Ortenau-Reportage
Dossier: 

Badische Fuhrleute: Teamarbeit für Mensch und Pferd

Bettina Kühne
Lesezeit 5 Minuten
Jetzt Artikel teilen:
14. April 2016

Reinhard Haas pflügt mit den Haflingerstuten Azteke (links, 25) und Flora (15) einen Übungsacker um. Beim Badischen Fuhrmannstag am Sonntag in Rust wird er allerdings ohne seine Pferde sein: Er hilft, damit die Wettbewerbe stattfinden können und die Besucher ihren Spaß haben. ©Peter Heck

Übung und Vertrauen braucht es, damit Mensch und Pferd als Team funktionieren. Im Vorfeld des Fuhrmannstags in Rust hat die Mittelbadische Presse dem Verein Badischer Fuhrleute beim Training über die Schulter geschaut.

Moritz schwitzt. Und auch Thomas Diebold sieht man die Anstrengung an: Es ist nicht einfach, dem elfjährigen Schwarzwälder klarzumachen, was man von ihm will. Schließlich ist Sonntag, die Frühlingssonne scheint, und Moritz wird normalerweise vor die Kutsche gespannt. Wenn es immer nur der Straße entlanggeht, muss er eindeutig weniger denken als beim Holzrücken. Da gilt es, seine fast 700 Kilogramm durch den Parcours zu bekommen, der hinter Lahr in den Feldern aufgebaut worden ist.

Und zwar so, dass möglichst kein Tennisball fällt. Die liegen zur Kontrolle auf den Pfosten, die die Bäume symbolisieren, die normalerweise im Wald als Hindernis stehen würden. »Das Pferd darf da nicht dagegenstoßen, sonst würde ja der Baum beschädigt«, erklärt Diebold den Sinn der Konstruktion. 

Er kann zufrieden sein: Moritz ist kein einziges Mal angerempelt – Vereinskollege Reinhard Haas hat ihn am Kopf begleitet, um ihm nochmal zu zeigen, was man von ihm möchte. An den Start wird er beim Fuhrmannstag am Sonntag in Rust trotzdem nicht gehen. Es ist noch zu früh, er hat erst vor Kurzem seinen Kumpel wegen einer Kolik verloren und muss langsam an die neuen Aufgaben herangeführt werden.

»Es geht auf Stimme«, sagt Sabine Schillinger. Sie sitzt am Rand und schaut zu, wie ihr Mann das Pferd erneut durch den Parcours steuert. Die Mähne wurde vorne zu einem Zopf geflochten, damit Moritz besser sieht, wo’s langgeht. 

»Hü, auf geht’s!«

Das Pferd läuft los, die Ketten ziehen an und rasseln. Schließlich wuchtet Moritz den Baumstamm los, der daran befestigt ist. Der Wallach schleppt den Stamm zwischen den Bäumen hindurch, Diebold hält die Zügel in der Hand. 

»Hischt« – ein bisschen mehr rechts, das Duo braucht gleich Platz zum Wenden. Und dann kommt das schwierigste Stück der Strecke: ein quergelegter Balken. Moritz steigt darüber. Dann heißt es »Brrr« – 700 Kilo bleiben wunschgemäß wie angewurzelt stehen. Jetzt darf sich Moritz keinen Millimeter mehr bewegen, denn Diebold will den Baumstamm aushängen. 

Würde das Pferd jetzt zappeln, zöge das Verletzungen an der Hand nach sich. Es ist also nicht nur Übungs- sondern auch Vertrauenssache, wenn Diebold nun hinter den Schwarzwälder tritt und die Ösen löst. Er schiebt die Metallketten unter dem Hindernis durch, dann werden die Ketten wieder befestigt. »Hü« – jetzt kann der vorgespannte Koloss wieder anziehen. 

Geschafft! 

- Anzeige -

Moritz hat sich eine Pause verdient: Er bekommt sein Spitzkummet wieder abgenommen, das noch echte deutsche Handarbeit ist. »Die meisten Zuggeschirre werden inzwischen in Polen hergestellt«, erzählt Schillinger. 

Moritz wird auf seine Weide gebracht – für heute reicht’s. »Es ist vor allem eine geistige Anstrengung für ihn«, sagt Diebold. Aber genau das ist nicht nur die Herausforderung, sondern auch das Interessante an diesem Hobby. Das Beste für ihn daran: »wenn das Pferd anfängt mitzudenken.« 

Kürzlich war er gebeten worden, mit Moritz zum Holzrücken in den Wald zu kommen. »Teilweise findet schon ein Umdenken statt«, sagt seine Frau. Und manchmal sind die Spurrillen der Vollernter aus ästhetischen Gründen nicht gefragt. So wie jüngst, als ein Ruhewald eingerichtet werden sollte. Moritz war vor Ort, um gleich mehrere Stämme aus dem Wald zu bringen. Bei den ersten zwei oder drei war er willig, aber noch nicht besonders motiviert. Plötzlich hat es Klick gemacht, und das Tier hat quasi von allein »eingeparkt«, damit man ihm den nächsten Stamm anhängen kann. »Das sind die schönsten Momente«, schwärmt Diebold.

