Ortenau-Reportage: Am Anschlag
Golf galt früher als Sport der Elite. Und heute? Volontär Marc Mudrak hat einen Platzreifekurs beim Golfclub Urloffen gemacht. Ein Blick hinter die Kulissen.
Die Sonne brennt. Es ist schwül, Gewitterstimmung. Schnaken steigen aus dem Gras auf und schwirren auf mich zu. Ich fixiere den kleinen weißen Ball vor meinen Füßen: 45 Gramm, die ich gleich in den Horizont donnern werde. Schweißperlen rinnen über meine Stirn, das Insektenspray brennt in den Augen. Meine Hände umkrallen den Schläger. Ich hole Schwung. Am Himmel zucken Blitze, ein Regentropfen platscht auf meine Brille, der Wind wird stärker. Der Schlägerkopf saust gegen den Ball, und der fliegt auf und davon, weit, weiter, viel zu weit: ins Gestrüpp am Seitenhaus. Auf Nimmerwiedersehen.
Was für ein mieser Auftakt der Golfprüfung an diesem Samstagnachmittag Ende Juni. Eigentlich will ich heute meinen Platzreifekurs beim Golfclub Urloffen krönen. Fünf Wochen lang hatte ich für diesen Moment trainiert. Doch jetzt ist der Ball futsch – und ein heftiges Gewitter geht über dem Platz nieder. Stark-regen, die roten Fähnchen über den Löchern flattern im Sturm, der Rasen dampft. Ich renne mit den Mitspielern zu einem Unterstand, die Schlägertasche im Schlepptau. Später heißt es: Die Prüfung wird abgebrochen. In einer Woche soll’s von vorn losgehen.
Rückblende, Mitte Mai: Gerade habe ich mich online für den Platzreifekurs angemeldet. 300 Euro muss man dafür berappen, die Ausrüstung stellt der Club. Ich will Golf spielen lernen, Konzentration und Koordination schulen. Vor allem aber will ich wissen, was hinter den Kulissen auf der 45 Hektar großen Anlage passiert und wer sich unter den 850 Mitgliedern tummelt. Tatsächlich die Reichen und Mächtigen der Ortenau? Snobs in teuren Klamotten, die nach dem Spiel Champagner trinken?
Koordination und Ausdauer
Die erste Trainingsstunde. Die Golfanlage befindet sich mitten in den Feldern: zwei Plätze, die 300 Meter lange »Driving Range«, auf der Abschläge geübt werden, und das Clubheim. Schwarzwaldausläufer säumen den Horizont. Auf dem Platz steht Trainerin Susan Moorcraft, eine gebürtige Engländerin. Der Akzent ist der Frau mit der Schildmütze noch anzuhören. Also, was muss ein guter Spieler mitbringen? »Man muss sich kontrollieren und darf sich nicht von schlechten Schlägen stressen lassen«, sagt sie. »Man braucht Koordination und Ausdauer. Golfer kämpfen auch mit sich selbst.«
Zwischenzeitlich haben sich die anderen Teilnehmer des Kurses versammelt. Ein bunter Haufen, Männer und Frauen. Mit 29 Jahren bin ich der Jüngste. Händeschütteln, Smalltalk. Äußerer Eindruck: nicht gerade Arbeiter, aber auch keine Bonzen. Manche sind in Marken-Polohemden gekommen, andere im T-Shirt. Ich trage Jeans, früher ein stilistisches Verbrechen auf dem Golfplatz, doch das scheint in Urloffen niemanden zu interessieren.
Nun stehe ich an der »Driving Range«, Abschläge üben, und folge den Anweisungen von Susan Moorcraft. »Du musst den Ball mit Schwung schlagen und dabei das Becken mitbewegen«, sagt sie. Mein erster Versuch: Der Schläger saust am Ball vorbei. Der nächste Schlag, mit mehr Dynamik in der Hüfte: Getroffen.
Bei der Mitspielerin an meiner Seite läuft es nicht besser. Bianca Borrelli ist 41 Jahre alt, trägt ein weißes, eng anliegendes Top und leitet eine Osteopathie-Praxis. Sie haut auf den Ball und fegt mit diesem gleich einen Batzen Rasen in die Luft. »Noch nicht genug Schwung dahinter«, meint sie, und blickt zu Staatsanwalt Max Schumann (34) mit seiner verspiegelten Sonnenbrille, der hellen Hose und dem schon leicht verschwitzten Polohemd. Er habe früher einmal Golf gespielt, erzählt er. Seine Bewegungen sehen geschmeidig aus, sein Schläger gehorcht ihm – und der Ball fliegt wie am Schnürchen gezogen in die Ferne.
