Wolfgang Kiderlen (74) ist erneut den 100-Kilometer-Lauf in Biel gelaufen
Am 12. Juni 1987 absolvierte Wolfgang »Wolle« Kiderlen zum ersten Mal den 100-Kilometer Lauf von Biel. Fast 30 Jahre später ist er immer noch dabei – und kein bisschen laufmüde. Denn der 74-Jährige hat noch einiges vor.
»1987 hätte ich nicht gewagt, daran zu denken, dass ich mit 74 Jahren noch mit laufen würden«, sinniert Wolfgang Kiderlen im Rückblick auf eine sportliche Leistung, die schier unmöglich scheint. Dabei zeichnete es sich früh ab, dass der gebürtige Schwabe, der seit vielen Jahren im Rebland wohnt, ein besonderes Talent für die Langstrecke haben könnte.
Immer schon sportlich, hatte er sich Mitte der 1980er-Jahre ohne große Vorbereitung an den Schluchseelauf gewagt. Weit davon entfernt, sich nach den absolvierten 18 Kilometern auf die Schulter zu klopfen, dachte der damals noch als »Abtsberg-Apotheker« voll im Berufsleben stehende »Wolle«: »Wenn ich das schaffe, dann geht auch ein Marathon…«. Und nach dem Marathon – genau: »Wenn ich das schaffe, dann gehen auch 100 Kilometer!«
Allein die Zeit, die man auf so einer Strecke unterwegs ist, macht staunen: »15 Stunden und ein paar Minuten« waren es in diesem Juni, und Wolfgang Kiderlen ging als Fünfter seiner Altersklasse (Jahrgang 1941 und älter) durch das Ziel. Wolfgang Kiderlens Bestzeit liegt bei elf Stunden und zwölf Minuten – »die werde ich wohl in diesem Leben nicht mehr unterbieten«, sagt er lachend.
Immerhin war das Wetter »erfrischend«, wie der trockene Schwabe es ausdrückt: Es regnete nämlich praktisch unablässig. Dazu kam ein sehr kühler Wind – Die pragmatischen Schweizer teilen gegen solch Unbill des Wetters »so eine Art Müllsäcke mit Kopf- und Armlöchern« aus.
Weg ist bestens bekannt
Die Strecke, die sich in fast drei Jahrzehnten nur geringfügig geändert hat, kennt Wolfgang Kiderlen inzwischen im Schlaf: Durch eine Hügellandschaft, ab etwa zehn Kilometern den Fluss Emme entlang. In Läuferkreisen wird der steinige und bei Regen sehr rutschige Dammweg »Ho-Tschi-Minh-Pfad« genannt – jedenfalls von denen, die noch wissen, was das bedeutet. Die Stirnlampe gehört zu den unverzichtbaren Utensilien, schließlich geht der Lauf auch durch die Nachstunden.
Auch für einen alten Hasen wie »Wolle« Kiderlen hält der Lauf noch neue Erlebnisse bereit: Ungefähr 25 Jahre lang lief er am einladenden Gasthaus »Bären« im Örtchen Jens vorbei, wo die Gäste auf der Terrasse die Läufer immer anfeuern. Vor drei Jahren nahm er sich die Zeit, schnell in die Gaststube zu flitzen und für später einen Tisch zu reservieren. Der Verzicht »auf die paar Sekunden« war es wert: Mit den Wirtsleuten verbindet ihn eine Freundschaft auf den ersten Blick. Nun können die anderen Gäste Jahr für Jahr »das Wunder am Stammtisch« bestaunen. Denn der zaundürre Kiderlen kann nach 100 Kilometern wahre Berge vertilgen! Da sind die Bockwürste, die er vom heimatlichen Metzger dabei hatte, gar nicht mitgezählt.
Hätte Wolfgang Kiderlen nicht einmal wegen Krankheit und einmal wegen der Hochzeit einer seiner drei Töchter (inzwischen wagt kein Familienmitglied mehr, Termine ausgerechnet auf die »100 Kilometer von Biel« zu legen) pausiert, dann wäre heuer seit 30. Lauf gewesen. Und natürlich ist er auch im kommenden Jahr dabei: »Erfahrungsgemäß kommt so um Weihnachten herum die Startkarte – die muss ich gar nicht mehr bestellen!«