Ortsbildprägendes "Zipfelhusen" zu neuem Leben erweckt
Nach dem Großbrand am 3. Februar 2012 drohte dem »Zipfelhusen« der Abrissbagger. Umso mehr freuten sich Bürgermeister Bruder und die Gäste der Einweihungsfeier am 10. März 2017, dass dieses ortsbildprägende Gebäude saniert werden konnte und im Grunde »Charakter und ursprüngliche Bestimmung als Gebäude für Gemeindeeinrichtungen und die Ohlsbacher Bürger erhalten blieb«.
Aufgrund der bewegten und populären Historie war es für Bürgermeister Bernd Bruder nicht verwunderlich, dass sich eine große Mehrheit der Ohlsbacher nach dem Brand 2012 die Erhaltung des »Zipfelhusen« oder einen Neuaufbau in gleicher Weise wünschten. Diesen Wunsch teilten Gemeinderäte und Bürgermeister – aber nur wie? Auch dies wurde bei der Einweihungsfeier für das Dorfgemeinschaftshaus erläutert, in das im Herbst 2016 Leben einzog. Bruder begrüßte im 120 Sitzplätze zählenden Dachgeschoss Festgäste aus Politik, Wirtschaft, Kirche und Vereinswelt.
Bei der finanziellen Frage für dieses besondere Sanierungsprojekt »hat sich eine Dreiteilung ergeben«, so Bruder, »ein Glücksfall war, dass wir uns im Gebiet des Städtebaulichen Sanierungsprogramms befinden, in das wir 2006 mit Unterstützung unseres Landtagsabgeordneten Volker Schebesta aufgenommen wurden«. Durch gute Zusammenarbeit mit dem Regierungspräsidium und die Einstufung des Gebäudes als »ortsbildprägend« konnte der Zuschuss-Satz von 36 auf 50 Prozent erhöht werden. Wichtig sei auch die Unterstützung durch die STEG aus Stuttgart bei der Projektabwicklung gewesen. Neben Eigenmitteln der Gemeinde war die Regulierung des Brandschadens durch die Versicherung BGV in Höhe von 585 000 Euro äußerst wichtig.
Emotionales Ereignis
Für die Sanierung habe das Architektenbüro Becker mit Überprüfen der Bausubstanz, Erarbeiten eines Baukonzepts, detaillierter Kostenschätzung und Untergliederung in brandverursachte und sanierungsbedingte Kosten die Basis geschaffen. »Um das Gesamtensemble, das nun aus Zipfelhusen, Rathaus, Boerscher Haus mit Boerscher Platz besteht, werden wir allerorts beneidet«, sagte Bruder mit Blick auf Architektin Gabriele Becker, »das trägt natürlich Ihre Handschrift, wie die Weinbergschule und der Kindergarten. »Der Brand war ein einschneidendes und emotionales Ereignis für Ohlsbach«, so Gabriele Becker, »aber es eröffnete die Chance, ein Kleinod im Dornröschenschlaf wieder zum Leben zu erwecken – als Treffpunkt für alle Ohlsbacher«. Und anstelle des früheren Schlauchturms der Feuerwehr beschere ein neuer Treppenturm mit Aufzug nun Barrierefreiheit und ganz oben herrliche Ausblicke. Wie Bruder lobte sie den Bauhofleiter Wolfgang Salzer mit seinen Mannen und Haustechniker Rudi Rauer für all die Arbeiten, »die nicht unerhebliche Kosten einsparten«, so der Bürgermeister: »Zusammen mit den beauftragten Bau- und Handwerksfirmen »haben wir etwas geschaffen, auf das wir alle gemeinsam stolz sein dürfen«.
