Gestatten: Offenburgs kleinstes "Einfamilienhaus"
Zwei clevere Bauherren aus Elgersweier haben die Stadt ausgetrickst, indem sie klammheimlich den Bauplatz zwischen ihren beiden Häusern erworben und in einen Garten umgewandelt haben. Statt einem Nachbarn auf der Pelle sitzen zu müssen, haben die Familien so ihr Grundstück vergrößert. Die Stadt findet dies »ärgerlich«, weil Fläche für einen Bauplatz verloren gegangen ist.
Offenburg. Die kleine Gartenhütte auf der Rasenfläche zwischen zwei Häusern in der Leimenboschstraße in Elgersweier sticht sofort ins Auge. Für Heinz Kaufmann kommt sie einem Hohn gleich. Denn statt der Gartenhütte hätte auf dem Grundstück ein Einfamilienhaus stehen sollen. Doch der »Neubau« auf dem fertig erschlossenen Grundstück sei »auffällig klein« geraten, stellt Kaufmann trocken fest.
Der Elgersweierer ärgert sich darüber, dass einerseits Bauland rar ist und alle Ortsteile nach Baugebieten schreien, aber andererseits zwei Bauherren, »die selbst das Glück hatten, in dieser schönen Lage ein Baugrundstück zu erwerben«, sich diesen Bauplatz einverleibt und ihrem Grundstück zugeschlagen haben. Kaufmann war bei der Erschließung des Baugebiets »Hinter den Gärten« selbst mit einem Geländebeitrag beteiligt, wie er berichtet, und habe aus erster Hand verfolgt, wie aufwendig geplant worden sei, ehe »das klar definierte Baugelände nach Größe und Lage ausgewiesen wurde«. Dass nun eines dieser Grundstücke nicht bebaut wird, bringt ihn auf die Palme: »Erschließungsgemeinschaften mit Bauauflage werden zur Farce.« Kaufmann findet dieses Vorgehen dreist.
Rainer Morgenstern kann die Aufregung nicht verstehen. Er hat das besagte Baugrundstück gemeinsam mit seinem Nachbarn erworben. Beide haben es hälftig geteilt und somit ihre Grundstücke vergrößert. Der Stadt Offenburg wirft der Bauherr vor, am Bedarf vorbeizuplanen, wenn Grundstücke »in Handtuchgröße« ausgewiesen würden. Sein Grundstück sei zuvor mit 390 Quadratmeter sehr klein gewesen, wenn man bedenke, welche Summen heutzutage für den Bau eines Hauses investiert werden müssten. Durch den Kauf des Zwischengrundstücks habe sich sein Grundstück nun auf 560 Quadratmeter vergrößert, »und die Nachbarn freuen sich über den Blick in die Natur«.
Die Gartenhütte, die so einsam auf dem ehemaligen Bauplatz thront, habe er nicht aufgebaut, um eine etwaige Bauverpflichtung zu umgehen, sondern um seinen Rasenmäher unterzustellen, sagt Morgenstern. Die Bauverpflichtung selbst gebe es nicht mehr.
Das bestätigt auch Erwin Drixler, Leiter des städtischen Fachbereichs Bauservice. Es sei richtig, dass der Bauplatz vor einigen Jahren geteilt und die Hälften jeweils mit den Nachbargrundstücken vereinigt worden seien. Da im vorliegenden Fall katastermäßig kein eigenständiges Grundstück mit eigener Flurstücknummer mehr existiere, sei es auf der Überwachungsliste der Stadt für Bauverpflichtungen automatisch entfernt worden. »Diese Verfahrenslücke haben wir inzwischen nachgebesssert«, so Drixler.
Grundsätzlich seien alle neu geschaffenen Bauplätze mit einer Bauverpflichtung belegt, die im Grundbuch dinglich durch eine Erwerbsvormerkung für die Stadt Offenburg gesichert seien, erklärt Drixler weiter. Diese könne nur mit Zustimmung der Stadt Offenburg gelöscht werden. Die Krux: Im vorliegenden Fall sei bei der Stadt aber kein Löschungsantrag eingegangen. Die Stadt sei überdies an der verfahrensfreien Grundstücksteilung nicht beteiligt gewesen. Bauplanungsrechtlich sei nichts gegen die Vorgehensweise einzuwenden, so Drixler.
Der Fachbereichsleiter macht aber deutlich, dass dies nicht im Sinne des Erfinders ist. »Das ist ärgerlich, da hier die Fläche für einen Bauplatz verloren gegangen ist«, sagt Drixler. Die Stadt werde den Vorgang genau analysieren, um eine Wiederholung auszuschließen. Gegebenenfalls müssten zukünftig auch die Festsetzungen in den Bebauungsplänen restriktiver gefasst werden.
Auch Heinz Kaufmann, hofft, dass dieser Vorgang nicht als »Blaupause für clevere Grundstücksvergrößerungen« dient und die »Gesetzeslücke« geschlossen wird. Währenddessen freuen sich Rainer Morgenstern und sein Nachbar über ihren großen Garten.
Das Offenburger Baulandmodell
Die Bauverpflichtung ist laut Erwin Drixler ein zentraler Baustein des Offenburger Baulandmodells. Damit soll laut dem städtischen Fachbereichsleiter Bauservice erreicht werden, dass Grundstücke binnen einer angemessenen Frist einer Bebauung entsprechend den Festsetzungen des Bebauungsplans zugeführt werden. Damit soll der Flächenverbrauch für neue Baugebiete »auf der grünen Wiese« möglichst gering gehalten werden, so Drixler.
In den vergangenen 15 Jahren seien in Offenburg 14 Baugebiete mit circa 460 Bauplätzen entwickelt worden. In diesen Gebieten gebe es derzeit nur noch rund zehn unbebaute Grundstücke mit einer Bauverpflichtung. Das seien knapp über zwei Prozent der realisierten Bauplätze und beweise »den großartigen Erfolg des Offenburger Baulandmodells«.
Mit den Grundstückseigentümern sei die Stadt derzeit darüber in Gesprächen, wie eine Bebauung realisiert werden könne.
Wo in Offenburg Bauland entsteht
Aktuell stehe die Entwicklung des Baugebietes »Vorderer Brand« in Zunsweier an, erläutert Fachbereichsleiter Erwin Drixler. Die Offenlage des Bebauungsplans sei in der vergangenen Woche beendet worden. Die Verträge seien unterzeichnet und der Beginn der Erschließung für Anfang 2017 vorgesehen. Es werden dort laut Drixler 57 Bauplätze mit bis zu 114 neuen Wohneinheiten entstehen.
Ein weiteres Baugebiet werde im Norden von Bohlsbach westlich der Okenstraße entwickelt. Dort sei die Offenlage zum Bebauungsplan für Anfang 2017 vorgesehen. Die Neuordnungs- und Erschließungsverträge stünden kurz vor der Unterzeichnung. Circa 20 Bauplätze würden dort geschaffen. Außerdem habe in diesem Jahr die Baulandentwicklung in Waltersweier im Gebiet »Spitalbühnd« begonnen.
Daneben gebe es noch die innerstädtischen Baugebiete Seidenfaden, Mühlbachkarree, Kronenwiese und Spinnerei, die ebenfalls mit einer Bauverpflichtung belegt seien, listet Drixler auf.