Es wird eng
Drei Wochen später: Meine Haltung beim Abschlag hat sich verbessert, ich weiß, wie man den Ball im Sand spielt und welche Etikette-Regeln es zu beachten gilt. Zum ersten Mal spiele ich nun auf dem richtigen Platz, mit neun Löchern. Meine Bälle pfeifen durch die Luft, nicht immer dorthin, wo sie sollen, aber immerhin: Am Ende loche ich ein, und das mit gar nicht mal so vielen Schlägen. Bei der Prüfung dürfte es eng werden, ich muss in Topform sein. Aber ich kann es schaffen.
In der Nähe des Platzes steht ein weißes Zelt, darin gibt es ein Buffet. Zwei ältere Herren in rosa Pullundern laufen scherzend mit Sektgläsern an mir vorbei. Gerade hat ein Wohltätigkeits-Turnier stattgefunden – gesponsert von Autohäusern, die um das Zelt herum Pkw ab der oberen Mittelklasse ausstellen. Einige Turnierteilnehmer schlendern zwischen den Autos herum, werfen Kennerblicke auf diese. Ein Nicken und ein Lächeln, das zu sagen scheint: »Der hier könnte mein Nächster werden.«
Golf-Klischee bestätigt? Vincent Kraus schüttelt den Kopf. Der kleine, blonde Mann ist der Manager des Urloffener Clubs. »Golf-Vorurteile sind schwer zu entkräften«, sagt er. »Unter unseren Mitgliedern sind aber sowohl Vorstandsvorsitzende als auch Handwerker und Beamte.« Dennoch werde ich das Gefühl nicht los, dass der Golfplatz mehr ist als nur ein Sportplatz. Das liegt nicht zuletzt an der strengen Etikette, die auch das soziale Verhalten regelt. So wissen die Spieler automatisch, wann sie wie reagieren müssen. Der Kopf bleibt frei, etwa für Gespräche über das Wetter, den neuen Job – und bestimmt auch übers Geschäft.
Heute ist der Tag der Entscheidung: Die abgebrochene Prüfung wird auf dem Neun-Loch-Platz nachgeholt. Es ist Freitagabend, Anfang Juli, die Sonne scheint vom blauen Himmel, die Hitze des Tages liegt noch über dem Golfplatz. Ich stehe am ersten Abschlag des Neun-Loch-Platzes. In höchstens sieben Schlägen muss ich hier den Ball 112 Meter weit über den Rasen und ein Sandfeld befördern. »Prüfungen sind für mich die schlimmsten Momente als Golflehrerin«, sagt Susan Moorcraft. »Viele Anfänger bringen da vor Aufregung nicht ihre beste Leistung. Es tut weh, das zu sehen.«
Ich trete vor, den Schläger in den Händen, ein letzter Blick zum Fähnchen. Golf ist ein Kampf mit sich selbst, also Kopf ausschalten, Ball fixieren, ausholen, schlagen. Und schon liegt die Kugel im Gebüsch. Neuer Versuch, plus Strafpunkt. Der Ball landet in der frisch gemähten, duftenden Wiese im Seitenaus. Zum Glück finde ich ihn unter einem Büschel feuchter Grashalme, doch der Untergrund ist schwer zu bespielen, die Flugbahn des Balls kaum zu kontrollieren. Ich dresche auf die Kugel ein, doch die bewegt sich nur um Zentimeter. Ich schlage nochmal, und noch mal, und noch mal. Der Ball liegt jetzt wieder auf dem Rasen, aber ich habe die maximale Schlägezahl erreicht.
Durchgefallen
Am zweiten Loch endet die Partie im Wassergraben, am dritten im Sandbunker. Jetzt muss etwas passieren, sonst kann ich den Rückstand nicht mehr aufholen. Ich mache mich bereit für einen neuen Abschlag, und das Wort »Kampf« in meinem Kopf verwandelt sich in Gewalt, als ich auf den Ball einschlage. Zum ersten Mal fliegt er, schön gerade, in Richtung Loch. Nächster Schlag, sachte, der Ball fliegt federleicht in Richtung Ziel. Adrenalin durchströmt meinen Körper, ich straffe den Rücken, triumphierender Blick auf die Kugel. Eigentlich muss ich diese nur noch anschubsen, dann kullert sie ins Loch. Doch ich schlage, aufgeputscht, viel zu hart, der Ball fliegt in hohem Bogen über das Fähnchen und landet wieder im Sand. Das war’s – durchgefallen.
Drei von sieben Teilnehmern schaffen die Platzreifeprüfung nicht. Ich nehme es am Ende sportlich, blicke noch mal über den Platz, der nun im Dämmerlicht liegt. Golf braucht Muße – und Ruhe. Vielleicht komme ich mit 50 wieder darauf zurück.
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