Freundeskreis Asyl unterstützt Flüchtlinge in Gengenbach

Großen Ängsten folgt Hoffnung

Susanne Vaternahm
Lesezeit 5 Minuten
Jetzt Artikel teilen:
22. August 2014

(Bild 1/2) Deutsch-Unterricht im Gengenbacher Asylbewerberheim bei der pensionierten Lehrerin Eva Gimmel. ©Susanne Vaternahm

Kriegsflüchtlingen, mehrheitlich aus dem mittleren Osten, nimmt sich der neu gegründete Gengenbacher Freundeskreis Asyl an. Traumatisiert kommen die Schutzsuchenden aus einer Welt, in der Hass, Massenmorde und Vertreibungen triumphieren. Hier begegnet man ihnen oft mit Vorurteilen und Ausgrenzung.

Vom Landratsamt Ortenaukreis zugeteilte Asylbewerber, aktuell Flüchtlinge aus Syrien, finden seit knapp zwei Jahren in Gengenbachs ehemaligem Studentenwohnheim eine vorübergehende Bleibe. Von diesen Kontingentflüchtlingen kommen die einen im Rahmen einer humanitären Hilfsaktion, die anderen bitten um Schutz vor politischer oder religiöser Verfolgung. Im Einwanderungsland Deutschland angekommen, müssen sie einen Kulturschock verkraften, werden mit deutschen Einwanderungsgesetzen und Standards konfrontiert.

Am Ende der Straße, wo man meint, die Bahnhofstraße führe nur noch ins Nichts der einstigen Möbelfabrik Hukla, ist man richtig. Um einen großen Wohnblock schallt fröhliches Kindertreiben. Die kleineren Kinder spielen im Schutz des umzäunten, hauseigenen Spielplatzes. Im Schatten schaut die verschleierte Fatima zu. Größere Kinder drehen auf Fahrrädern ihre Runden. Vor der Haustür wartet Mehmet, Fatimas zehnjähriger Sohn (beide Namen geändert).

Er führt uns an 27 Briefkästen und ebenso vielen Klingelknöpfen vorbei. Hier leben zurzeit über 100 Menschen aus elf Nationen in vorläufiger Sicherheit. Tür an Tür Familien aus Serbien und Pakistan, Afghanistan, Bosnien, Irak und Iran, Georgien, Sri Lanka, Nigeria, Kosovo und Syrien. Eine herausfordernde Zeit des Übergangs, Wartens und Willens, sich anzupassen an fremde Lebensgewohnheiten. Dazu trifft orientalische Mentalität auf deutsche Amtsmühlen.

Sozialpädagogin Petra Wieber ist neben den Asylheimen in Lahr und Offenburg auch für Gengenbach zuständig. Ehrenamtlich arbeitende Dolmetscher sind als Begleiter jederzeit bei Kontoeröffnungen, Arztbesuchen, Anträgen verschiedenster Art gefragt. Im Treppenhaus duftet es nach fremdländischer Küche. »Das ist Koriander, natürlich auch Knoblauch«, weiß Widad Wagener. Die geborene Syrierin lebt schon lange in Deutschland, gerade jetzt betroffen vom ungewissen Schicksal ihrer Familie, und möchte »wenigstens hier einen Beitrag leisten, wenn ich schon nicht meinen Verwandten in Syrien helfen kann.« Sie spricht Arabisch, Türkisch und Deutsch. Wertvoll für einen Besuch bei Fatima, der jungen Syrierin, die mit ihren vier Kindern hier seit ein paar Wochen wohnt. Mehmet macht vor einer der vielen Wohnungstüren Halt. Eine kleine, rundliche Frau im Türrahmen.

Dunkles Kopftuch. Hinter ihr Kinderaugen – pendelnd zwischen Neugier, Angst und dann Freude, denn Eva Gimmel, Initiatorin für Gengenbachs Freundeskreis Asyl, kennen sie schon. Sie ist die Frau, der sie ihr volles Vertrauen schenken können. Die pensionierte Lehrerin engagiert sich ehrenamtlich und mit Selbstverständlichkeit. Sie hört zu, tröstet, organisiert. Ihr zur Seite Menschen mit ähnlicher Motivation vom Freundeskreis.

