Streitschlichter mit Messer verletzt
»Sie stehen mit einem Fuß im Gefängnis!«, warnte Richterin Ute Körner mit scharfen Unterton den Angeklagten, beließ es aber dann bei einer Bewährungsstrafe. Der 30-Jährige hatte einem Streitschlichter eine 30 Zentimeter lange Wunde mit dem Messer zugefügt und stand deshalb letzte Woche vor Gericht.
»Das hätte ich ihm nie zugetraut«, sagte der Geschädigte über den Täter vor dem Amtsgericht Offenburg aus. Gerade mal 1,62 Meter groß und 53 Kilogramm sei der 30 Jahre alte Angeklagte schwer und er wirkte schmächtig, als ob er niemandem etwas zu Leide tun könne. Doch manchmal täuscht der erste Eindruck, denn in der Silvesternacht verletzte er vor einer Kneipe in Offenburg einen Mann mit einem Messer.
Heiko Baumert, Vertreter der Staatsanwaltschaft Offenburg, warf ihm in der Anklageschrift folgenden Sachverhalt vor: Am Silvestermorgen 2015 habe es gegen 11 Uhr eine verbale Auseinandersetzung zwischen dem Angeklagten und einem anderen Mann in einer Kneipe gegeben. Der Grund? Er habe das Guthaben des anderen am Spielautomaten verspielt. Die Auseinandersetzung habe sich dann vor die Tür der Bar verlagert. Dabei habe ein anderer Mann schlichten wollen. Der Angeklagte zückte ein Klappmesser und verpasste dem Streitschlichter eine 15 Zentimeter lange Verletzung, die sofort chirurgisch behandelt werden musste.
»Nur rumgefuchtelt«
»Ich fühlte mich bedroht und wusste mir nicht anders zu helfen«, so der Angeklagte zu seiner Verteidigung. »Hätte es nicht gereicht, nur das Messer zu zeigen oder sich der bedrohlichen Situation zu entziehen?«, fragte ihn der Staatsanwalt. Er habe »nur« rumfuchteln und niemanden gezielt verletzen wollen, so die Antwort.
Das Opfer, das als Zeuge aussagte, wirkte gelassen, und die Narbe im Gesicht war nur bei genauerem Hinsehen erkennbar. »Ich hatte Glück und mache nun das Beste daraus«, sagte der Mann, der eigentlich nur Zivilcourage gezeigt hatte. Er wollte den Angeklagten beruhigen und habe dann plötzlich einen Schmerz im Gesicht gespürt. »Können Sie noch schmecken, riechen und hören?«, fragte der Sachverständige Dirk Ropohl vom Institut für Rechtsmedizin (Freiburg). Der Geschädigte bejahte die Frage und fügte hinzu: »Ein Taubheitsgefühl verspüre ich aber dennoch. Beim Trinken muss ich mich konzentrieren, damit nichts an der Seite herausläuft.« Eine Vielzahl der Nerven sei durchtrennt worden, und es hätte auch die Halsschlagader treffen können, konstatierte der Gutachter.
Videoaufnahmen
Der Mann, mit dem der Angeklagte den Streit hatte, war ebenfalls geladen. Der Verteidiger beschrieb ihn als »patzig«, und obwohl er vor Gericht aussagte, er habe keinen Streit anfangen wollen, zeigten die Videoaufnahmen etwas anderes: Einen Mann, der dem Angeklagten näherkommt und von dem Streitschlichter sogar weggestoßen werden muss.
»Schutzbehauptungen«
Die Staatsanwaltschaft kritisierte bei ihrem Plädoyer die selektive Wahrnehmung des Täters. »An Momente, die Sie entlasten, erinnern Sie sich – an andere nicht«, so Baumert und sprach von »Schutzbehauptungen«. Außerdem habe der Angeklagte davon gesprochen, dass er sich bedroht gefühlt habe. Auf dem Video habe man keinen verängstigten Mann gesehen: »Im Gegenteil, er lief nochmals auf das Opfer zu.« Nebenbei habe der Angeklagte noch Vorstrafen, Baumert sprach sich gegen Bewährung aus.
Verteidiger Mathias Jablonski (Offenburg) verwies darauf, dass der Angeklagte immer wieder gesagt habe: »Ich kann es mir nicht erklären.« Darüber hinaus sei er nun das erste Mal für vier Monate in Haft gewesen und wolle eine Therapie beginnen. Zudem wolle er 3000 Euro Schmerzensgeld zahlen. Jablonski beantragte ein Jahr auf Bewährung.
Das Schöffengericht verhängte letztendlich für ein Jahr und sechs Monate auf Bewährung. Der Angeklagte sei alkoholkrank und habe die Tat »nicht geplant«. Er habe im Affekt gehandelt und unter Alkoholeinfluss gestanden. »Es wird Zeit, selbst etwas zu unternehmen!«, ermahnte Richterin Körner den Angeklagten.