»Allein dass es einen Namen für ein Gebäude gibt, unterstreicht dessen Bedeutung«, betonte Schebesta. Die Landesförderung durch einen deutlich sechsstelligen Betrag, so der Staatssekretär, habe damit zu tun, dass zu den Zielen der Städtebauförderung die Unterstützung von Identifikationspunkten gehören. Bürgermeisterstellvertreterin Christine Horn erinnerte an »den Workshop mit Bürgern, die Ideen für die künftige Nutzung einbrachten«. Nicht nur die Seniorenbetreuung habe hier »eine schöne neue Heimat gefunden«, sondern auch Schachclub, Trachtengruppe und die Narrenzunft mit ihrer »Schratt-Stube«, die die Feuertaufe an der kürzlichen Fasend bestanden habe. "Den Segen Gottes zu erbitten", so Pfarrer Christian Würtz bei der Segnung der Räumlichkeiten, "steht dafür, dass dies ein Ort für alle sein soll, der allen offen steht und das mit gutem Geist". Nun "muss noch dieser große Raum hier mit Leben erfüllt werden«, sagte Christine Horn, »vielleicht als Kulturforum«. Das Saxophon-Ensemble des Musikvereins unter Leitung von Matthias Bruder machte jedenfalls Appetit auf mehr Kultur. »Bei der Akustik können wir sogar mit der Elbphilharmonie mithalten«, scherzte der Bürgermeister, »wir sind allerdings im Kostenrahmen geblieben«. Von den rund 1,6 Millionen Euro Kosten trägt die Gemeinde rund 500 000 Euro.
Mit bewegter Geschichte
Kindergarten, Feuerwehr, Wohnung, Poststelle, schöne Feste und mehr – fast jeder Ohlsbacher habe aus unterschiedlichen Gründen einen persönlichen Bezug zum »Zipfelhusen«, betonte Bürgermeister Bernd Bruder bei der Einweihungsfeier dieses ortsbildprägenden Gebäudes als Dorfgemeinschaftshaus und blickte auf dessen bewegte Geschichte zurück.
Erbaut um 1925 bis 1928 prägte »Zipfelhusen« wie kaum ein anderes Gebäude das Ortsbild der Gemeinde nachhaltig. Anfangs geplant als Feuerwehrhaus, in den 1950er-Jahren ergänzt um den 16 Meter hohen Schlauchturm, wurde das Gebäude im Laufe der Zeit im Gemeindeleben vielseitig genutzt. So war der Kindergarten mit Dorfschwesternstation bis Anfang der 1950er-Jahre im Mittelgeschoss des »Zipfelhusen« untergebracht. Danach wurden das Mittel- und das Dachgeschoss als Wohnraum genutzt (oft auch für Familien in Notsituationen) und die Räumlichkeiten im Kellergeschoss unter anderem als Arrest- und Ausnüchterungszelle.
Die Arrestzelle wurde durch die Funktion als Milchzentrale abgelöst. Hier lieferten die Ohlsbacher Bauern ihre Milch ab. Die Bürger, die keine Kühe hatten, konnten frische Milch in mitgebrachten Blechmilchkannen abholen. Dies war zugleich Treffpunkt für die Dorfjugend. Nach dem Auszug der Feuerwehr Ende der 1970er-Jahre wurden die hinteren Räume zum Trödellager der Narrenzunft. Alljährlich wurde dort das Fasend-Schlussrambo und das Datschkuchenfest gefeiert. Als Ersatzräumlichkeit für die Postfiliale und das Verkehrsbüro diente die alte Milchzentrale während des Rathausumbaus von 2007 bis 2009.
Am Abend des 3. Februar 2012 stand diese Gebäude – vermutlich verursacht durch heiße Asche in einer Mülltonne in einem angrenzenden Schuppen – in hellen Flammen. »Am Tag danach, als man das Holzgerippe des Schlauchturmes eingerissen hat, war unsere Befürchtung groß, dass auch das ortsbildprägende Gebäude wahrscheinlich nicht zu retten ist«, so Bruder, »dies hat sich – Gott sei Dank – nicht bestätigt«. Den Festrednern überreichte Bruder ein fotoreiches Buch über dieses besondere Sanierungsprojekt.
»Tag der offenen Tür«
Der Einweihung des Dorfgemeinschaftshauses »Zipfelhusen« folgt am 11. März, 11 bis 16 Uhr, ein »Tag der offenen Tür« für alle Interessierten. Die Seniorenbetreuung, der Schachclub, die Trachtengruppe sowie Umbeisen und Hexen laden in ihre Räumlichkeiten ein. Fürs leibliche Wohl sorgen die Betreuungsgruppe und die Narrenzunft.