Mit Habicht und Frettchen auf Kaninchenjagd
Ungewöhnliches Treiben auf dem Weingartenfriedhof: Mit Frettchen und Habicht geht Falkner Daniel Müller (38) auf Kaninchenjagd. Die Friedhofsverwaltung hat ihn wegen der Kaninchenplage engagiert.
Beizjagd auf Kaninchen und Wühlmäuse auf dem Friedhof Weingarten: Falkner Daniel Müller geht bedächtig den Zugang hoch. Links auf der Hand Habicht Porscha, rechts ein Kästchen. Darin raschelt’s: »Hier sind die beiden Frettchen drin«, erklärt der Falkner. »Die haben es gerne kuschelig.«
Hans-Jürgen Jäger leitet die Friedhofsverwaltung. Er zeigt zuerst einige Stellen, an denen Kaninchen gegraben oder Wühlmäuse ihre Löcher haben. Auf dem Rasenstück vor dem Büro sieht man die Nager regelmäßig fressen. »Schauen wir zuerst, ob sich irgendwo im Gelände ein Kaninchen im Gebüsch versteckt«, schlägt Daniel Müller vor und man geht über den Friedhof. »Viele Kaninchen kommen aus der Umgebung auf den Friedhof, haben hier keinen Bau. Hier finden sie zu fressen und sind sicher vor den Jägern.« Jedes Gebüsch klopft Müller ab, mit Argusaugen vom Habicht beobachtet. In größere Flächen dringt der Falkner ein, schaut unter die Sträucher, umrundet die Rhododendren. Wir bleiben auf dem Weg, stapfen wieder über den nassen Rasen. Es ist ungemütlich feucht-kalt.
Über 20 Kaninchen erlegt
Der Habicht schlägt schon ungeduldig mit den Flügeln, will von der Faust. »Er will jagen und weiß, dass wir das von ihm erwarten«, erläutert Müller. Er hat heute nur das Habichtweibchen dabei. Sie ist erfahren, hat im letzten Jahr über 20 Kaninchen erlegt, war auch bei der letzten Jagd auf dem Friedhof erfolgreich.
Die Friedhofsgärtnerinnen werden gefragt. »Nein, wir haben heute noch keine Kaninchen gesehen«, sagen sie und erzählen von den Beschwerden, wenn wieder einmal ein Grab zerwühlt worden ist. Sie haben besonders im Herbst viele Löcher zugeschüttet.
Müller lässt sich nicht aus der Ruhe bringen. »Das feuchte Wetter ist nicht günstig«, weiß er. »Da liegen die Kaninchen möglichst lange in ihrem Bau, damit ihr Fell nicht unnötig nass wird. Das mögen sie nicht und sie werden schnell krank. Kaninchen mögen es warm und trocken.« So laufen wir den ganzen Friedhof ab. Im Lagerbereich schöpft Müller noch einmal Hoffnung. Paletten sind beliebte Aufenthaltsorte – aber auch hier nichts. Müller sucht nach Kothaufen: »Kaninchen leben in Familienverbänden. Mit dem Kot markieren sie ihr Revier. Eindringlinge werden verjagt.«
Frische Spuren
In Abteilung 4 gibt es nochmals Spuren. »Die hier sind ganz frisch«, sagt Müller. Daneben sind Mauslöcher. Aber die Nager bekommen wir nicht zu Gesicht. »Gehen wir zurück zum Verwaltungsgebäude. Dort gibt es Gänge«, schlägt Müller vor. Tatsächlich sehen wir die Ausgänge mitten im Rhododendren-Beet. Jetzt darf Frettchen Fritz aus der Kiste. Müller setzt es neben den Kaninchenbau. Nach kurzer Orientierung geht es in den Bau, dann hört man das Glöckchen am Halsband, das Frettchen erscheint – nichts. Es macht kehrt, sucht noch einmal. Wieder nichts. Müller setzt das Tier zurück in den Kasten, und die Suche geht weiter. Zum Schluss gehen wir zur Kirche. Dort gibt es einen großen Kaninchenbau. Wieder darf Frettchen Fritz den Bau erkunden und wieder findet er nichts. Der Habicht ist auf der Hut, flattert von der Hand und Müller setzt ihn wieder behutsam auf seine Faust.
Als auch aus dem letzten Bau keine Beute herauskommt, beendet er den Jagdversuch. »Das kann passieren auf der Jagd. Das kann man nicht mit einer Industrieproduktion vergleichen«, lächelt Müller. Das Frettchen ziert sich, will nicht in den Kasten. Wir helfen. Jetzt muss Habicht Porscha noch belohnt werden. »Er kann schließlich nichts dafür, dass wir nichts gefunden haben«, sagt Müller und erklärt: »Vögel lernen nur durch Belohnung. Deshalb muss ich ihm etwas geben, damit er lernt, was ich von ihm will.« Außerdem ist er durch die bisher erfolglose Jagd sehr ungeduldig, muss sich abreagieren. »Ich habe extra für ihn ein schon totes Kaninchen mitgebracht für alle Fälle. Das haben wir letzte Woche gejagt«, sagt Müller und wirft das tote Tier auf den Rasen. Der Habicht fliegt sofort los, stürzt sich auf das Kaninchen und bearbeitet es mit dem Schnabel. Die Haare fliegen nur so. »Das braucht er jetzt. Wir wollen ja, dass er morgen wieder jagt.« Geschickt hält der Falkner dem Raubvogel eine Hasenkeule mit Fell vor den Schnabel. So kann er das Kaninchen wieder zurück in die Tasche legen. Müller will Porscha die Kopfhaube überziehen. Immer wieder landet sie auf der Erde, bis er es endlich schafft. Habicht und Frettchen kommen wieder in ihre Boxen im Auto – die Jagd ist beendet.
Fallen und Gift keine Alternative
Hans-Jürgen Jäger leitet die Friedhofsverwaltung. »Ich genieße es, wenn ich vor meinem Bürofenster Kaninchen auf der Wiese sehe. Ich mag die niedlichen Tiere«, sagt er. »Aber es sind auch Schädlinge, wenn ihre Populationen überhand nehmen.« Auf dem Weingartenfriedhof finden Kaninchen und Wühlmäuse ideale Bedingungen vor. Sie fressen besonders in der kalten Jahreszeit Pflanzen auf den Gräbern ab. Auch Kränze werden angenagt.
Viele Gräber wurden mit einer Steinplatte abgedeckt. Bisher waren es Platten von zwei Quadratmetern. Seit einiger Zeit müssen sie etwas kleiner sein. Darunter graben sich die Tiere ihre Bauten, sind so ideal geschützt vor Blicken, aber auch vor Feuchtigkeit. Gibt es zu viele Röhren, kann eine Grabeinfassung einstürzen, Gehwegplatten sinken ein.
Deswegen gibt es viele Beschwerden, die Friedhofsgärtner müssen immer wieder Wegplatten neu verlegen, Schäden an den Gräbern beseitigen. Daher hat man sich entschlossen, etwas gegen die Nagetiere zu unternehmen. »Die Jagd mit Schusswaffen ist zu gefährlich, ist auch in befriedetem Gelände verboten«, erklärt der Friedhofsverwalter. »Gift wollen wir ebenso wenig auslegen wie Fallen aufstellen.« Deshalb war er froh, als ihn Falkner Daniel Müller ansprach.
Jäger bedauert es sehr, dass er die Kaninchen bejagen lassen muss, aber Beschwerden und die Sicherheit der Friedhofsbesucher ließen ihm keine andere Wahl.