Fatima ist seit Ende April in Gengenbach und »scheint allmählich anzukommen«, so Eva Gimmel. Das sei an der Art der Begrüßung, Herzlichkeit und Offenheit zu spüren. Die Zweizimmerwohnung ist mit dem Nötigsten ausgestattet, nach der Flucht ein Luxus: ein Dach über dem Kopf, Feldbetten, Heizung, immer warmes und kaltes Wasser, Duschbad, Küchenzeile, Herd, Kühlschrank, Kleiderschrank. »Hier ist alles so hell«, staunt Fatima. Mit leiser Stimme beginnt sie zu erzählen. Widad Wagener übersetzt feinfühlig das Hocharabisch. Fatima weiß nicht mehr genau, wie alt sie ist. Die Flucht begann vor zwei Jahren und löschte alle eigenen Belange nahezu aus.

- Anzeige -

Ein Abend in Homs, Hochburg der beginnenden Aufstände. Fatimas Mann ist noch zu Fuß unterwegs. Stunden später erfährt sie, er sei auf der Straße erschossen worden. Man habe ihn liegen gelassen, verblutend. Hochschwanger verliert Fatima ihr fünftes Kind. Sie sieht keine Möglichkeit für sich und die Kinder, die ihr alles bedeuten, ihnen hier die Zukunft zu sichern.

Schulen sind bombardiert, ihr Vater rät zur Flucht aus der gepanzerten Hölle. Heimlich schlägt er ein Loch in die Rückwand der Wohnung. Eines Nachts klettert sie mit den Kindern durch die Wandöffnung. Draußen ein Fluchtauto. »Bring meine Tochter nach Damaskus«, raunt der Vater dem Fahrer zu und gibt ihm Geld. Mit nur einer Wäschegarnitur zum Wechseln beginnt die Flucht. Irgendwann bringt ein anderes Fluchtauto sie endlich in den Libanon. In Damaskus ein Zimmer ohne Fenster, Arbeit als Putzfrau in einer Schule. Unerschütterlich im sunnitischen Glauben, meistert Fatima irgendwie das Leben – stets im Hinblick auf die Kinder, die sie nun als Alleinerziehende durchbringen muss. 

Nach zwei Jahren füllt sie einen Ausreise- und Asylantrag aus. Eine Rückkehr nach Syrien ist illusorisch, der Krieg in ihrem Heimatland hält an. Sechs Wochen später sitzen sie im Flieger nach Deutschland. Als Kontingentflüchtlinge dürfen sie im Rahmen humanitärer Hilfsaktionen einreisen – einwandern.

Fatima zuzuhören klingt in ihrer fremden Sprache, als erzähle sie ein schönes Märchen aus dem Orient, aus Tausend und einer Nacht – wenn nicht Widad Wagener den Inhalt übersetzen würde. Mehmet hat aufmerksam alles mitverfolgt, als nehme er schon eine wichtige Männerrolle ein.  Er geht, wie alle anderen Asylbewerberkinder, in die hiesige Schule. Die kleineren Geschwister sind im Kindergarten und lernen schnell. Für erwachsene Neuankömmlinge besteht die Pflicht, an einem mehrmonatigen Deutsch-Integrationskurs teilzunehmen. Sprache ist als Schlüssel zur Zusammenführung zu verstehen.

Exemplarisch steht Fatimas Flucht für Millionen von Menschenschicksalen aus Kriegsgebieten. Bleiben sie im Sozialhilfe-Netz hängen oder sind sie willensstark genug, sich eine eigene gesicherte Zukunft hier aufzubauen? Bilden sie in absehbarer Zeit eine Parallelgesellschaft im Einwanderungsland? Werden sie – je Flüchtlingsstatus – nach gewisser Frist wieder ins Heimatland abgeschoben oder freiwillig zurückkehren, wenn Frieden eingekehrt ist?

Fatimas Mobiltelefon meldet sich mit orientalischer Melodie. Es ermöglicht die einzige Verbindung zu Eltern und Geschwistern. Sie lebt im Zwiespalt zwischen Heimweh und dem Willen, in Deutschland Fuß zu fassen. Möglichkeiten, die traumatischen Erinnerungen zur Ruhe kommen zu lassen, werden ihr und den Kindern angeboten. Sie will auch diese Hilfe annehmen.

