Oft Tag und Nacht im Einsatz
Kinder kriegen, die Familie versorgen, den Vater ersetzen: Während des Zweiten Weltkriegs lastete eine enorme Verantwortung auf den Schultern der Frauen – vor allem gegen Ende des Kriegs. Wer selbst keine Kinder hatte, kümmerte sich um die Verletzten oder schuftete auf Feldern oder in Fabriken. Die 94-jährige Alice Resch hat den Krieg als Rotkreuz-Helferin erlebt.
Alice Resch war 17 Jahre alt, als sie sich 1938 freiwillig zur Tätigkeit beim Roten Kreuz meldete. Und schon im Jahr darauf wurde es ernst: Mit Kriegsbeginn 1939 wurde sie zum Dienst herangezogen. Sie schrubbte im Krankenhaus in Lahr den Boden, versorgte die Passagiere der Züge am Offenburger Bahnhof mit Getränken – und zum Ende des Kriegs hin kümmerte sie sich um verwundete Soldaten im Lazarett im Kloster Unserer Lieben Frau. »Die haben uns schwer hergenommen«, betont die heute 94-Jährige. Denn teilweise ging der Einsatz Tag und Nacht – »durchgehend«. Ja, sogar auf den Tabakfeldern im Ried mussten die Frauen schuften, und das unter dem Beschuss der französischen Streitkräfte.
"Alle Fragen waren beschäftigt"
»Die Frauen waren alle irgendwie beschäftigt«, resümiert Resch, geborene Fäßler, die nach der mittleren Reife eigentlich in der elterlichen Ziegelei vor den Toren Offenburgs eine Lehre gemacht hat. Wenn eine Frau dann sagte, ich habe ein Kind, dann habe es geheißen: »Sie haben eine Mutter, die kann aufs Kind aufpassen!« In Offenburg waren Frauen beispielsweise in der Spinnerei und Weberei am Mühlbach beschäftigt, erinnert sich die 94-Jährige. »Die brauchten ja auch Leute«, sagt Resch.
Welche Lasten Frauen im Zweiten Weltkrieg abseits der Schützengräben zu tragen hatten, hat unter anderem die Historikerin Margarete Dörr erforscht. »Frauen und Mütter waren eigentlich nie ausgeschlafen; je länger der Krieg dauerte, desto weniger«, stellt sie in dem Band »Wer die Zeit nicht erlebt hat...: Frauenerfahrungen im Zweiten Weltkrieg und in den Jahren danach« fest. »Viele waren ausgepowert und erschöpft und rappelten sich dennoch immer wieder von Neuem auf.« Während sich Frauen der »besseren Gesellschaft« teilweise bis zuletzt noch Haushaltshilfen leisten konnten, hätten vor allem die Bäuerinnen »bis an die Grenzen ihrer Leistungsfähigkeit und darüber hinaus schuften« mussten.
"Blitzmädel" bis "Kriegswitwe"
Welche Rollen die Frauen im Krieg einnahmen, hat die Journalistin und Autorin Gerda Szepansky prägnant in einem Buchtitel zusammengefasst: »Blitzmädel – Heldenmutter – Kriegswitwe: Frauenleben im Zweiten Weltkrieg«, ein Titel unter dem vor 20 Jahren auch schon eine Ausstellung im Ritterhaus zu sehen war. Die »Blitzmädels«, so genannt nach ihrem Blitz-Emblem auf der Uniform, waren in der Nachrichtentruppe von Wehrmacht und SS eingesetzt – sie waren Telefonistinnen, Funkerinnen oder Fernschreiberinnen.
Die Rolle als »Heldenmutter« bezieht sich auf die NS-Ideologie, oder wie es Reichspropagandaleiter Joseph Goebbels unters Volk brachte: »Den ersten, besten und ihr gemäßesten Platz hat die Frau in der Familie und die wunderbarste Aufgabe, die sie erfüllen kann, ist die, ihrem Volk Kinder zu schenken.«
Und »Kriegswitwe« symbolisiert die ungeschönte Folge der NS-Ideologie: Zahllose Frauen verloren ihre Ehemänner im Krieg, trösten durften sie sich mit der Gewissheit, dass der Mann einen heldenhaften Tod für das Vaterland gestorben war. Zurück blieben die Frauen als Versorger in der Familie. Sie mussten dafür sorgen, dass es zu Essen gab – der Bezugsschein für sogenannten Lebenswichtige Verbrauchsgüter war ohnehin Alltag für sie –, aber auch die Kinder in den sicheren Luftschutzbunker oder sogar aus der Heimatstadt wegbringen, als die Evakuierungen begannen.
Auch Alice Resch wurde im Krieg Mutter. Es geschah auch zum eigenen Schutz: Sie hatte Angst, dass sie als Rotkreuz-Helferin nach Russland geschickt würde, so wie andere Frauen in ihrem Alter. »Ich habe Rotkreuz-Helferinnen gekannt, die gestorben sind«, berichtet Resch. Wer verheiratet war und Kinder hatte, durfte in der Regel in der Heimat bleiben. Und so war es dann auch: Anfang 1942 heiratete sie, Ende des Jahres kam der erste Sohn zur Welt, 1944 der zweite. Dessen Geburt bekam ihr Mann, ein Offizier, allerdings schon gar nicht mehr mit. Er fiel im März 1944 in Pommern.
"Wir hatten Glück"
Trotz allem ist es Alice Resch und ihrer Familie noch verhältnismäßig gut gegangen während des Zweiten Weltkriegs. »Wir gehörten noch zu denen, die Glück hatten«, sagt sie rückblickend. Aufgewachsen ist sie mit zwei jüngeren Schwestern als Tochter des Ziegeleibesitzers Fäßler, mit viel Landwirtschaft und großem Garten. »Ich bin nicht das Durchschnittsbeispiel«, betont sie. Allerdings hat sie durchaus mitbekommen, wie es anderen erging: etwa den Verwandten in der Stadt – eine Familie mit zwei Kindern, der Vater im Krieg. Die beiden Mädchen hätten gehungert, erinnert sich Alice Resch. »Denen habe ich regelmäßig Sachen von uns gebracht.« Ohnehin hatten die Fäßlers die ganze Kriegszeit über »Gäste« von außerhalb, die sie zu versorgen hatten.
Bei allem Leid durch den Krieg hat Alice Resch noch eine ganz außergewöhnliche positive Erfahrung gemacht. Ihre Freundin Senta, eine Jüdin, der noch rechtzeitig die Flucht aus Deutschland gelang, meldete sich unmittelbar nach Kriegsende aus den USA. In den Folgejahren haben sich die beiden auch noch regelmäßig besucht. »Das war schon eine enge, enge Freundschaft«, betont die 94-Jährige. Eine Freundschaft, die selbst der Krieg und die Grausamkeiten des Holocaust nicht beenden konnten.
Schicksale
Manche Schicksale hatten noch einmal eine andere Dimension als die der »normalen« deutschen Frau. Zum Beispiel das der Laborantin Anna Stein, einer Offenburger Jüdin. Sie wurde bereits 1933 im städtischen Krankenhaus entlassen, 1940 nach Gurs transportiert und 1942 in Auschwitz ermordet. Oder das von Elsa Santo, deren Geschichte zuletzt in einem Theaterstück verarbeitet worden ist. Sie verliebte sich in einen polnischen Zwangsarbeiter, bekam ein Kind von ihm und flüchtete nach Polen, wo sie von der Gestapo verhaftet und ins KZ Ravensbrück gebracht wurde.