Gengenbacher Kinderstadt: »Erlebnis der besonderen Art!«
Die Gengenbacher Kinderstadt war auch bei ihrer siebten Auflage ein besonderer Erfolg. 90 Kinder in der ersten und 62 in der zweiten Woche waren dabei, dazu mehr als 40 Betreuer unter Leitung von Christine Weygoldt-Barth vom Familien- und Seniorenbüro sowie Jugendreferentin Dorothee Scheibel. Wir sprachen mit den beiden Hauptorganisatorinnen über diese ereignisreichen beiden Wochen.
Frau Weygoldt-Barth, Sie als Frau der ersten Stunde dieser Kinderstadt, können am besten die Entwicklung dieses Projektes beurteilen. Was sind die größten und spürbaren Unterschiede zwischen der Premiere 2005 und der jüngsten Kinderstadt 2016?
Weygoldt-Barth: Die größten Unterschiede bestehen wohl darin, dass es sowohl bei den teilnehmenden Kinder als auch bei den Mitarbeiter immer mehr »Wiederholungstäter« gibt, das heißt, sie kommen schon mit konkreten Plänen und Erwartungen in die Kinderstadt. Da müssen wir uns schon ziemlich anstrengen, um immer wieder neue Ideen zu entwickeln. Die technische Ausstattung wird auch immer besser – allerdings fand ich unser fingiertes Ereignis »Stromausfall« ganz toll; es herrschte eine sehr friedliche und entspannte Atmosphäre mit Essen kochen auf dem Feuer, von Hand nähen und ohne Radio.
Oft zu kurzfristig
Der Trend zur kurzfristigen Planung und Anmeldung macht auch vor der Kinderstadt nicht halt, das macht die Kalkulation nicht gerade einfacher. Insgesamt sind die Veränderungen bei den Kindern aber viel geringer als man vielleicht vermuten würde.
Und Sie, Frau Scheibel, schwärmten vor zwei Jahren bei ihrem ersten Mal in der Kinderstadt von einem »Erlebnis der besonderen Art«. Wie war es diesmal aus Ihrer Sicht?
Scheibel: Die Kinderstadt wird wohl immer ein Erlebnis der besonderen Art bleiben. Die Logistik hinter diesem Planspiel ist einfach toll und begeistert Mitarbeiter sowie Kinder jedes Mal aufs Neue. In diesem Jahr hatten wir wieder tolle Mitarbeiter und es herrschte ein großer Teamgeist. Und natürlich war ich in der Leitung entspannter als beim ersten Mal, oft zählt einfach die Erfahrung.
Die alltäglichen Herausforderungen sind allerdings nirgends dokumentiert, da zählen die Erfahrungsschätze von Christine Weygoldt-Barth dann doppelt.
Was hat Sie besonders berührt oder verwundert in diesen zwei Wochen?
Weygoldt-Barth: Mich hat sowohl sehr berührt als auch verwundert, dass die syrischen, afghanischen, chinesischen und tschetschenischen Kinder sich so problemlos eingefügt haben. Sie sind überhaupt nicht aufgefallen. Insgesamt war die Atmosphäre so harmonisch und angenehm, ganz besonders mit meiner Kollegin Dorothee Scheibel passt es in der Leitung!
Scheibel: Berührt bin ich jedes Mal aufs Neue von dem großartigen ehrenamtlichen Engagement der Mitarbeiter. Von Jahr zu Jahr wird es schwieriger ehrenamtliche Mitarbeiter für ein verlässliches Betreuungsangebot zu gewinnen. Zeit wird immer wertvoller und umso wichtiger ist es geschenkte Zeit anzuerkennen und wertzuschätzen.
Und Ihre persönliche Lieblingsanekdote mit einem Kleinstadtbürger ist welche?
Weygoldt-Barth: Lustig war, dass viele Kinder nichts mit dem Begriff »Bürgerservice« anfangen konnten und dachten, wir hätten am Eingang einen »Burger-Service«.
Ein echtes Alien?
Andere Story: Bei einer abendlichen Reflexion der Mitarbeiter zum Thema »Ereignis« sagte ich: »Die Kinder honorieren auch die Bemühungen bei Ereignissen, wo sie genau wissen, dass sie nicht echt sind, zum Beispiel damals beim Besuch eines Außerirdischen.« Darauf ein Mitarbeiter (in jener Kinderstadt der jüngste Teilnehmer): »Was – ich dachte bis heute, dass ein echtes Alien zu Besuch war.«
Gewannen Sie auch neue Erfahrungen oder Erkenntnisse im Umgang mit Kindern?
