»Es ist auch ein besseres Leben«
Klimaschutz? Da bin ich dabei! Auch wenn viele Menschen ihre Sympathie für ein bewusteres Leben bekunden, so hapert es doch häufig an der Umsetzung. Stéphane Dupas versucht sich seit einigen Jahren an einem klimafreundlichen Lebensstil. Seine Familie ist mit im Boot – nicht immer ist es so einfach, wie er es sich wünscht.
Long John ist fast immer die Lösung. Das dänische Lastenfahrrad von Stéphane Dupas transportiert zuverlässig die Getränke, die Lebensmittel vom Markt sowieso – und wenn es sein muss, ist in der für 100 Kilogramm zugelassenen Ladefläche sogar Platz für Möbel oder eine Person.
Das Fahrrad ist nur ein Bestandteil beim Versuch des 36-Jährigen, zusammen mit seiner Lebensgefährtin Kerstin Bader, Tochter Linde (9) und dem acht Wochen alten Sohn Adel ein möglichst klimaschonendes Leben zu führen. Es sei »eine generelle Einstellung«, sagt Dupas. »Ich finde, es ist auch ein besseres Leben.«
Zug statt Auto: Seit mittlerweile 15 Jahren lebt Dupas ohne Auto, er nennt es »befreiend«. Wenn ein Besuch bei den Eltern in Südfrankreich ansteht, ist der Zug das Mittel der Wahl, und wenn es doch einmal nicht anders geht, greift er aufs Carsharing zurück, schließlich ist er seit acht Jahren Mitglied bei »Zeitauto«. Ausgerechnet für seine Arbeit muss er aber viel reisen. Dupas ist für »Energy Cities« tätig, einen Verband von Städten in Europa, der sich für eine nachhaltige Klimapolitik einsetzt.
Als Projektmanager koordiniert er den Austausch zwischen den Städten und schaut, was die Unternehmen machen. Mal geht es nach Spanien, mal nach Italien, mal nach Lettland. Nach Möglichkeit setzt sich Dupas in den Nachtzug, bei einer Fahrtzeit von 40 Stunden wird aber auch das schwierig. Letzter Ausweg ist dann das Flugzeug. Das bleibe allerdings nicht ohne Konsequenzen: »Wir rechnen immer, ob wir es intern ausgleichen oder über CO2-Zertifikate«, erläutert Dupas.
Waschen statt kaufen: »Wir sind nicht beispielhaft für den Klimaschutz, aber wir sind auf dem Weg«, sagt Kerstin Bader (32). Viele Beiträge zum ökologisch bewussteren Leben fingen im Kleinen an: Dazu gehört es, Zahnpasta ohne Fluorid oder Deo ohne Aluminium zu kaufen, zu Secondhand-Produkten zu greifen, auf Plastiktüten zu verzichten, Ökostrom zu nutzen oder Stoffwindeln den Pampers vorzuziehen.
Gerade Letzteres zeige aber auch die Crux beim Klimaschutz: Auf der einen Seite müssen Stoffwindeln ständig gewaschen werden, auf der anderen Seite braucht die Herstellung der Einmal-Windeln auch jede Menge Wasser. »Es ist sehr schwierig, weil man immer alles mit einrechnen muss«, sagt Dupas. Was im Falle eines Apfels noch »relativ übersichtlich« sei, gelte für ein technisches Bauteil nicht. »Das kommt aus der ganzen Welt.«
Gemüse statt Fleisch: Grundsätzlich kommen im Hause Dupas-Bader Bio-Lebensmittel auf den Tisch – auch wenn Stéphane Dupas einschränkt: »Man muss sich schon anstrengen, dass man Bioware findet.« Beide sind aber mittlerweile überzeugte Vegetarier, auch aus ökologischen Gründen. »Wir sind in keinem Bereich extrem«, stellt Kerstin Bader aber fest. Ganz auf tierische Produkte verzichteten sie nämlich nicht.
Dämmen statt heizen: Stéphane Dupas und Kerstin Bader haben sich ganz bewusst für ihre jetzige Wohnung in der Seestraße entschieden – nicht nur, weil sie zentral liegt und viele Einkäufe zu Fuß erledigt werden können, sondern auch deshalb, weil sie neu renoviert und gut gedämmt ist. Zudem wird das Wasser auch über eine Solaranlage erwärmt. Wenn es kalt ist, laufen nur zwei Heizungen, die im Schlafzimmer bleibt grundsätzlich aus. Dennoch besteht für Dupas noch Luft nach oben: Mit einem CO2-Rechner des Bundesumweltamts hat er kürzlich seinen eigenen »Fußabdruck« bestimmt. Sein persönlicher CO2-Verbrauch (Heizung, Fahrzeug, Flugnutzung, Konsum) lag mit 5,63 Tonnen im Jahr zwar bei rund der Hälfte des deutschlandweiten Durchschnitts (10,63 Tonnen), aber noch mehr als doppelt so hoch wie die sogenannte verträgliche Quote (2,5 Tonnen).
