Gesamtkosten für Reichenbachs Großprojekt machen ratlos
Viele lange Gesichter gab es am Mittwochabend im Ratssaal. Denn Architekt Jochen Weissenrieder bezifferte die Gesamtkosten für die Sanierung der Gemeindehalle und der Schule sowie des Kindergartenanbaus in Reichenbachs Ortsmitte mit 9,0 Millionen Euro – doppelt so viel wie gedacht. Für 3,5 Millionen Euro soll auf jeden Fall die aus Sicherheitsgründen gesperrte Halle saniert werden.
Der Ortschaftsrat einstimmig und der Stadtrat bei einer Gegenstimme von Markus Schilli (Grüne Liste) beauftragten Freiburgs Architekturbüro Weissenrieder, das vor knapp zwei Monaten den Realisierungswettbewerb »Neuordnung kommunaler Gebäude Ortsmitte Reichenbach« unter 16 Finalisten gewonnen hatte, mit der Umsetzung des Bauabschnitts I. Damit ist die Sanierung der seit Ende Februar gesperrten Gemeindehalle gemeint, deren Dachkonstruktionsschäden mittlerweile noch größer geworden sind.
Architekt Jochen Weissenrieder schätzt die Kosten auf 3,55 Millionen Euro brutto. Dies entspricht genau dem, was Kämmerer Andreas Bruder ebenso wie Zuschüsse von 1,28 Millionen Euro in den Doppelhaushaltsplan 2017/2018 reserviert hat, den der Stadtrat kürzlich begrüßte und am 21. Dezember absegnen will. Das rückte jedoch teils in den Hintergrund, als Weissenrieder die Gesamtkosten für alle drei Bauabschnitte (inklusive Sanierung der Grundschule nebenan und Anbau für den neuen Kindergarten) bei 9,0 Millionen Euro ansiedelte. »Ich war sprachlos, dass uns die Kosten derart davon laufen«, gestand Bürgermeister Thorsten Erny – gerade in Relation zu den beiden anderen außergewöhnlichen Großprojekten seiner Amtszeit (9,5 Millionen Euro für den Bildungscampus und 5,3 Millionen Euro für die neue Kindertagesstätte mit drei Kindergärten unter einem Dach). Weissenrieder wollte »so seriös wie möglich kalkulieren«, weshalb er auch einen Konjunkturaufschlag von 13 Prozent auf vier Jahre einrechnete. Dies sei »ein Batzen«, müsse indes mit Blick auf die »Hochkonjunkturlage im Baugewerbe« und die lange Laufzeit des Gesamtprojekts berücksichtigt werden. Inklusive seien auch alle Nebenkosten, die Außenanlagen und die Umgestaltung des Schulhofs.
»Hauptschlagader des dörflichen Lebens«
»Es wurde für unsere Ortschaft eine Riesen-Chance in Aussicht gestellt«, erklärte Ortsvorsteher Markus Späth, »aber natürlich müssen wir über das eine oder andere Detail noch reden.« Späth, der von »Freude und Demut« sprach, will das Gesamtprojekt also nicht aus den Augen verlieren, hob aber die Sanierung der Halle hervor, »der Hauptschlagader des dörflichen Lebens in Reichenbach.«
Für Andrea Ahlemeyer-Stubbe (SPD) ist »nur noch dieser erste Bauabschnitt tragbar, ob wir uns den Rest leisten können, wage ich zu bezweifeln«. Michael Jülg (CDU) erinnerte daran, »dass ein kaputtes Hallendach der Ausgangspunkt war und in der Kostengrenze von 4,2 Millionen Euro Schule und Kindergarten drin waren«. Es gelte, so Dieter Halsinger (Grüne Liste), »die Reichenbacher Ortsmitte zu stärken, Bauabschnitt I müssen wir realisieren, die Abschnitte II und III müssen auf den Prüfstand«. Fraktionskollege Markus Schilli schlug angesichts der Verdoppelung der Kosten vor: »Für 500 000 Euro könnten wir ein neues Hallendach haben und die Halle wäre dann sogar schnell wieder nutzbar.«
Weissenrieder gab indes zu bedenken: »Diese Halle ist in vielen Bereichen kaputt – nicht nur das Dach.« So sei die Halle nicht mehr für Schulsport geeignet, was früher oder später auch ein Thema werden würde. »Und wer Umkleide- und Toilettenanlagen sowie Haustechnik anschaut, weiß, dass weitere Maßnahmen nötig werden«, so Erny, »es geht um eine nachhaltige und gesamtheitliche Betrachtung.« Weissenrieder stellte die geänderten Baupläne vor, nach Absprache mit Vereinsvorständen, Schule und Gemeinde. Der derzeitige Parkplatz könnte noch zu einem Dorfplatz und der Eingangsbereich mit Windfang und Garderobe an diesem Platz gebaut werden, wo derzeit eine energetisch ungünstige Glasbauwand ist. Auch die Organisation der Nebenräume und der Zugang zu den Vereinsräumen wurden geändert.
Halle soll bis Ende 2018 saniert sein
Im Februar liegen die Kostenberechnungen vor, nachdem die Fachplaner ihre Angebote abgegeben haben. Der Bauantrag ist für Mitte Juli angedacht, die Ausschreibungen für Anfang September, Mitte Oktober 2017 soll es an die Erneuerung von Dach und Gebäudehülle gehen, damit 2018 der Innenausbau folgen kann. »Hoffentlich können dann Mitte Dezember 2018 die Theaterabende des SVR in der neuen Reichenbacher Halle über die Bühne gehen«, meinte Erny nach einem eineinhalbstündigen kommunalpolitischen Akt im Ratssaal.