Große Enttäuschung nach Aus für Spinnerei-Projekt
Die Pläne für ein kultur- und kreativwirtschaftliches Zentrum auf dem Spinnereigelände sind wohl passé. Statt des Weberei-Hochbaus hat die Stadtverwaltung am Montag die Alternative Schlachthof präsentiert – eine Alternative, die die Stadträte im Kultur-, Haupt- und Bauausschuss mehrheitlich befürwortet haben. Der Verein »Spinnerei – Kreativraum am Mühlbach« kann sich damit nur schwerlich anfreunden. Auch beim Fotografen und Gründungsmitglied Wilfried Beege (71) sitzt der Stachel tief – aufgeben will er aber nicht.
Herr Beege, Sie waren selbst in der Sitzung am Montag anwesend. Wie groß war Ihre Enttäuschung?
Wilfried Beege: Ich bin enttäuscht. Ich bin aber nach ein paar Tagen so weit, dass ich es wörtlich nehme: Ich gebe mich keiner Täuschung mehr hin.
Wie meinen Sie das?
Beege: Ich denke, die Stadt wollte schon immer, dass wir in den Schlachthof gehen. Wir haben eineinhalb Jahre daran gearbeitet, dass wir in die Spinnerei gehen können, weil der Weberei-Hochbau so geeignet ist. Er ist denkmalgeschützt, das Kesselhaus liegt gleich nebenan – es ist so eine schöne Atmosphäre. Ich finde, das ist beim Schlachthof nicht so. Die Spinnerei ist freizügiger, künstlerischer. Beim Schlachthof gibt es auch keinen Namen, der sich positiv anhört.
Was denken Sie über die Aussagen im Ausschuss? Es waren ja etliche Sympathiebekundungen zu hören – allen voran von der Stadt.
Beege: Ich habe mich auch gefreut, dass der Ausschuss uns gelobt hat. Aber es drängt sich mir doch der Gedanke auf, dass das mit einem Hintergedanken gemacht wurde, damit sie uns als Verein nicht verlieren. Und wenn Herr Kopp sagt, ihm blute das Herz, sage ich: Wenn ein Herz blutet, dann ist das unseres.
Es sah ja lange so aus, als würde alles auf die Spinnerei zulaufen. Vom Schlachthof war nur als Erweiterungsoption die Rede...
Beege: Ich würde sagen, dass sich beide Seiten von einem Wunschdenken haben leiten lassen: Herr Kopp, dass der Schlachthof besser ist. Der Spinnereiverein, dass die Spinnerei der bessere Platz ist. Als wir im Januar 2014 bei Herrn Jopen im Büro saßen, hatte er schon mal den Schlachthof erwähnt. Aber die Spinnerei wäre uns viel näher. Auf der einen Seite zeitlich – der Schlachthof wird wohl erst 2020 so weit sein –, und durch die direkte Einbindung in die Stadt. Es wäre ein Ort, wo die Öffentlichkeit hingehen kann. Einrichtungen wie das Artforum oder der Künstlerverein sind ja eher für die Arrivierten gedacht, wir wollten das Ganze ein bisschen bürgernäher. Ich wollte zum Beispiel ein offenes Studio machen, damit Interessierte spontan bei Fotoaktionen mitmachen können. Das war unser Traum in der Spinnerei, und der Traum ist geplatzt.
Sie sind also nach wie vor vom Standort Spinnerei überzeugt?
Beege: Der Schlachthof ist doch nicht so gut angebunden. Er hat nicht den Mittendrin-Effekt. Ich finde nicht, dass es ein K.o.-Kriterium ist, wenn ein Kultur- und Kreativzentrum in einem Wohngebiet liegt. Es sollte eben gerade in einem Wohngebiet liegen – ein Ort, der Flair hat, mit Kunst und Fröhlichkeit. Wo haben wir so was in Offenburg?
Dem Verein ging es ja auch um den Erhalt des Weberei-Hochbaus für die Öffentlichkeit. Wie sehen Sie den Umgang damit?
Beege: Es ist eine Schande für Offenburg, dass die Stadt so ein Kleinod abgibt. Sie verkauft das für einen Appel und ein Ei, damit sie es los ist. Das empfinde ich so. Ein Einkaufszentrum kriegen wir und Schwimmbäder und Tunnel. Aber für so eine relativ kleine laufende Unterstützung, um den Businessplan des Vereins gegenüber einem Investor wie besprochen möglich zu machen, fehlt dann das Geld. Oder man denke an das teure Natursteinpflaster. Die Stadt ist da nicht weitsichtig genug.
Was hatten Sie sich von den Stadträten erhofft?
Beege: Wir haben uns sehr viel erhofft. Wir haben ja mit allen Fraktionen gesprochen. Aber bis auf die Grünen-Fraktion haben alle auf die schwarze Null geschaut. Es wurde die Angst geschürt, dass die Stadt die schwarze Null riskiert. Noch ist nicht alles entschieden. Wir können auf den Gemeinderat hoffen und müssen noch einmal bei allen anklopfen. Es muss uns gelingen, den Gemeinderat zu überzeugen, dass es nicht nur ums Geld geht, dass Offenburg so einen Raum braucht!
Waren Sie selbst vielleicht ein bisschen naiv?
Beege: Ich war bestimmt etwas blauäugig, weil ich zuerst an das Gute im Menschen glaube. Aber ich habe schon den Eindruck, man hat uns am langen Arm verhungern lassen. So ein Kultur- und Kreativzentrum ist städtische Arbeit, das kann man von den Bürgern nicht verlangen. Eine Bürgerinitiative soll etwas anstoßen. Das haben wir getan, und da sind wir auch stolz drauf. Aber eine Sanierung ist eine städtische Aufgabe. Doch die Stadt will halt nicht – da haben wir Pech gehabt.
Wie geht es nun weiter?
Beege: Es ist schon positiv, dass sich die Stadt von der Idee hat überzeugen lassen. Der Spinnerei-Verein hat jetzt 130, 140 Mitglieder. Dieser Zulauf ist für eine Stadt wie Offenburg enorm. Und die Enttäuschung ist nicht so komplett, dass wir alle hinschmeißen wollen. Keiner hat bis jetzt gesagt, er möchte den Verein verlassen. Wir sind ja auch an der Zukunft interessiert. Aber wir müssen uns natürlich ein bisschen berappeln und dann nachdenken, wie es weitergeht. Wichtig ist, dass die Idee weitergetragen wird und dass Offenburg ein Kreativzentrum bekommt.
TERMIN: Am Montag, 14. Dezember, entscheidet der Gemeinderat über das Kultur- und Kreativwirtschaftszentrum. Die Mitglieder des Vereins »Spinnerei – Kreativraum am Mühlbach« wollen Anfang der kommenden Woche beraten.