58-Jähriger gesteht Missbrauch
Wegen 57-fachen sexuellen Missbrauchs muss sich ein 58-Jähriger vor dem Landgericht Baden-Baden verantworten. Am zweiten Verhandlungstag hat der Mann gestern gestanden, einen Jungen ab seinem sechsten Lebensjahr von 1999 bis 2007 missbraucht zu haben.
Auch am zweiten Verhandlungstag am 26. Mai hatten sich im Sitzungssaal der Zweiten Großen Strafkammer des Landgerichts Baden-Baden zahlreiche Besucher eingefunden, um den Prozess des wegen sexuellen Missbrauchs angeklagten 58-Jährigen zu verfolgen.
Der Angeklagte soll sich in Sasbach, in seinem Büro außerhalb der Ortenau und auf einem Campingplatz in Frankreich über sechs Jahre lang, beginnend 1999, unter Androhung von Gewalt an dem damals sechsjährigen Freund seines Sohnes bis vor acht Jahren 57-mal vergangen haben.
Der Angeklagte war wegen ähnlicher Straftaten bereits zu einer Gefängnisstrafe von sieben Jahren und neun Monaten verurteilt worden. Von diesen hatte er fünf Jahre verbüßt, sodass er sich seit Juli 2013 auf freiem Fuß befand. Seit November 2014 sitzt er aufgrund der nun angeklagten Fälle wieder in Untersuchungshaft, die allesamt zeitlich vor jenen der ersten Verurteilung liegen.
Schutz des Zeugen
In Fällen von Kindesmissbrauch ist die Kammer in der Regel bestrebt, traumatisierten Opfern quälende Zeugenaussagen zu ersparen. Der Vorsitzende Richter am Landgericht, Wolfgang Fischer, brachte deshalb einen Verständigungsvorschlag ein. Gemeinsam mit Staatsanwalt Daniel Fehrenbach und den beiden Verteidigern, Dominik Hammerstein und Michael Schmidt, zog er sich zur Beratung zurück, um das weitere Vorgehen zu erörtern.
Ausschlaggebend war zuvor die Bereitschaft des Angeklagten, ein Geständnis abzulegen und die immerhin viele Jahre zurückliegenden Ereignisse nach bestem Wissen zu schildern. Überhaupt machte der Angeklagte, der sich nach eigenem Bekunden seit vier Jahren in psychotherapeutischer Behandlung befindet, einen reuigen und verständigen Eindruck. Er schien von seinem für ihn selbst unfassbaren Verhalten offenbar tief betroffen.
Die 2. Große Strafkammer, Staatsanwaltschaft und Verteidigung verglichen sich nach langwierigen Beratungen unter Einbeziehung des ersten Urteils auf eine Gesamtfreiheitsstrafe von höchstens acht Jahren und neun Monaten – sofern der Angeklagte die vom Vorsitzenden Richter verlesenen Straftaten einräumt. Ferner einigte man sich auf eine Schmerzensgeldzahlung in Höhe von 15 000 Euro.
Der Angeklagte ließ daraufhin eine vorläufige Erklärung verlesen, die seine derzeitige Haltung zu seinen Verfehlungen und zu sich selbst deutlich machen sollte. Er wolle nichts beschönigen. Was er getan habe, tue ihm unendlich leid. Er entschuldigte sich für die psychischen Belastungen, denen er das Opfer ausgesetzt hatte, und erklärte sich damit einverstanden, dass der heute Anfang Zwanzigjährige nicht mehr vor Gericht aussagen muss.
Nicht mehr alle Details
Der Angeklagte könne sich allerdings nicht mehr erinnern, ob sein Opfer in sämtlichen Fällen die Wahrheit sagte. Jedenfalls habe ihm der Junge damals keinerlei Veranlassung gegeben, sich ihm zu nähern. Der Angeklagte könne sich nicht mehr an alle Details erinnern – von der Bedrohung mit einem Elektroschocker wisse er beispielsweise nichts. »Was habe ich getan?«, frage er sich aber selbst. »Selbst wenn alles wahr ist, ich kann es kaum glauben. Meine Taten sind nicht mit Geld wiedergutzumachen. In meiner langen Haftzeit habe ich gelernt zu empfinden, was ich früher habe vermissen lassen«, hieß es in der Erklärung. Das Urteil wird für den 28. Juni erwartet.