Neun Stunden über den Wolken
»Über den Wolken, muss die Freiheit wohl grenzenlos sein«: Der Offenburger Segelflieger Philipp Butz hat am vergangenen Freitag Beeindruckendes erlebt. Der 28-Jährige, der im Alter von 14 Jahren mit dem Segelfliegen begann, flog von Offenburg aus 667 Kilometer weit bei einem sogenannten Wellenritt über den Schwarzwald.
Während derzeit bei geschlossener Schneedecke und Dauerfrost die meisten Flugplätze im Winterschlaf verharren, sitzt eine kleine Gruppe von Piloten stets in Wartestellung auf gepackten Fallschirmen, um bei lang ersehnten Wetterlagen die Wellen über dem Rheintal, dem Schwarzwald, dem Harz und dem Pfälzerwald zu »reiten«. Bei dieser Wetterlage bilden sich im Lee des Schwarzwaldes horizontal rotierende Rotoren, deren aufsteigende Strömung man als Segelflieger nutzen kann. Entsprechend starke Fallwinde dazwischen muss man natürlich meiden.
Bereits am Dienstag war abzusehen, dass sich am vergangenen Freitag eine eher rare Nordost-Wetterlage mit strammem Ostwind einstellen wird. Von den Startplätzen Offenburg, Weinheim und Rheinstetten nahmen sieben Piloten die eisige Herausforderung an und wurden dank individueller Höhenfreigaben der Deutschen Flugsicherung, teils bis 4500 Meter, mit grandiosen Eindrücken belohnt.
Dass es dabei nicht nur sehr hoch, sondern auch sehr weit gehen kann, zeigte Philipp Butz von der Fliegergruppe Offenburg, der die in den Wellen getankte Höhe in einen 667,22 Kilometer-Flug ummünzen konnte. »Am Donnerstagabend habe ich noch kurz mit Martin Schley aus Kehl telefoniert, wir haben den Entschluss gefasst es morgen zu probieren«, berichtet Philipp Butz. Der Windmesser der Hornisgrinde zeigte Wind mit über 50 Stundenkilometern aus Ost an, das sprach für einen tollen Wellentag und ließ super Steigwerte vermuten.
Bereits um 6 Uhr am vergangenen Freitag klingelte der Wecker und Philipp Butz machte sich auf den Weg zum Flugplatz, wo pünktlich um 8 Uhr der Schlepppilot Alexander Basler mit Schleppflugzeug bereitstand. Als der Pilot dann in der Luft war, stand über dem Güterbahnhof Offenburg bereits die erste Welle. »Als ich dann über Durbach/Oberkirch das erste gute Steigen im Segelflug erwischte, habe ich sofort mit der Flugsicherung gefunkt und das Wellenflug¬gebiet Murgtal aktiviert«, so Philipp. Um als Sportflieger über 3000 Meter in den kontrollierten Luftraum steigen zu dürfen, benötigt man eine Freigabe der Flugsicherung, die dann Passagiermaschinen um die Segler herum umleitet.
Absolut unkompliziert erfolgte die erste Freigabe bis FL140, das entspricht 4000 Metern, als das Steigen in der Höhe mit über 1,5 Meter pro Sekunde anhielt, bis FL150, das entspricht etwa 4500 Metern Höhe.
»Mir war jeder Höhenmeter recht, somit konnte ich nun absolut bedenkenlos über die Wolkendecke Richtung Norden über das Murgtal fliegen. Über Forbach angekommen, erwartete mich an den üblichen Stellen zuverlässiges Steigen«, berichtet der 28-Jährige. Sein Weg führte ihn anschließend über die von früheren Flügen bekannten Rotoren an der Hornisgrinde entlang der Schwarzwaldhochstraße zum Brandenkopf, zum Kandel und weiter Richtung Feldberg. Dabei erwarteten Philipp teils geschlossene Wolkendecken und teils absolut lehrbuchmäßige Föhnlücken zwischen den Rotoren.
»Auf dem Weg nach Süden habe ich auf der Flugsicherungs-Frequenz zufällig die Kollegen aus Freiburg gehört, die eine Freigabe über FL100 außerhalb des Wellenfluggebiets Murgtal bekommen hatten. Sie waren über dem Kandel, der den ganzen Tag zuverlässige Wellen erzeugte. Ich konnte etwa bei Hausen im Wiesental wenden und wieder die alten bewährten Wellenpunkte anfliegen«, so Philipp.
Die Wellen im Süd-Schwarzwald waren durch Rotorwolken sehr gut gezeichnet und lieferten zuverlässig zwei bis drei Meter Steigen. »Es war absolut problemlos, was nicht immer so der Fall ist.« Mit den optimalen Bedingungen war die Flugroute Nord/Süd vorgegeben, »und ich hatte absoluten Spaß meine geplante Route im Schwarzwald zu verfliegen und meinen Flugstil zu optimieren. Je tiefer man über dem Rotor ankam, desto stärker, teilweise bis zu kurzzeitigen vier Metern, war das sehr gleichmäßige Steigen«, freut sich Philipp.
Nach knapp neun Stunden in eisiger Kälte – im Cockpit herrschten minus zehn Grad – und etwas über 650 Kilometern war dann Schluss: Die Sonne ging unter und Philipp Butz landete entspannt und überglücklich wieder in Offenburg.
Ob da wohl noch mehr drin gewesen wäre? »Sicherlich hätte man den Flug noch optimieren können«, so Philipp Butz. »Früher starten, später landen und die Wenden weiter ausfliegen, dann wären 700 bis 750 Kilometer drin gewesen«, so seine optimistische Überlegung.
»Nichtsdestotrotz war es ein geniales Erlebnis, tolle Eindrücke, ein super Flugzeug, alles was es für einen einzigartigen Wellenflug im Schwarzwald benötigt.«