Kreativzentrum: Verein steigt aus Planung aus
Paukenschlag: Der Verein »Spinnerei – Kreativraum am Mühlbach« wird sich nicht an der Entwicklung eines Kreativwirtschaftszentrums im Schlachthof beteiligen. Die Stadt bedauert dies, will das Projekt aber dennoch weiter vorantreiben – und hält die Tür für den Verein offen. Der wirft der Stadt jedoch vertrauensschädigendes Verhalten vor.
Offenburg. In einer Pressemitteilung informierte der Spinnerei-Verein gestern über das Votum einer außerordentlichen Mitgliederversammlung. Demnach wird der Verein nicht in eine Arbeitsgruppe zur Entwicklung eines Kreativwirtschaftszentrums im Schlachthof eintreten.
Ressourcen strapaziert
Als Begründung führt Vorstandsmitglied Benjamin Huber aus, dass die ergebnislose dreijährige Zusammenarbeit die ehrenamtlichen Kraftressourcen der Mitglieder stark strapaziert habe. Das »vertrauensschädigende Verhalten« der Stadt in Bezug auf den Verkauf des Kesselhauses habe den Mitgliedern gezeigt, dass keine Zusammenarbeit auf Augenhöhe stattfinde.
Der Verein habe der Stadt mehrfach mündlich und schriftlich mitgeteilt, dass trotz der Ende 2015 gescheiterten Bemühungen, ein Kreativwirtschaftszentrum im Webereihochbau zu etablieren, weiterhin großes Interesse an einer kulturellen beziehungsweise künstlerisch-kreativen Verwendung des Kesselhauses bestehe. Schon in dem im März 2014 vom Verein verfassten Konzept sei ausdrücklich darauf hingewiesen worden, dass der Verein eine Nutzung und Zugänglichkeit des Kesselhauses für alle interessierten Bürger anstrebe.
Auslöser Kesselhaus
Der Verlust des Kesselhauses an ein privatwirtschaftliches Unternehmen und die Tatsache, dies im August aus dem Offenburger Tageblatt zu erfahren, habe dem Vertrauen der Mitglieder in die Zusammenarbeit mit der Stadt nachhaltig geschadet. Der Verein sei daher nicht mehr bereit, seine umfangreichen kreativwirtschaftlichen Kenntnisse in die Arbeit in dem Schlachthofgremium zu investieren.
Die Stadt bedauere dies sehr, hieß es gestern in einer Stellungnahme aus dem Rathaus. In einem ausführlichen Gespräch mit dem Vereinsvorstand hätten OB Edith Schreiner sowie die Bürgermeister Oliver Martini und Hans-Peter Kopp vor einigen Wochen die Entwicklungen im Zeitablauf transparent dargelegt und deutlich gemacht, dass die Verfügungsgewalt über das Kesselhaus nicht mehr bei der Stadt gelegen habe.
»Nicht optimal gelaufen«
Man finde es schade, dass die bislang meist gute und vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen der Stadt und dem Verein »durch ein Missverständnis« einen derartigen Dämpfer erfahren habe und nun mehr oder weniger aufgekündigt werde. Insgesamt sei die Kommunikation mit dem Verein zuletzt »nicht optimal gelaufen«, räumt die Stadt ein.
Sie kündigt in der Stellungnahme zugleich ein, dass der Auftrag des Gemeinderats vom 14. Dezember 2015, den Schlachthof zu einem Kultur- und Kreativwirtschaftlichen Zentrum weiterzuentwickeln, weiterhin bestehe. Demnach sollte den zuständigen Gremien unter Einbindung des Spinnerei-Vereins im Frühjahr ein Projektplan vorgelegt werden – die Abstimmungen hätten in den nächsten Wochen stattfinden sollen. Die Verwaltung kündigte an, noch einmal ausloten zu wollen, ob diese Zusammenarbeit mit dem Verein vielleicht doch noch möglich ist. Es sei aber auf jeden Fall geplant, das Projekt weiter zu verfolgen und im nächsten Frühjahr den Gremien die Planung vorzustellen.
Stadt hat Bringschuld
Schade, schade, schade! Aber dass der Spinnereiverein den Bettel hinwirft, ist nur konsequent. Er hätte dies eigentlich schon tun müssen, nachdem er von der Stadt Ende 2015 Millimeter vor dem Ziel ausgebremst wurde und sich der Traum vom Kreativwirtschaftszentrum im Webereihochbau und im Kesselhaus nach jahrelangem ehrenamtlichen Planen als nicht finanzierbar herausstellte. Damit war der Enthusiasmus des Vereins genommen, der Rest war Sterben auf Raten.
Dass nun das Wirrwarr über die vielleicht doch noch für möglich gehaltene Verfügbarkeit des Kesselhauses als Sargnagel herhalten muss, nun ja. Aber es steht sinnbildlich für die zerstörte Chemie und die schon lange nicht mehr funktionierende Kommunikation zwischen Stadt und Spinnerei-Verein.
Die Rathausspitze hat nun eine Bringschuld, das Kultur- und Kreativzentrum in geeigneter Form selbst auf die Beine zu stellen. Denn sonst wandern die vielen Kreativschaffenden, die nicht zuletzt die Hochschule hervorbringt, in andere Städte ab, was aufgrund des ständig wachsenden Potenzials ein enormer Verlust wäre.
Die Stadt ist folglich bei der Entwicklung des Schlachthofareals in der Pflicht. Wohngebiet Nummer 77 will dort sicher keiner.