Wilhelmstraße: Ein Teil der Baumallee soll weichen
Glaubenskrieg um Tempo 30, parteipolitische Giftpfeile und Wortgefechte um den Erhalt der Bäume: Die Debatte um den Ausbau der Wilhelmstraße wurde gestern Abend im Verkehrsausschuss erneut emotional geführt. CDU, SPD und Grüne votierten dafür, sich zugunsten von Busbuchten und Schutzstreifen von einem Teil des Grüns zu trennen. Freie Wähler und vor allem FDP machten sich für den Erhalt des historischen Baumbestands stark.
Die Vorgeschichte ist bekannt: Die Stadtverwaltung erlitt im Juni mit ihren dilettantisch vorgetragenen Plänen zur Neugestaltung der Wilhelmstraße Schiffbruch, vor allem weil diese einen Kahlhieb der stadtbildprägenden Baumallee am Bahngraben zur Folge gehabt hätten. Auf Antrag von CDU-Chef Albert Glatt wurde das Ganze damals vertagt. Gestern Abend ging’s im Verkehrsausschuss in die nächste Runde.
Um es vorwegzunehmen: Es war wieder Pfeffer drin, die Debatte wurde erneut hitzig geführt, am Ende stand allerdings trotzdem ein klares Votum. Eine Mehrheit aus CDU, SPD und Grünen stimmte dafür, den Umbau der Wilhelmstraße wie folgt vorzunehmen: Schutzstreifen auf beiden Seiten sowie Bushaltestellen nördlich und südlich der Zauberflötebrücke. Einführend hatte der städtische Verkehrschef Andreas Demny deutlich gemacht, dass der Ausbau der Wilhelmstraße einer »Quadratur des Kreises« gleichkomme und eine Berücksichtigung aller Interessen nicht möglich sei.
Bei der mehrheitlich gewählten Variante heißt dies: Die Längsparkplätze in der Wilhelmstraße müssen »verlagert« werden, sprich sie fallen weg. Ob die ersatzweise angebotenen Kurzzeitparkplätze in der Turnhallestraße für die Geschäftsinhaber ausreichen, wagte FDP-Stadtrat Silvano Zampolli zu bezweifeln. Er sagte: »Die Apotheke wird sterben.«
»Mit uns kein Baum«
Die Emotionen im Juni hatten sich aber hauptsächlich an dem geplanten Kahlhieb festgemacht. Die jetzt mehrheitlich befürwortete Variante sieht nun einen Teilerhalt vor. Für eine vollwertige Bushaltestelle könne man den Verlust von wenigen Bäumen in Kauf nehmen, sagte CDU-Chef Albert Glatt. Dieser Auffassung schlossen sich SPD-Chef Jochen Ficht und sogar Grünen-Chef Ingo Eisenbeiß an, der noch im Juni gesagt hatte »Mit uns fällt kein Baum«, sich aber nun zu diesem »Kompromiss« durchgerungen hatte.
Wie eine Eiche indes zu den Bäumen stand FDP-Chef Thomas Bauknecht. Er fragte: »Muss immer das wertvolle innerstädtische Grün weichen, damit alles verkehrstechnisch komfortabler wird?« Er warnte davor, dass das stadtbildprägende Grün unwiderbringlich verlorengehen könnte.
Angi Morstadt von den Freien Wählern machte sich ebenfalls für den Erhalt der Bäume stark. Das sei möglich, wenn man unkonventionelle Wege gehe, nämlich den Fußgängerverkehr nach Osten verlagere und den Radverkehr im Westen belasse, wo es die Radfahrer jetzt schon gewohnt seien.
Gar Plädoyers für den Erhalt der Baumallee hielten die Vertreter der Bürgergemeinschaften, die von einstimmigen Voten der Bürger berichteten, die Bäume nicht anzutasten. »Sie helfen uns beim Ozon, Feinstaub und bringen uns Schatten«, sagte Ingo Fritz (Stadtmitte). Die Bürger seien dagegen, die Bäume zu fällen, reportierte Roland Köhler von der Bürgergemeinschaft Nord Ost, der gleich noch die Schutzstreifen kritisierte: »Nicht ein Prozent derer, die sich auf der Rammersweierstraße bewegen, benutzt sie.«
Populismus-Vorwürfe
Womit wir beim Scharmützel zwischen CDU-Chef Albert Glatt und seinen beiden Fraktionskollegen Ficht (SPD) und Eisenbeiß (Grüne) wären. Glatt warf Ficht wegen eifrig versandter Pressemitteilungen zum Thema Tempo 30 »Populismus« vor und kritisierte Eisenbeiß wegen seiner Aussage »Mit uns kein Baum« gleich mit. Ficht und Eisenbeiß begründeten ihren gemeinsam gestellten Tempo-30-Antrag für die Wilhelmstraße damit, dass die Schutzstreifen mehr Akzeptanz bei den Radfahrern erhielten, wenn der Verkehr nicht mit Tempo 50 an ihnen vorbeiziehe. Glatt indes sprach sich klar gegen »eine Gängelung der Autofahrer« aus. Schließlich stimmte eine 8:6-Mehrheit gegen Tempo 30.
Das letzte Wort in Sachen Ausbau der Wilhelmstraße, der übrigens 1,31 Millionen Euro kosten soll, hat nun am 21. November der Gemeinderat. Zuvor gibt es am Dienstag, 25. Oktober, noch eine Bürgerversammlung, die ebenfalls ziemlich hitzig verlaufen dürfte. Um das vorherzusagen, muss man kein Prophet sein.