Haas ist mit zwei Haflingern aufs Trainingsgelände gekommen: Es gibt noch ein Feld, das nicht umgepflügt worden ist. Als er Azteke und Flora einspannt, »kribbelt« es denen sozusagen schon in den Hufen. Doch halt, auch hier ist ruhig stehen erste Pflicht! Noch der Pflug hintendran, und los geht es. 

Ein Mann, zwei Pferde

Manche arbeiten mit einem extra Fuhrmann, aber Haas hat es allein im Griff. Mit seinen beiden ungeduldigen Ladys zieht er auch allein eine schnurgerade Furche mitten durch den Acker – den Zügel um den Oberkörper gelegt, damit noch eine Hand frei bleibt. 

Die beiden Damen ziehen fast zu schnell, ihr Chef reguliert mehrfach das Tempo, am Ende der Bahn bremst er ihren Eifer ganz aus. »Im Wettbewerb soll die Ackerkante exakt sein und die Straße darf nicht verschmutzen«, erklärt Schillinger.

Deshalb packt Haas den Pflug noch einmal und kippt die Erde aufs Feld, bevor er die beiden ambitionierten Ponys retourschickt. Die sind von ihrer Aufgabe angetan und »streiten« eine Sekunde, wer in der Furche laufen darf, bevor von Haas eine eindeutige Order kommt.

Haas selbst wird sich dem Wettbewerb am Sonntag allerdings auch nicht stellen: »Wir brauchen alle Vereinsmitglieder zum Helfen«, sagt er. Auch Schriftführerin Ariane Brudy hat den Spagat nur einmal probiert. »Immer wenn ich mich mit meinen Pferden beschäftigen wollte, stand jemand an der Meldestelle und hat nach mir gerufen«, erinnert sie sich. Somit ist der Fuhrmannstag in Rust eher ein Kraftakt für die Menschen. Spaß wird das Vorstandsteam der Badischen Fuhrleute haben, denn ein wichtiges Ziel ist erreicht: Sie wollen die alten Kulturtechniken zeigen.
 

Weitere Artikel aus der Kategorie: Ortenau

Knacken die Offenburger noch die Marke von 1000 Teilnehmern beim Ortenau-Check?
vor 36 Minuten
Ortenau-Check
Am Sonntag endet der große Ortenau-Check. Sie haben also nur noch drei Tage Zeit, um für Ihre Heimat abzustimmen. Je mehr Bürger teilnehmen, desto aussagekräftiger wird das Ergebnis.
Ein riesiges Transparent mit der Aufschrift "Utilisez votre voix, use your voice, nutze Deine Stimme" wirbt derzeit am Europäischen Parlament in Straßburg für die Europawahlen, die vom 6. bis 9. Juni stattfinden – in Deutschland am Sonntag, 9. Juni.⇒Foto: Jean-Francois Badias/AP/dpa
vor 3 Stunden
Die Ortenau und das Elsass profitieren besonders
Die Europäische Union hat im Alltag der Bürger vieles verändert. In Grenzregionen wie etwa der Ortenau und dem Elsass ist Europa besonders deutlich spürbar. In der zweiten Folge unserer Serie zur Europawahl gibt es einen Überblick über wichtige Entwicklungen.
vor 5 Stunden
Ortenau
Nach der tödlichen Attacke in einer Schule läuft nun der Prozess gegen den mutmaßlichen Schützen. Wegen des Jugendschutzes gelten strenge Regeln.
Regen, Hagel, Eis und Graupel waren die Gründe für zahlreiche Unfälle auf der A5 am Mittwochabend. Laut Polizei entstand so ein Schaden in Höhe von über 150.000 Euro.
vor 6 Stunden
Autobahn zeitweise gesperrt
Zu zahlreichen Verkehrsunfällen wegen Regen, Eis und Hagel ist es am Mittwochabend auf der A5 gekommen. Zeitweise musste die Autobahn auf Höhe Appenweier gesperrt werden. Die Polizei spricht von einem Schaden von über 150.000 Euro.
Vor ihrem Wahlkampf-Auftritt in Neuried war Marie-Agnes Strack-Zimmermann bei der Mittelbadischen Presse in Offenburg zu Gast.
vor 6 Stunden
Interview mit Marie-Agnes Strack-Zimmermann
Im Interview spricht die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses und FDP-Spitzenkandidatin für die Europawahl über unsere Sicherheit. Sie sagt, knicken Deutschland und Europa bei der Unterstützung der Ukraine ein, wird Putin weitere Länder angreifen.
Auch in der Offenburger Innenstadt war die Polizei beim Sicherheitstag verstärkt präsent: Dort lag ein Fokus auf Fahrradfahrern, die etwa für das Tragen eines Helms sensibilisiert und zum Diebstahlschutz informiert wurden.
vor 7 Stunden
Schon der siebte Sicherheitstag
Das Polizeipräsidium Offenburg hat am Mittwoch ab 6 Uhr am Morgen einen Sicherheitstag auf die Beine gestellt. Mit verschiedenen Aktionen soll das Sicherheitsgefühl der Bürger gestärkt werden.
vor 17 Stunden
Offenburg
Nach den tödlichen Schüssen an der Waldbachschule in Offenburg im November beginnt die Verhandlung am Donnerstag, 18. April, gegen einen 15-jährigen Schüler unter anderem wegen Mordes.
Ein Dachdecker verlegt sogenannte Biberschwänze auf einem großen Hausdach. Die Lage der Handwerksbetriebe stagniert laut Handwerkskammer Freiburg auf niedrigem Niveau.
vor 18 Stunden
Handwerkskammer Freiburg legt Zahlen für erstes Quartal vor
Betriebe sind unzufrieden mit ihrer Auftragslage und den Umsätzen. "Der Stagnation auf niedrigem Niveau muss etwas entgegengesetzt werden", so Christof Burger, Vizepräsident der Handwerkskammer Freiburg
Wenn viel Schnee fällt, muss der Räumdienst gut geplant sein. Sensoren helfen mancherorts in der Ortenau, die Abläufe einfacher zu machen.
17.04.2024
Offenburg und Lahr setzen Sensoren ein
Schnee und Glätte automatisch erfassen: Mit Sensoren hält die Digitalisierung auch im städtischen Winterdienst zunehmend Einzug. Weniger Kontrollfahrten dank Wetterstationen.
Ein Teil der Beute, den die Ermittler der Polizei im Versteck der Diebe gefunden haben. 
17.04.2024
Duo in Haft
Bei einem Wohnungseinbruch im Januar ist der Polizei die Festnahme zweier Einbrecher auf frischer Tat gelungen. Die Täter sind für zahlreiche Diebstähle auch in der Ortenau verantwortlich. Nun sucht die Polizei nach den Besitzern der Schmuckstücke.
Online-Betrug: Um eine Wohnung besichtigen zu können und auf Platz eins der Bewerberliste aufzusteigen, sollte ein Mann aus dem Raum Lahr 5.700 Euro vorab bezahlen.
17.04.2024
Lahr
Ein außergewöhnlich günstiges Inserat aus dem Raum Lahr auf einer Immobilienplattform hat sich für einen Mann als Betrugsmasche herausgestellt. Er blieb jedoch skeptisch und informierte die Polizei.
Die B28 ist im Bereich des Oberkircher Tunnels in Richtung Appenweier nach einem Unfall gesperrt.
17.04.2024
Oberkirch
Nach einem Unfall ist der Oberkircher Tunnel in Richtung Appenweier gesperrt. Ein LKW hat dort etwa 70 Sprudelkästen verloren.

