Michael Sauer war Arzt - nun verkauft er Burger
Unternehmerische Freiheit – die fehlte Michael Sauer im Gesundheitssystem. Deshalb gab der Arzt seine Praxis auf und wechselte in die Gastronomie. Er kümmert sich um McDonald’s-Restaurants in Offenburg und Kehl.
Keinen Tag hat Michael Sauer seine Entscheidung bedauert – obwohl es auch Durststrecken gab. »Aber so ist das als Unternehmer: Wer glaubt, es geht nur bergauf, ist falsch«, sagt der promovierte Arzt, der die Mc-Donald’s-Restaurants in Offenburg und Kehl führt. Er spricht von Höhen und Tiefen; letztere gab es gerade in Kehl, als das Schnellrestaurant zwar von der Haupteinfahrtsstraße zu sehen, aber nicht zu erreichen war. »Wir hatten ewig eine Baustelle vor dem Haus, keine Straße führte wirklich zu uns hin«, erinnert er sich. Und auch derzeit macht Kehl nicht ganz so viel Freude wie sonst. Die französische Kundschaft fehlt. »Wie mir Freunde berichten, ist hier der einzige französisch-deutsche Grenzübergang, an dem so streng kontrolliert wird«, sagt er.
Und trotzdem: Er ist sein eigener Herr, er hat es in der Hand, er stellt die Weichen. Denn der fehlende Spielraum war es, der den Mediziner aus seinem ursprünglichen Beruf verprellt hat.
Geboren im Kraichgau, studierte er nach dem Bund in München Medizin. Sein Vater, der Chirurg war, hatte seine Entscheidung allerdings nicht beeinflusst. Nachdem er mehrere Jahre Berufserfahrung gesammelt hatte, wollte er als Allgemeinarzt arbeiten. Als sich eine Praxis in München zum Kauf anbot, schlug Sauer zu und merkte rasch: »Es war ein Flop, ich habe viel zu teuer gekauft.« Statt einer Patientenkartei schlug er sich mit Karteileichen herum. Der Frust war groß.
Schon damals regte sich sein Unternehmergeist: »Ich habe alles daran gesetzt, den Laden so schnell wie möglich profitabel zu machen.« Nach rund 1,5 Jahren war dies gelungen. Sauer hat die Praxis trotzdem an eine Bekannte verkauft, weil ein Neustart in der Heimat seiner Frau anstand.
Auch dort richtete er seine eigene Praxis ein. Eigentlich ganz nett, aber »die Leistungsanbieter im Gesundheitswesen waren und sind der Spielball der Politik«. Von den Standesvertretern fühlte er sich im Stich gelassen: »Die klüngelten mehr mit der Politik, als dass sie unsere Interessen vertraten.« Er war unzufrieden und nahm seinen Unmut mit nach Hause: »Ich war nur am Meckern und nervte meine Familie.«
Nachdem er die Entwicklungen von den 60er- bis in die 80er-Jahre beobachtet hatte, stand für ihn fest: »Wenn diese Linie fortgesetzt wird, wird das auf Dauer nicht lustig.« Insbesondere die Einschränkung der unternehmerischen Möglichkeiten verdeutlichten ihm immer mehr, dass »das nicht meine Zukunft ist«. »Dann ändere was«, forderte seine Frau ihn auf.
Sauers erste Idee: Biergarten statt Praxis. Aber das habe der Bürgermeister hintertrieben, der dann auch prompt nicht mehr wieder gewählt wurde. Da streckte der Doktor zum ersten Mal seine Fühler Richtung McDonald’s aus. Allerdings benötigte er Kapital, um ins Franchise-Unternehmen einzusteigen. Und das hatte der junge Familienvater nicht: »Es steckte in der Praxis.« Alternativ bewarb er sich bei der Pharmaindustrie; bundesweit interessierten sich Headhunter für den Mann vom Fach. Trotzdem entschied er sich für einen wohnortnahen Standort und landete so wieder in München, wo er im Management und Marketing arbeitete. »Spannend, aber nicht die Erfüllung«, resümierte er bald.
Er sparte weiter für das große Ziel, während seine Frau die Schulung beim Burger-Konzern mitmachte. »Damals suchten sie insbesondere Frauen«, erinnert sich Sauer. Er bekam mit, wie das Unternehmen tickte, und war überzeugt: »Die sind an einer langjährigen Zusammenarbeit interessiert.« 20 Jahre laufen Verträge in aller Regel. Was er auch anders erlebte als im medizinischen Bereich: »Die Zusammenarbeit ist von einem gemeinsamen Interesse geprägt: Die Leute vom Konzern wollen, dass du Erfolg hast.«
Als die Chance kam, das Haus zu verkaufen, nutzte er diese, mit dem Kapital stieg die Familie in Offenburg ins Burger-Geschäft ein. »Der Konzern selbst hatte das Restaurant gebaut und an uns verkauft«, erinnert er sich an die ersten Schritte im Jahr 1991.
Ein Jahr später war auch er in Offenburg zur Stelle und krempelte die Ärmel hoch: Ein Team führen, Service bieten – im eigenen Restaurant war das machbar. »Ich hasse Zeichen setzen, ich bin immer fürs Machen«: Mit dieser Philosophie kümmert er sich weiter um die beiden Restaurants und den Satelliten in der Offenburger Innenstadt. Das lebt er auch, wenn er in seinen Restaurants vorbeikommt. »Piepsen« die Pommes, ist er zur Stelle: »Nach 15 Sekunden müssen sie abgeschüttelt werden, sonst werden sie zu fettig.«
HINWEIS: In der nächsten Folge lesen Sie, warum Nina Just sich entschieden hat, vegan zu leben.
Hier finden Sie alle Folgen der Serie im Überblick
Stationen
◼ Am 23. Oktober 1951 geboren.
◼ Zunächst nahm Sauer 1970 ein Informatikstudium auf.
◼ Nach einem Semester wurde er einberufen, und 1972 vorzeitig entlassen, weil er einen Studienplatz für Medizin hatte.
◼ 1978 legte er sein Examen ab und schloss 1979 das praktische Jahr an.
◼ Er arbeitete in Fürstenfeldbruck, 1984 übernimmt er seine erste Praxis in München.
◼ 1986 gründet er seine Praxis bei Fürstenfeldbruck.
◼ Von 1989 bis 1992 arbeitete er für die Pharma–industrie im Management und Marketing.
◼ Die Familie kann Haus und Praxis verkaufen. 1991 erwirbt seine Frau den 1990 erbauten McDonald’s in Offenburg.
◼ 1998/99 eröffnete er den McDonald’s in Kehl.
◼ 2003 übernimmt er den McDonald’s von seiner Frau offiziell, den er seit 1999 alleine geführt hat.
◼ 2016 übergibt er die Restaurants an Sohn Nikolaus und berät das Unternehmen künftig. bek