Was ist dran am Befangenheitsvorwurf gegen OB Schreiner?
War OB Edith Schreiner bei der Entscheidung für das Rée-Carré befangen, weil sie gleichzeitig Verwaltungsratsvorsitzende der ebenfalls involvierten Sparkasse ist? Dies bringt Kläger-Anwalt Alexander Simon in der Begründung der Normenkontrollklage gegen das Einkaufsquartier vor (wir berichteten). Professor Jürgen Fleckenstein von der Hochschule für öffentliche Verwaltung in Kehl sagt voraus: »Dieser Vorwurf wird ins Leere laufen.«
Mit einer Normenkontrollklage attackieren fünf Kläger aus den Reihen der City Partner den Bebauungsplan »Nördliche Innenstadt«. Sie wollen damit das geplante Einkaufsquartier »Rée-Carré« zu Fall bringen. Kläger-Anwalt Alexander Simon (Freiburg) wirft der Stadt viele »formelle Fehler« vor und sieht bei OB Edith Schreiner eine Befangenheit gegeben, weil die Rathauschefin zugleich Vorsitzende des Verwaltungsrats der Sparkasse Offenburg/Ortenau ist, die im Plangebiet ein Gebäude verkauft und ein neues erstellt hat, weshalb die von Schreiner forcierte Entscheidung über den Bebauungsplan der Sparkasse einen unmittelbaren Vorteil bringen könne.
Wir haben Professor Jürgen Fleckenstein von der Fakultät Rechts- und Kommunalwissenschaften an der Hochschule für öffentliche Verwaltung in Kehl um eine Einschätzung gebeten. Befangenheit liege grundsätzlich vor, wenn die Entscheidung einer Angelegenheit dem Betroffenen selbst oder ihm nahestehenden Personen einen unmittelbaren Vor- oder Nachteil bringen kann. Dies gilt laut Gemeindeordnung auch, wenn jemand Mitglied eines Organs einer juristischen Person des öffentlichen Rechts ist, der die Entscheidung nutzen kann, beispielsweise im Verwaltungsrat der Sparkasse sitzt. Allerdings greife im Fall Schreiner eine Ausnahmeregelung: Wer einem Gremium wie dem Verwaltungsrat als Vertreter oder auf Vorschlag der Gemeinde angehöre, gelte nicht als befangen. »Der Gesetzgeber geht davon aus, dass die Gemeindeinteressen im Vordergrund stehen, wenn man von der Gemeinde als Vertreter entsandt wird«, erläutert Fleckenstein. Im Fall Schreiner handle es sich also um eine »vom Gesetzgeber geduldete Interessenkollision«.
»Ich bin mir sicher«
Anders verhalte es sich, wenn ein Gemeinderat etwa aufgrund seiner Funktion als Handwerksmeister vom Verwaltungsrat der Sparkasse in das Gremium berufen und nicht von der Gemeinde entsandt werde. Dann liege Befangenheit vor. Einen solchen Fall führe Anwalt Simon in seiner Begründung ins Feld. Aus Sicht von Fleckenstein bedeutet dieses genannte VGH-Urteil allerdings im Umkehrschluss, dass bei OB Schreiner keine Befangenheit vorliegt. »Auf hoher See und vor Gericht weiß man nie, aber da bin ich mir ziemlich sicher«, sagt Fleckenstein.
Grundstücksgeschäfte
Wer bei einer Beratung oder Abstimmung befangen ist, muss sich übrigens von sich aus melden. Häufig seien Befangenheiten bei Bebauungsplanverfahren gegeben. »Wenn jemand Eigentümer eines Grundstücks ist, dessen Wert durch die Ausweisung eines Baugebiets plötzlich von drei auf 300 Euro pro Quadratmeter steigt, kann er nicht mehr frei entscheiden, dann überwiegen die Einzelinteressen«, so Fleckenstein. Das Verfahren könne dann via Normenkontrollklage angefochten werden. Befangenheit liege auch vor, falls der Vereinsvorsitzende mitberät, wenn es um Zuschüsse oder die neue Turnhalle geht, oder ein Gemeinderat über die Schließung des städtischen Krankenhauses mitentscheidet, in der seine Ehefrau arbeitet.
Als prominentes Beispiel nennt Fleckenstein Freiburgs OB Dieter Salomon, dessen Büroleiterin zugleich seine Partnerin war. Als der Gemeinderat über ihre Beförderung entschied, wurde diskutiert, ob Salomon befangen war. »Er hätte abstimmen dürfen, weil die Befangenheit nur für Ehegatten gilt, weil sonst aus Sicht des Gesetzgebers die Abgrenzung zu schwierig wird, aber er hat verzichtet«, so Fleckenstein, der das für eine kluge Entscheidung hält, zumal Salomon inzwischen mit seiner langjährigen Partnerin verheiratet sei.