»Intensives Erlebnis für alle!«
Ein erfolgreiches Projekt ging zu Ende: 86 Kinder in der ersten und 74 in der zweiten Woche besuchten die Gengenbacher Kinderstadt. Insgesamt waren 35 Betreuer im Einsatz unter der Leitung von Christine Weygoldt-Barth vom Familien- und Seniorenbüro sowie Jugendreferentin Dorothee Scheibel. Wir sprachen mit den Hauptorganisatorinnen über die sechste Auflage dieser Aktion.
Frau Scheibel, für Sie war diese Kinderstadt ein erstmaliges Erlebnis. Wie war denn diese Premiere?
Scheibel: Ein Erlebnis der besonderen Art. Fast 90 Kinder, rund 35 Betreuer – ein riesengroßes Planspiel, das alle immer wieder begeistert. Jetzt weiß ich auch warum!
Die Mischung zwischen angeleiteten Tätigkeiten in den einzelnen Betrieben und dem freien Spielen und Spazieren durch die Kinderstadt, diese Auswahl und Vielfalt ist für die Kinder prima. Sie können sich ausprobieren und nehmen das Kinderstadt Leben sehr ernst. Dieses Planspiel mitzuleiten war sehr spannend und ich hätte mir keine bessere Partnerin als Christine Weygoldt-Barth wünschen können.
Frau Weygoldt-Barth, Sie als Frau der ersten Stunde dieser Kinderstadt können einige Vergleiche ziehen. Gibt es prägnante Unterschiede zwischen der ersten Kinderstadt 2005 und dieser sechsten?
Weygoldt-Barth: Die Unterschiede sind nicht so groß wie man vielleicht denkt. Also das Klischee von der Jugend, die früher besser war, ist absolut nicht zutreffend. Es gibt einfach die ganze Bandbreite von Kindern, von hochmotiviert und eigenständig bis zu denen, die etwas mehr Unterstützung brauchen. Um aber trotzdem noch ein Beispiel zu geben: die Kinder der ersten Kinderstadt haben sich damals bei einer Umfrage mit nahezu 100 Prozent für eine Übernachtung ausgesprochen und diese dann auch mitgemacht; heute sind es nur noch etwa 35 Prozent.
Was hat Sie besonders berührt oder verwundert in diesen zwei Wochen?
Scheibel: Die Kinderstadt ist für alle ein sehr intensives Erlebnis. In diesen zwei Wochen lernt man viele unterschiedliche Persönlichkeiten kennen. Mich berühren immer wieder Momente, wo Kinder sich öffnen und sich eine Beziehung entwickelt.
Weigoldt-Barth: Mich hat besonders berührt, dass sich unsere beiden Asylbewerber (eine Teilnehmerin und ein Juniormitarbeiter) so wohlgefühlt haben und wirklich mittendrin waren. Immer wieder berührend finde ich, wie empathisch und fürsorglich auch schon ganz junge Kinderstadt-Bürger/-innen oft sind.
Gibt es überdies neue Erfahrungen oder Erkenntnisse im Umgang mit Kindern?
Scheibel: Von unseren Mitarbeitern haben wir die Rückmeldung bekommen, dass die Kinder sehr motiviert und konzentriert bei der Sache waren.
Mich selbst hat doch überrascht wie ernst die Kinder das Leben in der Kinderstadt nehmen. Obwohl ja alle wissen, dass die Kinderstadt ein zeitlich begrenztes Spiel ist, sparen viele eisern und man musste die Kinder oft darauf hinweisen, ihre Piepen auch auszugeben.
Weygoldt-Barth: Neue Erkenntnisse vielleicht nicht, aber es ist unglaublich spannend, die Entwicklung von Kindern zu erleben, die schon zum wiederholten Mal in der Kinderstadt sind. Meine Highlights sind immer die Momente wo Kinder, die im schulischen Kontext nicht so erfolgsverwöhnt sind, ihre Fähigkeiten unter Beweis stellen und so ihre Erfolgserlebnisse haben.
Welche Resonanzen zum Beispiel von Eltern gab es bereits?
Scheibel: Die Rückmeldungen sind sehr positiv. Einige Eltern haben auch ihre Mithilfe für die nächste Kinderstadt angeboten.
Weygoldt-Barth: Viele Eltern haben sich darüber geäußert, wie vielseitig und aufwendig das Angebot ist. Es ist schön, dass die Arbeit, die darin steckt, auch wahrgenommen wird.
Und die neuen Betreuer meisterten problemlos den Unterschied zwischen Theorie und Praxis?
Scheibel: Zwischen Theorie und Praxis schon. Das Problem war eher den Wunsch des »Selbst-Spielens« zu unterdrücken und die Betreuerrolle wieder stärker in den Fokus zu rücken. Gerade bei den neuen Juniormitarbeitern (ab 13 Jahren) war dies oft ein Thema.
Weygoldt-Barth: Für manchen (Junior)-Mitarbeiter war die Kinderstadt-Wirklichkeit trotz intensiver Vorbereitung sicher ein »Schock«. Bis zu sechs Kinder gleichzeitig anzuleiten und dabei die Anforderungen, wie beispielsweise rechtzeitig die Mittagsmahlzeit fertig zu haben oder die tägliche Ausgabe der KIZ druckfertig zu machen, zu bewältigen, ist nicht einfach.
Die Kinder fordern eine permanente Präsenz. Da wird ein Betriebsausflug in die Sportabteilung oder der kurze Plausch mit den Kollegen zur echten Entlastung.
Umso wichtiger, dass einige feste und ältere Größen dabei sind, oder?
Weygoldt-Barth: Genau. Ein solches Projekt ist nur zu stemmen, wenn Einige schon wissen wie der Hase läuft und selbst mitdenken. Ohne die langjährigen bewährten Kräfte wäre das nicht vorstellbar. Sie sind unsere Felsen in der Brandung. Und wenn dann noch eine Partnerin wie Dorothee Scheibel in der Leitung ist, die neue Impulse setzt (wie etwa das Kinderstadt-Buch) ist das eine perfekte Mischung.
Allerdings ging die Zahl der Kinderstadtbürger etwas zurück. Woran liegt das wohl?
Scheibel: Ich denke, man merkt hier schon die ersten Auswirkungen des demografischen Wandels. Andere Städte haben mit ihren Ferienprogrammen ähnliche rückläufige Zahlen.
Außerdem ist das Angebot an Ferienaktivitäten inzwischen riesig. Die Pluralität der Familienkonstellationen macht eine Planung oft schwierig, und bestimmte Gruppen erreichen wir leider nicht. Was aber letztlich die Gründe sind, ist Spekulation.
Die siebente Kinderstadt 2016 wird also tendenziell nicht auf drei Wochen ausgebaut?
Scheibel: Nein, aber wir werden auf jeden Fall die Konzeption neu überdenken.
Weygoldt-Barth: Die dreiwöchige wird es definitiv nicht geben. Im Oktober findet die halbtägige Reflexion mit den Mitarbeitern statt. Mal sehen, welche Erkenntnisse wir gewinnen. Von unserer Seite gibt es allerdings schon gewisse Überlegungen… nach der Kinderstadt ist vor der Kinderstadt!