Demo: Landwirte kämpfen gegen Mindestlohn
Das Mindeslohngesetz gefährdet die Existenz der Landwirte und Winzer. Mit dieser These startete gestern eine Großkundgebung von Landwirten und Winzern in Oberkirch. Vor allem die Bürokratie ist vielen ein Dorn im Auge.
Montag, 10 Uhr, auf dem Gelände des Obstgroßmarkts Mittelbaden in Oberkirch: Im Konvoi treffen Demonstranten ein. Die Veranstalter sprechen von 1400 Landwirten und 400 Traktoren, die Polizei berichtet von 250 Schleppern und rund 900 Landwirten.
Egal: Schilder wie »Hier ruht der Obstbau«, »Wer hat uns verraten? Christdemokraten!« oder »Nahles macht sich die (Arbeits)Welt, wie es ihr gefällt«, zeigen, worum es geht.
»Der Mindestlohn gefährdet die Existenz. Wir haben freie Marktwirtschaft. Die Politik hat da keine Regelungen zu treffen«, schimpft Franzjosef Müller aus Oberkirch, Präsident des Landesverbandes Erwerbsobstbau.
Vor allem die Ungleichbehandlung von Kurzzeit-Saisonarbeiten zu Vollerwerbskräften ist Müller ein Dorn im Auge. Während die kurzfristig Beschäftigten ihren Bruttolohn netto mit nach Hause nehmen, müssen die Vollzeitkräfte Sozialabgaben zahlen: »Wir fordern daher einen 80-Prozent-Mindestlohn.« Richtig scharf geht er mit der Bürokratie ins Gericht: »Wie oft stellt man uns noch als Verbrecher dar?«, fragte Müller. Denn die Betriebe seien zur unnötigen Dokumentation verpflichtet: »Wir haben doch Lohnabrechnungen«, sagte Müller.
Werner Räpple, Präsident de Badischen Landwirtschaftlichen Hauptverbands, legt nach. »Saisonkräfte kommen nicht, um Urlaub oder Freizeit zu machen. Sie kommen, um ihre Familien daheim ernähren zu können«, sagt er.
»Stasi« und »DDR«
Dass mit dem Mindestlohngesetz unerwartete und bewaffnete Kontrollen vom Zoll in den Betrieben verbunden sein können, ärgert Räpple: »Wo kommen wir denn da hin?« Einige Demonstranten rufen »Stasi« und »DDR«.
Kilian Schneider, Präsident des Badischen Weinbauverbands, befürchtet, dass mit dem Mindestlohngesetz das Leitbild grüner Agrarpolitik – regionale Produktion durch viele Familienbetriebe – »untergeht«. Es brauche Sonderregelungen für Rumänen und Bulgaren: »Sie verhelfen unserer Gesellschaft zu günstigen Lebensmitteln, bauen mit dem hier verdienten Geld ihr Land auf. Sie haben es nicht verdient, in Mündungen von Maschinenpistolen zu schauen!«
Alois Gerig, CDU-Bundestagsabgeordneter (Wahlkreis Odenwald-Tauber) und Vorsitzender des Ausschusses für Ernährung und Landwirtschaft im Bundestag, sagt zu, die Landwirte zu unterstützen, doch alleine könne er es nicht schaffen. »Suchen Sie sich Verbündete!«, appelliert er an die Demonstranten und berichtet, dass das Thema im kleinen Kreis im Beisein der Wolfacher CDU-Bundestagsageordneten Kordula Kovac mit Bundeskanzlerin Angela Merkel besprochen worden sei.
Treffen mit Nahles
Auch Guido Wolf, Fraktionsvorsitzender der CDU im Landtag und Spitzenkandidat bei der Landtagswahl 2016, betont, hinter Winzern und Landwirten zu stehen. »Am 14. April gibt es ein Gespräch mit Volker Kauder, danach mit
Andrea Nahles«, kündigt er ein Treffen mit der SPD-Bundes-Arbeitsministerin an.
Friedrich Bullinger, FDP-Landtagsabgeordneter (Schwäbisch Hall) und Mitglied im Ausschuss für ländlichen Raum, sagte: »So lange die FDP in der Regierung war, konnten wir diesen Blödsinn verhindern.« Die Liberalen hatten sich in Berlin als einzige gegen einen Mindestlohn ausgesprochen. »Das haben wir nicht vergessen«, hatte Franzjosef Müller kurz zuvor betont.
Seit 1. Januar gilt flächendeckend der Mindestlohn von 8,50 Euro, Ausnahmen sind bis 2017 möglich. Ein Erntehelfer bei Weinbau und Sonderkulturen verdient nach Angaben von Kilian Schneider mindestens 7,40 Euro.
Grüne und SPD abseits
Die Demonstration der Landwirte gegen das Mindestlohngesetz war gestern schwarz-gelber Wahlkampf. Das liegt auch an SPD und Grünen. Denn die Bundes- und Landtagsabgeordneten aus der Region waren eingeladen, kamen aber nicht. Das war Wasser auf die Mühlen der CDU, auch wenn sich mancher Landwirt von ihr verraten fühlt. Schließlich hatte auch die CDU in Berlin für das Mindestlohngesetz gestimmt. Unabhängig davon: Landwirte und Winzer brauchen marktgerechte Bedingungen. Das Mindestlohngesetzt schafft sie momentan nicht. Wie ist Ihre Meinung? Schreiben Sie an ortenau@reiff.de