Weygoldt-Barth: Interessant finde ich, dass die Medienkompetenz bei Kindern sehr oft auf den Konsum beschränkt ist, die kreativen Fähigkeiten kommen hier kaum zum Tragen. Spannend ist immer wieder, dass sie die Materialien ganz anders verwenden als wir uns das vorstellen – hier ist dann wieder sehr viel kreatives Potenzial.
Scheibel: Alle Kinder bringen ein unglaubliches Potenzial an Talenten und besonderen Fähigkeiten und Interessen mit. Leider gibt es bei großen Projekten oft nicht den nötigen Rahmen, diese Potenziale voll auszuschöpfen.
Nach dem Mittagessen war bei den sommerlichen Temperaturen bei vielen erst mal die Luft raus. Trotzdem war es immer wieder schön, gerade am Vormittag, das intensive Arbeiten konzentrierter Kinderstadt-Bürgerinnen und -Bürger zu beobachten. Das sind wertvolle Momente, welche die Arbeit so schön machen.
Bei den Eltern stieß auch diese Kinderstadt bestimmt auf gute Resonanz, oder?
Weygoldt-Barth: Das stimmt, wir bekommen immer wieder Rückmeldungen von Eltern , dass die Kinder einen Entwicklungsschritt gemacht haben, etwa im Umgang mit Geld. Oder an Selbstvertrauen gewonnen haben bei Kinderstadt-Führungen für die Erwachsenen.
Was meinten denn gerade die erstmaligen Betreuer zu ihrem Einsatz in der Kinderstadt? Die meisten waren ja in beiden Wochen in ihren gelben Kinderstadt-Shirts reichlich gefragt.
Weygoldt-Barth: Für die Junior-Mitarbeiter ist es eine Herausforderung, durchgängig in der Rolle der »Erwachsenen« zu sein, zumal viele von ihnen die Kinderstadt als Teilnehmer mitgemacht haben. Für Mitarbeiter kann der Tag in der Kinderstadt ganz schön anstrengend sein. Die meisten wachsen aber an ihren Aufgaben und sind für uns unverzichtbar.
Scheibel: Wir hatten viele Betreuer, die zum ersten Mal mit dabei waren und oft werden der ganze Ablauf und das Kinderstadt-Treiben trotz der intensiven Vorbereitung erst am ersten Tag so richtig begreiflich.
Wichtig: »Alte Hasen«
Umso wichtiger sind die »alten Hasen« und im Besonderen Christine Weygoldt-Barths Familie, die tatkräftig im Mitarbeiterteam vertreten war. Wirklich schön waren das Miteinander und der rege Austausch im Team! Spaß und Freude sind unabdingbar bei solch einem Projekt.
Allerdings ging die Zahl der Kinderstadtbürger erneut etwas zurück. Woran könnte das liegen?
Weygoldt-Barth: Insgesamt kommen einfach weniger Kinder nach – der demografische Wandel spielt hier sicher eine Rolle. Auch die umliegenden Gemeinden bieten inzwischen alle ein eigenes Ferienprogramm an. Die zweite Kinderstadt-Woche scheint auch eine Zeit zu sein, in der die meisten Familien verreisen.
Nach der Kinderstadt ist wohl vor der Kinderstadt. Wann beginnen die Vorbereitungen für das achte Kapitel dieser Erfolgsgeschichte?
Weygoldt-Barth: Ideen gibt es bereits, die Grundstruktur steht ja, aber die Umsetzung stellt uns jedes Mal vor neue Herausforderungen. Glücklicherweise haben wir mit unseren Teams, Kooperationspartnern und Sponsoren tolle Unterstützung und so freuen wir uns schon auf die Kinderstadt 2018!
Scheibel: Im Oktober gibt es noch ein Nachbereitungstreffen mit allen Mitarbeitern. Diese Reflexion ist sehr wichtig und bringt neue Impulse. Wir haben große Lust auf einige neue Konzeptionen, die aber auch an externe Faktoren gekoppelt sind. Mal sehen, was bei der Planung alles möglich wird.