Traditionsunternehmen Witzig & Frank im Aufwind
Vor knapp sechs Jahren stand die Produktion vor dem Aus, seit dem vergangenen Jahr geht es wieder bergauf: Das Offenburger Traditionsunternehmen Witzig & Frank ist unter dem neuen Investor FFG wieder konkurrenzfähig geworden. Auch im Jubiläumsjahr stehen die Zeichen auf Wachstum.
Anfang 2009 war nur noch ein letzter Rest Hoffnung bei den Beschäftigten von Witzig & Frank. Die Hoffnung auf einen neuen Investor, der rund 200 Mitarbeiter vor der Entlassung bewahren sollte. Die Belegschaft machte sich mit einer Unterschriftenaktion für das Offenburger Traditionsunternehmen stark, demonstrierte auf dem Werksgelände. »Über 800 Frauen, Kinder und Männer stehen vor ihrem Ruin«, stand auf einem Plakat zu lesen, das die Mitarbeiter damals bei einer Kundgebung präsentierten. Wenige Monate später war das Aus für das Offenburger Traditionsunternehmen am Holderstock besiegelt. Nur noch 28 Mitarbeiter blieben, sie waren teils im Service, teils im Vertrieb beschäftigt.
Vor diesem Hintergrund ist es bemerkenswert, dass es Mitarbeiter gab, die die Hoffnung nie aufgegeben haben – und nun miterleben, wie aus Witzig & Frank sechs Jahre nach dem Niedergang und 150 Jahre nach der Gründung wieder ein konkurrenzfähiges Unternehmen geworden ist. Vertriebsleiter Pascal Schnebelt (42) ist einer dieser Mitarbeiter. Er sagt: »Wir haben immer daran geglaubt, dass der Betrieb weitergeht.«
Und wie: Nach der Übernahme durch die FFG Europe Gruppe Ende 2013 erhielt Witzig & Frank Aufträge über 24 Millionen Euro; geplant waren zwölf Millionen. Im November 2014 wurde die erste Maschine, ein Rundtransferautomat, an einen Hersteller von Sanitär- und Heizungstechnik ausgeliefert. Inzwischen zählt das Unternehmen, das im Sonderwerkzeugmaschinenbau tätig ist, wieder 50 Mitarbeiter, die das 36 000 Quadratmeter große Firmengelände mit Leben füllen. Langfristig ist ein Umsatz um die 40 Millionen Euro angepeilt. »Ich weiß nicht, ob es so was in Deutschland schon mal gegeben hat«, merkt Schnebelt an – und fügt hinzu: »Wie Phönix aus der Asche«.
Schnebelt arbeitet seit 1999 bei Witzig & Frank, fast genauso lange wie Standortleiter Frank Lutz, der im Unternehmen seine Lehre als Maschinenschlosser gemacht hat. Beide verbindet der gemeinsame Weg mit allen leidvollen Erfahrungen. Angefangen haben sie in der Konstruktion von Sondermaschinen. Sie erlebten anfangs die »Blütetzeit« unter der Regie des Thyssen-Konzerns mit.
Bindung ging verloren
Dann kam der Umbruch: 2005 wurde das Unternehmen an den MAG-Konzern verkauft. Für Schnebelt ist klar, warum es fortan bergab ging: Die Kunden verloren die Bindung zur Marke Witzig & Frank, die für hohe Qualität und langlebige Produkte gestanden habe. Durch die Verschmelzung sei auch »viel Know-how« verlorengegangen, sagt der Vertriebsleiter.
Das soll nun wieder die Stärke sein: »Ganz klar setzen wir auf das Pfund Technologie-Know-how«, sagt Schnebelt. Das Prinzip: Wenn ein Kunde sagt, er möchte dieses oder jenes Werkzeug eine Million Mal produzieren, baut Witzig & Frank um das Werkstück herum eine passende Maschine. Auch Trends sollen Berücksichtigung finden – etwa der Trend zur sogenannten Hochvolumenfertigung oder zum Umformen von Werkstücken.
Auch setzt man auf die Identifikation mit dem Unternehmen. So wie früher, als die Mitarbeiter stolz waren, einen Lehrvertrag bei der Firma Martin zu bekommen, genauso wie später bei Witzig & Frank. Was Schnebelt besonders freut ist, dass viele Ehemalige nach dem »Neuanfang« zurückgekommen seien und gesagt hätten: »Ich bin stolz, hier zu arbeiten!« Auch das Thema Ausbildung soll wieder anlaufen. »Unsere Vision ist, dass wir hier am Standort eigene Mitarbeiter ausbilden.«
Jubiläum
Zum 150-Jährigen Bestehen von Witzig & Frank sind im Juni ein Expertenforum mit Fachvorträgen und eine Jubiläumsfeier geplant.
Die Historie
Das Maschinenbau-Unternehmen Witzig & Frank wurde 1865 als »mechanische Werkstätte« von Kaspar Martin gegründet. 1969 übernahm das Drehmaschinen-Unternehmen Pittler den Betrieb, 1996 dann der Thyssen-Konzern, 2005 schließlich MAG Industrial Automation Systems. Der Konzern schloss 2009 die Produktion, die unter der FFG Europe Gruppe 2013 wieder aufgenommen worden ist.
Witzig & Frank
Witzig & Frank versteht sich als Technologie-Systemlieferant mit einem »Rundum-Paket«: Das Unternehmen baut Sonderwerkzeugmaschinen für eine hohe Stückzahl, die für den kompletten Bearbeitungsprozess ausgelegt sind. Geliefert wird für drei Märkte: die Automobilindustrie, Armaturen und Fittings (Zubehörteile) sowie Industrial Systems.
In der Automobilindustrie und deren Zulieferen bedient das Offenburger Unternehmen unter anderem Daimler, VW oder Audi, aber auch Harley Davidson. Im Sanitärbereich besteht seit 25 Jahren eine Zusammenarbeit mit dem Unternehmen Viega. Im Bereich Industrial Systems liefert Witzig & Frank Maschinen für Bauteile sogenannter White Goods – Kühlschränke oder Waschmaschinen – für Bosch, Miele oder Beko, außerdem Türschließgehäuse oder Zapfpistolen.
Im Fokus stehen in der nächsten Zeit vor allem die Märkte in China und den USA. In China gibt es bereits eine Niederlassung der FFG-Gruppe, zu der neben Witzig & Frank auch die Marken VDF Boehringer, Hüller Hille, Hessapp, Honsberg und Modul gehören. In den USA soll nun der Versuch unternommen werden, wieder einen Standort aufzubauen, den der MAG-Konzern geschlossen hatte.