Einkaufszentrum: Horrorszenarien und formelle Mängel
Eine Regisseurin, ein Gutachter, ein Stadtplaner und ein Rechtsanwalt: Vier Experten haben am Dienstagabend auf Einladung der City Partner in der Reithalle zum Thema Einkaufszentrum Stellung bezogen. Sie warfen dabei einen Blick auf die Horrorszenarien in anderen Städten, sprachen über unsaubere Gutachten und formelle Mängel und kritisierten das Projekt in Offenburg.
Was kann im schlimmsten Fall passieren – und welche Entwicklung ist in Offenburg noch möglich? Zwischen diesen beiden Fragen hat sich die Infoveranstaltung am Dienstagabend bewegt, zu er die City Partner eingeladen hatten. Bevor der Gemeinderat am 17. November über eine zweite Offenlage des Bebauungsplans »Nördliche Innenstadt« entscheidet, wollten sich die City Partner noch einmal zum geplanten Einkaufzentrum auf dem Sparkassenareal positionieren. Sie kritisieren die vorgesehene Größenordnung des Projekts. Dazu hatten sie vier Experten eingeladen, die sich – teilweise global, teilweise konkret auf das Offenburger Projekt bezogen – kritisch zu Einkaufscentern äußerten.
Die Filmemacherin: »Global Shopping Village – Endstation Kaufrausch« heißt der Dokumentarfilm der Wiener Regisseurin Ulli Gladik, der ab morgen, Freitag, in die Kinos kommt. Ausschnitte da-raus waren am Dienstag in der Reithalle zu sehen. Darin geht es unter anderem um Beispiele in der österreichischen Steiermark oder in der Ukraine, Horrorszenarien von ausgestorbenen Innenstädten, Korruption oder die gekaufte Presse. Im Hinblick auf ein Center-Projekt in ihrer Heimat sagte sie: »Die Erwartungen sind nicht eingetroffen.« So leide die Kommune unter anderem unter hohen Infrastrukturkosten.
Der Gutachter: Für die City Partner hatte Andreas Schuder, Einzelhandelsberater und Standortleiter des Büros Stadt + Handel in Karlsruhe, die beiden von der Stadtverwaltung in Auftrag gegebenen Gutachten der Gesellschaft für Markt- und Absatzforschung (GMA) und des Büros Junker + Kruse analysiert. Sein Fazit: »Die Gutachten taugen nicht zur Entscheidung im Gemeinderat.« Als »größten Mangel« bezeichnete Schuder, der selbst einmal für die GMA tätig war, die unscharfe Zusammenfassung des Segments Bekleidung, Schuhe und Sport in der Bestandsanalyse – immerhin könnte diese Sortimentsgruppe einmal 6450 Quadratmeter ausmachen. Außerdem seien die möglichen Anbieter in diesem Segment – Schuder nannte Peek & Cloppenburg, New Yorker oder Tamaris – keine Ergänzungen.
Karstadt mit seinen 10 000 Quadratmetern Verkaufsfläche wäre in allen Sortimenten betroffen. »Wenn das Einkaufszentrum kommt, ist der Karstadt nicht mehr da.« Die Folge: ein sogenannter Trading-Down-Effekt der Steinstraße und des Lindenplatzes und ein »städtebaulicher Missstand« (Karstadt). Die positiven Impulse für die nördliche Hauptstraße seien fraglich. Dass sich einmal tatsächlich ein »Einkaufsdreieck« südlich des Einkaufszentrums spanne, »glaube ich beim besten Willen nicht«.
Der Center-Kritiker: »Leider sind die Kommunen bereit, mit Hilfe einer Projektentwicklung Stadtentwicklung zu betreiben«, sagte Holger Pump-Uhlmann, Stadtplaner und Architekt aus Braunschweig, der sich als Kritiker von Einkaufszentren einen Namen gemacht hat und die Entwicklung in Offenburg seit zwei Jahren verfolgt. Dass das Einkaufszentrum offen und mit Wohnungen und Gastronomie geplant sei, nannte er einen »guten Ansatz«. Allerdings sei es eine Einzelhandels-Ansammlung von knapp 11 500 Quadratmetern, stellt er fest. Der »kardinale Fehler« sei das Tripol-Konzept, für das aber alle Pole gleich sein müssten. Seine Prognose: Es werde für viele Einzelhändler, aber auch für Immobilienbesitzer »problematisch«.
Der Rechtsanwalt: Alexander Simon von der Kanzlei Dohle & Simon aus Freiburg hat die City Partner als Fachanwalt für Verwaltungsrecht bereits im Rahmen der ersten Offenlage des Bebauungsplans vertreten. Neben formellen Mängeln erneuerte er seine inhaltliche Kritik: am Gutachten zur Verkehrserschließung, das die Spitzenzeiten nicht abbilde, am Lärmgutachten, an den »nicht nahvollziehbaren« Prämissen zu den Auswirkungen auf die Versorgungssituation, aber auch zum Denkmalschutz im Hinblick auf das Franziskanerkloster. »Es gibt einiges nachzuarbeiten für die Stadt«, resümierte Simon. Immerhin sei eine 260-seitige Zusammenfassung der Einwendungen mit Stellungnahmen angekündigt.
Den jüngsten Aussagen von Oberbürgermeisterin Edith Schreiner, die im Gemeinderat auf die geltenden Verträge mit dem Investor OFB hingewiesen hatte, widersprach er. »Ich kann mich vertraglich nicht verpflichten, einen Bebauungsplan aufzustellen«, so Simon. »Wichtig ist, dass ein Gemeinderat frei abwägt.«