Verantwortung statt »Einfach so weiter«: Auch die Kinder sollen schon früh das Bewusstsein dafür bekommen, was Umweltschutz heißt. Stéphane Dupas ist es wichtig, dass seine achtjährige Tochter Linde in die Waldorfschule mit dem Fahrrad oder mit dem Bus fährt. Es ist die eigene Verantwortung, die ihn antreibt. »Ich habe schon das Gefühl, dass uns unsere Eltern eine größere Last übergeben haben«, sagt Dupas. Deshalb sei es ihm wichtig, mit seinem Beruf zu einer Veränderung beizutragen.
Teilen statt besitzen: In dieser Vorstellung finden sich auch Stéphane Dupas und Kerstin Bader wieder. Dazu zählen sie nicht nur das Carsharing, sondern auch gemeinsam nutzbare öffentliche Gärten oder landwirtschaftliche Flächen. Für den Fall, dass die Wohnung in der Offenburger Seestraße einmal zu klein sein sollte, hat die Familie einen Plan: »Wir hätten gerne Leute, mit denen wir gemeinsam wohnen«, erklärt Kerstin Bader.
Zustimmung statt Ablehnung: Die Reaktionen, die Stéphane Dupas und Kerstin Bader bekommen, sind unterschiedlich. Manche schütteln den Kopf – Wer lebt schon ohne Fernseher? Einmal sei sie zu ihren Eltern ins Kinzigtal gefahren – ohne Auto. »Alle fanden es komisch«, sagt Kerstin Bader, die die sieben Kilometer zu ihrer Arbeit im Kindergarten in Ebersweier bevorzugt mit dem Fahrrad zurückgelegt hat. Allerdings habe sie auch Freundinnen mit ähnlichen Vorstellungen. Eine dieser Freundinnen kaufe zum Beispiel ökologische Kleidung oder vegane Schuhe.
Trotz aller Anstrengungen im Alltag bleibt für Stéphane Dupas ein großes Problem immer bestehen: »Es ist schwierig, wenn man in dieser Gesellschaft lebt«, stellt er fest, betont aber sofort: »Trotzdem kann man selber viel machen.« Für Kerstin Bader geht es grundsätzlich darum, so einfach wie möglich zu leben, »ohne Schnickschnack«. Sie ist überzeugt: »Wenn jeder für sich was bewegt, dann bewirkt es auch Großes.«
Umfrage zum Klima-Engagement
Die gemeinnützige Beratungsgesellschaft »co2online« hat bereits Ende 2012 die Ergebnisse einer Umfrage in der Bevölkerung zum Klimaschutz veröffentlicht. Das sogenannte Klima-Barometer ergab, dass zwar 87 Prozent der Meinung waren, die Bevölkerung tue insgesamt zu wenig für den Klimaschutz; 68 Prozent der Befragten hielten allerdings ihr eigenes Engagement für überdurchschnittlich groß.
Wie groß ist der eigene Fußabdruck?
Wie gut ist die persönliche CO2-Bilanz? Das lässt sich mit Hilfe des CO2-Rechners auf der Internetseite des Bundesumweltamts einschätzen. Gefragt wird nach Angaben zu den Kategorien Heizung, Strom, Privatfahrzeug, öffentlicher Verkehr, Flugverkehr, Ernährung, Konsum und öffentliche Emissionen. Durch die jeweiligen Einzelbilanzen entsteht eine Gesamtbilanz, die man dann mit dem deutschlandweiten Durchschnitt (10,63 Tonnen pro Jahr) vergleichen kann.
Außerdem wird die Differenz zur sogenannten verträglichen Quote (2,5 Tonnen) errechnet. Der CO2-Rechner berücksichtigt auch die Treibhausgase Methan und Lachgas. Die Faktoren und Vergleichswerte beziehen sich nach Angaben des Amts auf Erkenntnisse des Instituts für Energie- und Umweltforschung (IFEU) in Heidelberg. www.uba.klima-aktiv.de
Buchtipp: Korrektes Leben als Versuch
Unter dem Titel »Life Stripped Bare: My Year Trying To Live Ethically« (auf Deutsch: »Fast Nackt: Mein abenteuerlicher Versuch ethisch korrekt zu leben«) erschien 2006 ein Buch des britischen Journalisten Leo Hickman. Darin beschreibt der Autor auf unterhaltsame Weise seinen Selbstversuch: Wie zunächst drei Experten den Lebensstil seiner Familie analysieren und wie dann das Leben umgekrempelt wird, um ethisch und ökologisch korrekt zu leben – mit allen Schwierigkeiten und Konsequenzen.