an der Mehrheit scheitern können. Wenn dabei eine andere Meinung den Vortritt bekommt, kann ich das akzeptieren, wenn man aber an der »schweigenden Mehrheit« scheitert, weil es bekanntlich einfacher ist mit dem Strom als gegen ihn zu schwimmen, ist das ärgerlich.
Persönlich habe ich sehr viele neue Kontakte dazu gewonnen und viele interessante Gespräche über Themen geführt, über die ich mir sonst kaum Gedanken gemacht hätte. Nur in wenigen Fällen bin ich menschlich enttäuscht worden.
Ist Ihnen die Entscheidung für den Ausstieg leicht gefallen?
Kallfass: Die Entscheidung ist mir sehr schwer gefallen, aber mein Beruf fordert mich am Tag, in der Nacht und an vielen Wochenenden und meine Familie musste oft genug hinten anstehen. Ich habe unterschätzt, wie viel Arbeit und Zeit der Gemeinderat fordert, wenn man das Amt gewissenhaft ausführen will. Zur »schweigenden Mehrheit« möchte ich nicht gehören. Deshalb mache ich meinen Platz frei für jemanden, der die Zeit hat und sich einbringen will und kann. Um den Anschluss nicht ganz zu verlieren, kandidiere ich weiter für den Ortschaftsrat, wobei ich mir über dessen eingeschränkte Handlungsfähigkeit bewusst bin.
Was hat sich mit dem Bürgermeisterwechsel von Gerhard Borchert zu Jochen Fischer verändert?
Kallfass: Der Wechsel hat der Gemeinde und der Verwaltung gut getan. Bürgermeister Fischer hat gezeigt, dass er sich traut, alte Zöpfe abzuschneiden. Ein frischer Wind und die Umstrukturierung der Verwaltung helfen gegen den »Filz«, der sich oft nach Jahren einstellt. Auch die Bürgernähe, die er an den Tag legt, gefällt mir gut. Alles in allem macht es mir das Ausscheiden einfacher, da ich glaube, dass Neuried jetzt auf einem guten, frischen Weg ist. Ich wünsche Herrn Fischer persönlich weiterhin, die Kraft und den Mut über die nächsten Jahre zu bewahren, auch wenn sich der Alltag einstellt.
Welches sind die drängendsten Aufgaben, die in Neuried gelöst werden müssen?
Kallfass: Neben den grundsätzlichen Aufgaben wie der Erhaltung und Reparatur der Straßen oder Abwasserleitung und der Weiterentwicklung des Internets - um nur drei exemplarisch zu nennen, gibt es viele politische Aufgaben: Die Schulentwicklung hin zum zweigliedrigen System, die Verkehrsregulation auf der (noch) B 36 insbesondere hinsichtlich der Entwicklung des Frachtzentrums in Lahr und der Eurofarm in Kürzell, die möglichst flächenschonende Bereitstellung von Bauflächen durch rückwärtige Bebauung innerhalb der gewachsenen Ortskern,e um ein »Ausbluten« zu verhindern, die Problematik des weiteren Kiesabbaus, die diskriminierungsfreie Flüchtlingsaufnahme – die Themen gehen nicht aus und jedes für sich ist wichtig und drängend.
Wie stehen Sie zum Wahlrecht ab 16 Jahren und wird es einen Einfluss auf den Ausgang der Kommunalwahlen haben?
Kallfass: Ich begrüße das Wahlrecht ab 16, da es den Jugentlichen die Möglichkeit gibt, bei einer Persönlichkeitswahl sich mit einer »greifbaren« Politik zu beschäftigen. Einen großen Einfluss auf das Wahlergebnis sehe ich nicht. Ich würde mich aber gerne eines Besseren belehren lassen und fordere alle Erstwähler auf, zur Wahl zu gehen und es den »Alten« mit einer hohen Wahlbeteiligung zu zeigen!
Welche Bedeutung und welchen Einfluss hat Ihrer Meinung nach der Ortschaftsrat?
Kallfass: Der Ortschaftsrat hat leider wenig Entscheidungsmöglichkeiten, er ist ja hauptsächlich beratend tätig. Die Entscheidungen trifft der Gemeinderat. Naturgemäß kennen die Ortschaftsräte aber ihren Ort und die Bürger am besten, dies kann für einzelne Entscheidungen durchaus wichtig sein. Eine Gefahr sehe ich, wenn dadurch das Ortschaftsdenken weiter gefördert wird. Als Ortschafts- und Gemeinderat muss man dann in einzelnen Fällen gegen das Votum des Ortschaftsrates im Gemeiderat stimmen. Dies macht es nicht unbedingt leichter. Auf den Ortschaftsrat gänzlich zu verzichten halte ich für falsch.
Welche Themen sehen Sie als eher vernachlässigt an und bedürfen der stärkeren Hinwendung?
Kallfass: Bei der Fülle der Aufgaben, die ein Gemeinderat und die Gemeinde an sich zu leisten haben, muss immer nach der momentanen Wichtigkeit abgewägt werden und im Einzelfall eine Sache erst einmal zurückgestellt werden. Ich sehe daher kein Thema als wirklich vernachlässigt. Die Verwaltung und der Rat leisten alles in allem gute Arbeit.
Sie haben drei Wünsche für Neuried frei! Welche wären das?
Kallfass: Drei Wünsche für Neuried: Weiteres fühlbares Zusammenwachsen als eine Gemeinde (mit Abschaffung der unechten Teilortswahl); wirtschaftlichen Erfolg (nur eine solide finanzielle Ausstattung gibt Handlungsspielraum); ein gutes Ergebnis bei der Kommunalwahl – mit mutigen und aufgeschlossenen Mitgliedern in den Gremien.