Wenn der Dünger aus der Kläranlage kommt
Seit November 2011 läuft im Verbandsklärwerk in Griesheim ein Pilotprojekt: Aus Klärschlamm wird dort der Rohstoff Phosphor gewonnen, der künftig als Dünger in der Landwirtschaft eingesetzt werden soll. Erste Erfolge vermeldeten die Verantwortlichen gestern Vormittag beim Besuch der Grünen-Politiker Thomas Marwein und Peter Meiwald.
Offenburg. MgNH4PO4 * 6H2O: Das ist die chemische Formel des hellen Pulvers, das die Verbandskläranlage im Offenburger Ortsteil Griesheim als Rohstoff für die Landwirtschaft produziert. Im November hat dort in der früheren Halle zur Klärschlammtrocknung ein Pilotprojekt begonnen: Aus dem Klärschlamm, der auch von rund 85 000 Ortenauern verursacht wird, wird der Rohstoff Phosphor gewonnen, genauer gesagt Magnesium-Ammonium-Phosphat (MAP). Ein Teil des Schlamms landet also nicht in einer Verbrennungsanlage, sondern kann noch als Dünger eingesetzt werden.
Erste Zwischenbilanz
Beim Besuch des umweltpolitischen Sprechers der Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen, Peter Meiwald, und des Offenburger Landtagsabgeordneten Thomas Marwein berichteten die Verantwortlichen gestern von den ersten Erfolgen der rund 650 000 Euro teuren Anlage, deren Bau komplett vom Land Baden-Württemberg gefördert wurde.
»Es läuft stabil, und der Energieeinsatz ist gering«, bilanzierte der Geschäftsführer des Abwasserzweckverbands Raum Offenburg (AZV), Ralph-Edgar Mohn. 35 Kilogramm ließen sich aus acht Kubikmetern Klärschlamm gewinnen. Fünf bis zehn Prozent des gesamten Klärschlamms – seit 2003 waren es im Abwasserzweckverband rund 6500 Tonnen – landen in der Anlage. Davon werden derzeit bis zu 40 Prozent des vorhandenen Phosphats filtriert. Der Dünger, der mit der Pilotanlage produziert wird, sei zwar teurer als konventionelle Produkte. Allerdings gehe es darum, einen endlichen Rohstoff aus dem Abwasser zu gewinnen und auf diese Weise auch langfristig unabhängig von Phosphor-Vorkommen in teilweise politisch unsicheren Staaten zu werden. Oberbürgermeisterin Edith Schreiner betonte die Wichtigkeit, »neue Dinge offensiv anzugehen«. Sie stellte fest: »Wir sind der größte Pilotbetrieb in der ganzen Bundesrepublik.«
Entwickelt hat das Verfahren das Institut für Siedlungswasserbau, Wassergüte und Abfallwirtschaft (ISWA) der Universität Stuttgart in Zusammenarbeit mit dem Ingenieurbüro IAT Ingenieurberatung in Stuttgart. Werner Maier (IAT) erläuterte als »Vater des Verfahrens« den technischen Ablauf (siehe »Hintergrund«). Was die Kosten der Rohstoffrückgewinnung angeht, räumte er ein: »Aus wirtschaftlicher Sicht kann man es nicht machen.« Deshalb plädiere er für eine gesetzliche Verordnung zur Rückgewinnung, die sich über Gebühren finanzieren könnte.
So funktioniert die Phosphat-Anlage
Auf dem Weg vom Klärschlamm zum Phosphat wird der Schlamm zunächst in die Rückgewinnungsanlage geleitet, die auf 12 000 Kubikmeter ausgelegt ist. Dann geht es in mehreren Schritten voran: Zunächst wird der pH-Wert durch Zugabe von Schwefelsäure in einem ersten Behälter herabgesenkt (derzeit circa pH 5), um den Schlamm zu entwässern und die groben Sedimente als »Filterkuchen« abzutrennen. Unter Beigabe von Zitronensäure, Magnesiumoxid und Natronlauge wird das Filtrat in einen zweien Behälter gegeben, um sogenannte Störionen zu beseitigen und das Magnesium-Ammonion-Phosphat auszuscheiden. Es wird anschließend sedimentiert, sodass als Endprodukt ein helles Pulver aus der Anlage herauskommt.