Offenburg

Misshandelter Obdachloser: »Bedauerlicher Einzelfall«

Christian Wagner
Lesezeit 3 Minuten
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27. Februar 2015
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(Bild 1/5) »Alles tut weh«: Noch immer ist der Wohnungslose Dieter Hansen (62) von dem Übergriff am Montagabend gezeichnet. ©Ulrich Marx

Er lag wehrlos in seiner Schlafstätte in der Gustav-Rée-Anlage, als ihn Unbekannte heimsuchten – zunächst mit dem Schaum eines Feuerlöschers, dann mit Fäusten. Dieter Hansen (62) ist noch immer entsetzt und enttäuscht, dass so etwas passieren kann. Die Polizei spricht von einem »Einzelfall«.

»Das möchte­ ich nicht noch einmal erleben«: Die Stimme von Dieter Hansen wird brüchig, wenn er von den Vorfällen am Montag berichtet. Wie jeden Abend hatte es sich der Obdachlose in seinem kärglichen Quartier in der Gustav-Rée-Anlage gemütlich gemacht, als plötzlich drei Jugendliche, zwei Jungen und ein Mädchen, über ihn herfielen. Völlig ohne Grund und wohl als »witzig« gedacht, besprühte das Trio den 62-Jährigen mit Schaum aus einem Feuerlöscher. »Ich war fast blind«, beschreibt Hansen diesen schlimmen Moment.

Glücklicherweise habe ein Anlieger der Wilhelmstraße den Übergriff gesehen und sei ihm zu Hilfe geeilt. »Lasst den Mann in Ruhe!«, habe er gerufen und damit die Angreifer verscheuchen können. »Und zwei Stunden später habe ich die Schläge bekommen«, berichtet Hansen mit Tränen in den Augen. Die Jugendlichen hätten sich wohl beleidigt gefühlt, mutmaßt er, »aber die haben doch einen Fehler gemacht, nicht ich – ich saß ja nur da«, erzählt er.

Aber das hat offenbar gereicht, dass er zum Opfer wurde. Der Angreifer habe ihm mehrere Hiebe »mit einer Kugel« verpasst, eine Bekannte, mit der er sich gerade über eine mögliche Wohnung unterhalten habe, habe um Hilfe gerufen und so den Wüterich vertrieben. Hansen ist »enttäuscht« über den Vorfall. In all den Jahren auf der Straße sei ihm noch nie etwas passiert. Man erlebe derzeit »eine etwas unruhige Phase«.

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Aber ein grundsätzliches Sicherheitsrisiko für Obdachlose in Offenburg sieht Eva Christoph, Leiterin des St. Ursulaheims, nicht. Auch die Polizei wertet den Übergriff als »Einzelfall«. Eva Christoph verurteilt den Angriff aufs Schärfste. Obdachlose seien Menschen mit einer eigenen Würde, die ihre Lebensform auf der Straße oft bewusst gewählt hätten. »Auf jemanden einzuprügeln, der schläft und wehrlos daliegt, ist wahnsinnig und durch nichts zu rechtfertigen«, so Christoph.

Hansen, der Sanitätshelfer, Sozialarbeitshelfer, Güteprüfer, Statistiker, Autoschlosser, Schriftsteller und vor allem Computerfachmann als seine Berufe nennt, ließ seine Verletzungen im Klinikum und im Ursulaheim behandeln, doch noch immer »tut alles weh«. An Kopf und Auge hat er Platzwunden, die Lippen sind geschwollen. Trotzdem geht er wieder seinem Tagesrhythmus nach, sitzt von 7 bis 13 Uhr an seinem Platz gegenüber vom Metzger Burg.

Traum von Wohnung
Der 62-Jährige (»Ich hasse Alkohol«, geschieden, vier Kinder) träumt von einer eigenen Wohnung. Dann würde ihm auch das Geld besser reichen. Derzeit trinke er zehn Tassen Kaffee pro Tag und gebe dafür zwölf Euro aus. »Dafür könnte ich ein Kilo Kaffee kaufen und in meiner Wohnung zubereiten. Das würde dann für einen Monat reichen«, sagt Hansen. Außerdem würde er gerne Unterricht in Mathematik und Geometrie geben und so etwas Geld dazuverdienen. Dafür brauche es aber ein eigenes Zuhause.

Bis dieser Traum wahr wird, schlägt er sich in der Gustav-Rée-Anlage durch. »Der Platz ist gut, da sind viele Fußgänger mit Hunden – die passen auf mich auf«, sagt er. Außerdem umsorgen ihn manchmal die Schwestern vom nahen Kloster mit warmen Getränken. »Die liebe ich dafür.«

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