Das könnte Sie auch interessieren

- Anzeige -
  • Alles andere als ein Glücksspiel: die Geldanlage in Aktien. Den Beweis dafür tritt azemos in Offenburg seit mehr als 20 Jahren erfolgreich an.
    17.04.2024
    Mit den azemos-Anlagestrategien auf der sicheren Seite
    Die azemos Vermögensmanagement GmbH in Offenburg gewährt einen Einblick in die Arbeit der Analysten und die seit mehr als 20 Jahren erfolgreichen Anlagestrategien für Privat- sowie Geschäftskunden.
  • Auch das Handwerk zeigt bei der Berufsinfomesse (BIM), was es alles kann. Hier wird beispielsweise präsentiert, wie Pflaster fachmännisch verlegt wird. 
    13.04.2024
    432 Aussteller informieren bei der Berufsinfomesse Offenburg
    Die 23. Berufsinfomesse in der Messe Offenburg-Ortenau wird ein Event der Superlative. Am 19. und 20. April präsentieren 432 Aussteller Schulabsolventen und Fortbildungswilligen einen Querschnitt durch die Ortenauer Berufswelt. Rund 24.000 Besucher werden erwartet.
  • Der Frühling steht vor der Tür und die After-Work-Events starten auf dem Quartiersplatz des Offenburger Rée Carrés.
    12.04.2024
    Ab 8. Mai: Zum After Work ins Rée Carré Offenburg
    In gemütlicher Runde chillen, dazu etwas Leckeres essen und den Tag mit einem Drink ausklingen lassen? Das ist bei den After-Work-Events im Rée Carré in Offenburg möglich. Sie finden von Mai bis Oktober jeweils von 17 bis 21 Uhr auf dem Quartiersplatz statt.
  • Mit der Kraft der Sonne bringt das Unternehmen Richard Neumayer in Hausach den Stahl zum Glühen. Einige der Solarmodule befinden sich auf den Produktionshallen.
    09.04.2024
    Richard Neumayer GmbH als Klimaschutz-Pionier ausgezeichnet
    Das Hausacher Unternehmen Richard Neumayer GmbH wurde erneut für seine richtungsweisende Pionierarbeit für mehr Klimaschutz und Nachhaltigkeit ausgezeichnet. Die familiengeführte Stahlschmiede ist "Top Innovator 2024".