Diersburg: Leben in der Toskana der Ortenau
Wie gut sind unsere Dörfer? Gibt es noch Friseure, Bäcker oder Gaststätten im Ort? Im OT-Dorfcheck nehmen wir die Stärken und Schwächen der Ortschaften unter die Lupe. Heute: Diersburg.
Wilfried »Billy« Hättig, der stellvertretende Bürgermeister, ist ein Schlitzohr – unser Gespräch über Diersburg führen wir an der Boccia-Bahn. Das gibt gleich Pluspunkte für den Ort: Hier, oberhalb der Tennisplätze, ist es idyllisch schön. Und die Bocciabahn zeigt auch, wie Diersburgerin und Diersburger ihren Ort leben – sie halten zusammen. Beim Bau der Bahn, erst als reichlich verstiegene Kopfgeburt von Billy Hättig belächelt, halfen die Diersburger genauso zusammen wie bei der 750-Jahr-Feier 2007.
Von daher gesehen zieht auch der liebevolle Witz nicht, der in Hohberg kursiert: Neil Armstrong besucht Deutschland. Dann will er Diersburg sehen, weil er schon immer mal wissen wollte, wie es hinterm Mond aussieht. Darüber lachen die Diersburger, weil’s halt nicht stimmt. Und Billy Hättig nutzt seine Stunde mit der Presse, um zu beweisen, wie wenig sein Diersburg tatsächlich hinter dem Mond liegt.
»Wir sind die Toskana der Ortenau«, entgegnet er selbstbewusst. Und der Ort hat, wovon andere träumen: Feriengäste. Manche kommen regelmäßig seit den 1960er-Jahren. Einfach schön seien etwa der Schlosspark und der Steinbruch. Das Dorf hat seine anheimelnden Winkel. Dazu seit 700 Jahren ein Adelsgeschlecht (Roeder von Diersburg), das eine durchaus prägende Rolle für den Ort einnimmt. »Man kann hier heile Welt leben«, sagt Billy Hättig. Das Bild wird von Vereinen abgerundet, die »wahnsinnig gut« zusammenhalten und denen Neid fremd sei. Das drücke sich auch darin aus, dass einen jeder grüßt, auch wenn er den anderen nicht kennt – wie es Wilfried Hättig selbst erlebte, als er vor über 20 Jahren aus Offenburg hierher zog.
Wie wenig die Diersburger hinterm Mond leben, zeige sich auch an der Bäckerei Feißt – die habe »schon ewig« sonntags Brötchen verkauft, als andere noch gar nicht daran dachten. Entsprechend lang waren die Schlangen, auch von Auswärtigen.
Im Ort gebe es mit dem Lebensmittelmarkt die Grundversorgung, und dann so erstaunliche Dinge wie ein Geschäft für Fernsehtechnik, Elektronik und Computersachen. Ein Wunsch wäre eine Tagesbetreuung für Pflegebedürftige – die übernehme heute das Betreute Wohnen als Nachbarschaftshilfe, aber besser wäre ein stationäres Angebot. Das ehemalige Gasthaus Hirsch wird abgerissen, vielleicht könnte da ein entsprechender Neubau entstehen – spekuliert der stellvertretende Bürgermeister. Ein Haus in der Ortsmitte für Pflegebedürftige ist also einer der Wünsche Hättigs – bisher orientieren sich die Diersburger eher nach Hofweier, ins Haus Sonnenschein.
Die Busverbindungen nach Zunsweier und Lahr hat der Gemeinderat vor Kurzem verbessert, wobei entscheidende Impulse aus der Bevölkerung kamen. »Der Bus aus Zunsweier stand auf halber Strecke, jetzt fährt er bis zu uns.«
Eigener Treff
Die Jugend hat ihren eigenen Treff – hinter dem ehemaligen Schwimmbad. Schön abgelegen, ist das ideal für Jugend und Erwachsene. Von Problemen hat er nicht gehört. An Schulen sei in Hohberg auch fast alles vorhanden. Die eigene Grundschule arbeite prima.
Die zwei Kneipen (Linde und Kegelstube) reichen und decken laut Billy Hättig alles ab, was man sich wünscht; einschließlich des gut besuchten Rentnerstammtischs.
Und wenn’s noch so schön ist – auch Diersburg ist nicht perfekt. Billy Hättig hat Wünsche. Einer betrifft die schlechte Internetverbindung. Hättig: »Die ist nicht so doll.« Man sei dran, eine wirkliche Lösung gebe es aber noch nicht. Hättig kann sich die Versorgung via Satellit vorstellen. Und dass beim Bau des Radweges von Zunsweier nach Hofweier kein schnelles Internetkabel verlegt wurde, ist für ihn ein echtes Versäumnis.
Wenn man so gerne Diersburger ist, dann fällt es manchen schwer, gleichzeitig Hohberger zu sein. Das hat Hättig bei den Älteren ausgemacht, doch das ändere sich zunehmend. Weitere Wünsche? »Bessere Straßen«, sagt Billy Hättig und lacht – wohl, weil das Problem viele Orte betrifft. Aber die Straße ins Diersburger Hintertal hätte eine Frischzellenkur wirklich bitter nötig. Vielleicht sollte man hier warten, bis das Hochwasserschutzbecken gebaut sei – was sich wegen der Einwendungen verzögert hatte. Hättig: »Mittlerweile haben die meisten Leute erkannt, es ist notwendig.« Sei es einmal gebaut, sehe man es kaum. Aber man brauche es. Die Mehrheit der Diersburger habe sich das Becken in Niederschopfheim angesehen und sage jetzt: »Da sieht es gut aus.«
Schlagen wir einen Bogen zurück zu dem Diersburger Ereignis, der 750-Jahr-Feier. In zwei Jahren jährt es sich zum zehnten Mal – und viele denken darüber nach, ein kleines Revival zu machen. Die Vereine haben sich deswegen schon getroffen. Billy Hättig: »Das geht aber nur, wenn viele mitziehen.« Doch es müsste schon mit dem Teufel zugehen, wenn die Diersburger das nicht schaffen – schließlich halten sie ja zusammen, wie wir jetzt wissen.