Flammendes Plädoyer von OB Schreiner für ein einiges Europa
Der ersehnte Tunnelbeschluss, die Arbeit der 360 ehrenamtlichen Flüchtlingshelfer in Offenburg, das flammende Plädoyer für ein einiges und starkes Europa: Für diese Passagen gab es gestern in der Rede von Oberbürgermeisterin Edith Schreiner beim Neujahrsempfang der Stadt Offenburg besonders starken Beifall der rund 700 geladenen Gäste in der Oberrheinhalle.
Das Who’s who der Region traf sich gestern zum Neujahrsempfang der Stadt Offenburg. Die Besucher erlebten eine XXL-Ausgabe der beliebten Veranstaltung, denn stolze zweieinhalb Stunden dauerte es, bis sich die Gäste nach dem offiziellen Programm im Foyer den Häppchen und Gesprächen widmen konnten.
In ihrer Neujahrsrede konnte Oberbürgermeisterin Edith Schreiner angesichts des boomenden Oberzentrums mit einer üppigen Leistungsbilanz auftrumpfen, sie mischte aber auch nachdenkliche Töne in ihre 45-minütige Rede, doch dazu später. »Noch nie haben wir in Offenburg so viele Großprojekte gestemmt wie zu dieser Zeit«, betonte Schreiner. Die Stadt habe sich in den letzten Jahren dynamisch entwickelt: Kulturforum, Marktplatz, Messe und »Mehrlin« in Nordwest nannte Schreiner hier als Stichworte für den Wandel. Mit Freizeitbad, Rée-Carré und dem geplanten Bau einer neuen Messehalle (2020) seien weitere Großprojekte in der Mache oder in Planung.
Offenburger Tunnel-Glück
Gleichzeitig habe die Stadt 2016 als Ergebnis von Geduld und Beharrlichkeit die Finanzierungszusage für den Tunnel durch den Bundestag feiern können. »Es ist ein großes Glück, dass wir mit vereinten Kräften diesen für Offenburg existenziell wichtigen Erfolg erreicht haben«, sagte Schreiner.
Es wird in Offenburg nicht nur gebaut, die Wirtschaft brummt insgesamt, wie das Stadtoberhaupt deutlich machte: In 2000 Betrieben gebe es 40 000 Arbeitsplätze, das sei der höchste Beschäftigungsstand aller Zeiten. Täglich würden 26 000 Arbeitnehmer nach Offenburg pendeln, 53 Millionen Euro Gewerbesteuer sprudelten 2016 in die Stadtkasse. »Wir leben in einer friedlichen Stadt mit stabilen Rahmenbedingungen«, fasste die Rathauschefin zusammen.
Und dennoch sei auch in Offenburg »eine Stimmung der Unsicherheit« zu spüren, sagte Schreiner. Mit der Zuwanderung würden die Bürger mit Fragen konfrontiert, die bislang weit weg gewesen seien: »Ist unsere offene, tolerante Gesellschaft in der Lage, damit umzugehen? Ist unsere Demokratie wehrhaft?«
Als Antwort darauf hielt die überzeugte Europäerin Edith Schreiner ein Plädoyer für ein einiges und starkes Europa. Nationalismus indes führe »in die Sackgasse«. Europa, das werde heute fast übersehen, stehe für Einheit und Eigenständigkeit der Völker und Staaten in einem nie gekannten Gleichgewicht des Friedens.
Schreiner richtete deshalb zum Schluss ihrer Rede die eindringliche Bitte an die Zuhörer: »Bekennen Sie sich im persönlichen wie beruflichen Umfeld zu dieser Demokratie, die unserer Stadt und unserem Land Frieden und Freiheit gebracht und bewahrt hat!«
Festredner Ulrich Fischer knüpfte in seinem 30-minütigen Vortrag zum Thema »Bewahrung der Werte« fast nahtlos an Schreiners Gedanken an. Der evangelische Landesbischof i. R. zeigte auf, wie schwierig es in einer von Globalisierung und Pluralismus geprägten Beschleunigungsgesellschaft ist, noch den richtigen Kompass zu finden.
Des Bischofs Empfehlung
Als Lösungsansätze riet er, auf christliche Werte zu setzen und die soziale Gerechtigkeit auszubauen. Letztere dürfe allerdings nicht an den Grenzen Europas enden, wo es auch zunehmend darum gehen müsse, die Arbeitswelt human zu gestalten. Beim Thema »Soziale Gerechtigkeit« stehe Europa weltweit in der Verantwortung. Bislang verbrauchten 20 Prozent der Bevölkerung 80 Prozent des Weltsozialprodukts, gab Fischer zu bedenken: »Um die restlichen 20 Prozent streiten sich 80 Prozent.«
Für den musikalischen Rahmen sorgte in diesem Jahr die Stadtkapelle, die zum Schluss natürlich das »Badnerlied« spielte und für ihren Auftritt ein Sonderlob von Ex-OB Martin Grüber bekam: »Die waren schon immer gut, aber mittlerweile sind sie sehr gut.«