Weitere Artikel aus der Kategorie: Offenburg

Die B33 war zwischen Berghaupten und Gengenbach wegen eines Auffahrunfalls gesperrt.
vor 1 Stunde
Auffahrunfall mit Verletzten
Bei einem Auffahrunfall zwischen Berghaupten und Gengenbach sind nach ersten Informationen der Feuerwehr am Mittag mehrere Menschen verletzt worden. Die B33 war kurzzeitig gesperrt.
Natürlich versteckt der Osterhase die Ostereier – und auch wer daran nicht mehr glaubt, freut sich an den Feiertagen zumindest auf schöne Stunden mit seinen Liebsten.l
vor 2 Stunden
Offenburg
Ostern ist ein Fest für die ganze Familie. Das ist auch bei bekannten Offenburgern nicht anders. Das OT hat sie nach ihren Plänen und nach schönen Kindheitserinnerungen gefragt.
vor 5 Stunden
Offenburg
Traditionell oder außergewöhnlich, zuhause oder unterwegs mit Familie und Freunden: Wir haben fünf Menschen aus Offenburg gefragt, wie sie dieses Jahr ihr Osterfest verbringen.
Das bedeutendste Offenburger Kunstdenkmal, der Offenburger Ölberg aus dem Jahr 1524, erzählt detailreich die Geschichte vom Verrat an Jesu an Gründonnerstag.
vor 23 Stunden
500 Jahre Ölberg
500 Jahre Ölberg: Seit mindestens einem halben Jahrtausend besteht der Offenburger Ölberg, der 1524 erstmals erwähnt wurde. Da das bedeutende Kunstdenkmal die Geschichte vom Verrat an Jesu an Gründonnerstag erzählt, erinnert das OT heute an dieses Jubiläum.
Vernissage der Ausstellung des VON (von links): Rüdiger Stadel (Mitglied kultureller Beirat der Vereinigung Schwäbisch-Alemannischer Narrenzünfte), Martin Seidel (Sparkasse Kinzigtal), Stefan Medel (Zunftmeister Gengenbach), Theo Schindler (Narrenmeister VON), Gunther Seckinger (VON-Vogt Ortenau), Thomas Rautenberg (Museumsleiter), Christian Daxer (Narrenrat), Gudrun Reiner (Vize-Narrenmeisterin VON), Thorsten Erny (Bürgermeister), Rudi Maurer und Gündüz Askin (beide Narrenräte).⇒Foto: Thomas Reizel
28.03.2024
Ausstellung des Verbandes Oberrheinischer Narrenzünfte
Das Gengenbacher Narrenmuseum startet am Samstag in die neue Saison. Und es hat für ein Highlight gesorgt: Der Verband Oberrheinischer Narrenzünfte präsentiert sich mit ausgewählten Exponaten in der Türmerstube des Niggelturms.
Großen Zulauf hatte bei der Jobbörse der Infostand der Zimmerei Irslinger. Auch Bürgermeister Martin Holschuh (hinten Mitte), Rektorin Henrike Scharsig (vorne rechts) und Organisator Alexander Beathalter (links neben der Rektorin) waren an den Ständen unterwegs.
28.03.2024
"Quelle der Inspiration"
Rund 30 Firmen haben sich bei der dritten Schutterwälder Jobbörse am vergangenen Freitag in der Mörburghalle präsentiert. Unternehmen und Veranstalter ziehen eine positive Bilanz.
Auch im Fürstenberger Hof in Unterharmersbach startet ab April die Museums-Saison wieder. 
28.03.2024
Ein Besuch lohnt sich
Ab April ist geöffnet, im Storchenturm kann ab Ostersonntag Stadtgeschichte geschnuppert werden.
Luise Schubert feiert ihren 95. Geburtstag in ihrem Geburtshaus in Offenburg. 
28.03.2024
Offenburg
Die Offenburgerin Luise Schubert wird am Donnerstag 95 Jahre alt. Seit ihrer Geburt wohnt sie in der Kronenstraße in der Offenburger Vorstadt.
Das Windschläger Orchester trat mit dem Jugendorchester "Jowibo" unter der Leitung von Dirigent Philip Ott auf.
28.03.2024
Heiße Rhythmen aus Afrika
Beim Jahreskonzert des Musikvereins Windschläg am Samstag wurde das Publikum musikalisch nach Afrika entführt. Jugend- und großes Orchester hatten auch einen gemeinsamen Auftritt.
CDU-Kandidaten in Fessenbach (oben von links): Marc Zöller, Marcus Jogerst-Ratzka, Josef Hugle, Monika Freund (in der Mitte von links), Ludwig Holl, Katja Manandhar sowie (unten von links) Paul Litterst und Stephan Seitz.
28.03.2024
CDU-Kandidaten für Ortschaftsrat
Die CDU Fessenbach hat im Gasthaus "Linde" ihre Liste für die Ortschaftsratswahl am 9. Juni aufgestellt.
In der Brückenhäuserstraße wurde ein neuer Point of Presence, also ein Verteiler fürs schnelle Internet, aufgestellt. Dieser steht nahe des Gymnasiums.
28.03.2024
Schritt für schnelles Internet
Der Anschluss Gengenbachs an das Glasfasernetz ist einen Schritt nähergerückt: Am Freitag hat die Breitband Ortenau GmbH & Co. KG in der Brückenhäuserstraße nach eigenen Angaben vom Dienstag einen Point of Presence errichtet.
Ehrungen (von links): Silke Merzweiler (geehrt für 25 Jahre Mitgliedschaft) mit dem Vorsitzenden Jürgen Britsch und Reinhard Brunner, langjähriger Beisitzer, der aus dem Vorstand verabschiedet wurde.
28.03.2024
Generalversammlung
Generalversammlung des RMSV Bohlsbach: Bei den Neuwahlen wurden die Vorstände in ihren Ämtern bestätigt.

Das könnte Sie auch interessieren

- Anzeige -
  • HYDRO liefert etwa Dreibockheber für die Flugzeugwartung. 
    26.03.2024
    HYDRO Systems KG und Rhinestahl fustionieren
    HYDRO Systems KG und Rhinestahl schließen sich zusammen. Mit diesem Schritt befinden sich die Kompetenzen in den Bereichen Ground Support Equipment (GSE) und Aircraft- & Engine Tooling unter einem Dach.
  • Alle Beauty-Dienstleistungen bietet die Kosmetik Lounge in Offenburg unter einem Dach.
    26.03.2024
    Kosmetik Lounge Offenburg: Da steckt alles unter einem Dach
    Mit einer pfiffigen Geschäftsidee lässt Elena Plett in Offenburg aufhorchen. Die staatlich geprüfte Kosmetikerin denkt "outside the box" und hat in ihrer Kosmetik Lounge ein außergewöhnliches Geschäftsmodell gestartet.
  • Konfetti, Flitter und Feuerwerk beschließen die große Preisverleihung im Forum-Kino in Offenburg. Die SHORTS feiern 2024 ihr 25. Jubiläum. 
    26.03.2024
    25 Jahre SHORTS – 25 Jahre Bühne für künftige Filmemacher
    Vom kleinen Screening in 25 Jahren zum gewachsenen Filmfestival: Die SHORTS der Hochschule Offenburg feiern Jubiläum. Von 9. bis 12. April dreht sich im Forum-Kino Offenburg alles um die Werke junger Filmemacher. Am 13. April wird das Jubiläum im "Kesselhaus" gefeiert.
  • Das LIBERTY-Team startet am Mittwoch, 27. März, in die Afterwork-Party-Saison. 2024 finden die Veranstaltungen in Kooperation mit reiff medien statt. 
    22.03.2024
    Businessaustausch jetzt in Kooperation mit reiff medien
    Das Offenburger LIBERTY startet mit Power in die Eventsaison: Am Mittwoch, 27. März, steigt die erste XXL-Afterwork-Party mit einem neuen Kooperationspartner. Das LIBERTY lädt zusammen mit reiff medien zum zwanglosen Feierabend-Businessaustausch ein.