Der Kulturbotschafter in Karlsruhe
Von Deutschland nach Frankreich – von Frankreich nach Deutschland. Der Raum Straßburg/Ortenau, der Oberrhein insgesamt ist ein Grenzgebiet, in dem viele den Rhein überqueren – um zu arbeiten, eine Ausbildung zu absolvieren, Sport zu treiben oder sich anderweitig zu engagieren. In einer zehnteiligen Serie stellen wir Grenzgänger aus unterschiedlichen Bereichen vor. Im dritten Teil geht es um der Straßburger Robert Walter, der das Deutsch-Französische Kulturzentrum in Karlsruhe leitet.
Mit seinem verschmitzen Lächeln, der neutralen randlosen Brille und seiner zurückhaltenden Art wirkt Robert Walter nicht besonders auffallend. Aber wenn man sich in der oberrheinischen Kulturszene umhört, wird man schnell feststellen: Es gibt kaum jemanden, der den 61-Jährigen Elsässer nicht kennt. Robert Walter ist überall dabei, steht auf vertrautem Fuß mit Diplomaten und Kulturschaffenden, mit Ministern und Unternehmern. Als Pädagoge, Kulturmanager, Veranstalter sowie Förderer von Künstlern hat er viele Spuren hinterlassen. Vor allem ist ihm ein Kunststück gelungen, das kaum jemand erwartet hatte: Trotz des rigiden Sparkurses der französischen Regierung hat er das Deutsch-Französische Kulturzentrum in Karlsruhe (Centre Culturel Franco-Allemand) in den vergangenen Jahren zu einer Stätte blühenden Lebens gemacht.
Ein Beispiel für das dichte Netzwerk, in dem sich der in Straßburg wohnende »Kulturbotschafter« bewegt, erlebt der Autor dieser Zeilen gleich zu Beginn des Gesprächs: Das Handy klingelt, am Hörer ist der deutsche Botschafter in Madagaskar, Ulrich Hochschild. Walter kennt ihn gut aus dessen Zeit als Straßburger Generalkonsul, man duzt sich selbstverständlich. »Ulrich ist befreundet mit der Botschafterin aus Burkina Faso in Berlin und hat diese gebeten, in unserem Karlsruher Kulturzentrum einen Vortrag über die Frankophonie in ihrem Land zu halten«, erklärt Walter. So macht er Kultur.
Viel in der Welt unterwegs: Von Algerien über Hamburg nach Madrid.
Der gebürtige Straßburger absolvierte ein Lehrerstudium – Fächer: Geschichte und Geographie – und dann lockte ihn die Ferne. Er ging nach Südalgerien, um dort in einem Gymnasium zu unterrichten. »Aber kurze Zeit danach zog es mich von der Sahara in den ›hohen Norden‹«, so Robert Walter. Von 1981 bis 1987 arbeitete er beim Institut Français in Hamburg. Dort lernte er jenen Mann kennen, mit dem er lange Zeit zusammenarbeiten sollte: den Elsässer Künstler Tomi Ungerer. »Das waren richtig wilde Zeiten, da haben wir wirklich viel gemacht«, erinnert sich Walter. So organisierten sie mit anderen 1987 in der Hansestadt die »Elsässische Woche« unter dem Motto: »Achtung, die Elsässer kommen!«. »Es kamen viele Promis aus dem Elsass: die Kabarettgruppe Barabli, Germain Muller, Pierre Pflimlin – alle waren sie da.« 1986, bei einem Aufenthalt in einem Pariser Forschungsinstitut, bereitete er den deutsch-französischen Kulturgipfel mit Kanzler Helmut Kohl und dem damaligen französischen Präsidenten François Mitterrand vor.
Nach seinem Hamburger Aufenthalt arbeitete Walter ab 1987 für fast vier Jahre als Kulturattaché an der französischen Botschaft in Madrid. Danach ließ er seinen Diplomatenjob sausen und stürzte sich in ein Abenteuer, das nicht gut ausging. Er gründete mit Tomi Ungerer in Straßburg die »Culture Bank Tomi Ungerer«. »Wir hatten vor, den deutsch-französischen Kulturaustausch zu fördern, und hatten Ideen für viele Projekte, die wir mit Mäzenen verwirklichen wollten«, so Walter. Aber das Unternehmen scheiterte an Geldmangel, der umtriebige Kulturfan ging brav als Lehrer zurück an eine Bischheimer Realschule. Seine Freundschaft mit Tomi Ungerer ist an diesem Fiasko nicht zerbrochen. Im Gegenteil: Seit fast 30 Jahren arbeiten beide zusammen, lange hat Robert Walter viele Angelegenheiten für Ungerer, der nun im Süden Irlands auf einem Bauernhof lebt, geregelt und koordiniert immer noch die Zeitschrift »Tomiscope«.
Aber lange hielt es ihn nicht an der Schule. 1996 nahm er den Job beim Deutsch-Französischen Kulturzentrum in Karlsruhe an. Dies geschah in der Phase, in der Paris die Subventionen für derartige Einrichtungen systematisch kürzte. »Ich wurde eigentlich eingestellt, um das Karlsruher Zentrum abzuwickeln und die Aktivitäten nach Tübingen zu verlegen. Aber ich bin ein schlechter Beamter«, sagt Robert Walter amüsiert. Und er stampfte eine Stiftung aus dem Boden, an dem hauptsächlich die Stadt Karlsruhe, aber auch der französische Staat und andere Einrichtungen beteiligt sind. »Ich habe damals einen Trick genutzt«, so Walter verschmitzt. »Als Redner lud ich den damaligen Karlsruher Bundestagsabgeordneten Klaus Kinkel ein. Da dieser auch Außenminister war, konnte die Pariser Regierung natürlich schwer zurückstecken und engagierte sich auch für Karlsruhe.«
Karlsruher Zentrum erhält viel Unterstützung von der Privatwirtschaft
Die Einrichtung, die nun Räumlichkeiten mit einer Größe von 500 Quadratmetern in der Karlsruher Postgalerie belegt, erfreut sich eines enormen Erfolgs, obwohl nur ein kleines Team von drei Festangestellten dabei ist. Möglich ist das nur wegen der großen Unterstützung der Privatwirtschaft und Robert Walter hat sich als wahrer Meister des »Fundraising« erwiesen. Aber Walter macht auch keinen Hehl daraus, dass dies sehr viel Zeit und Kraft kostet. »Manchmal wache ich morgens auf und frage mich: Welchen Mäzen kann ich für dieses Festival oder jenes Kulturtreffen gewinnen?«, sagt er. Aber man merkt, dass ihn dieser Job, so stressig er sein mag, fasziniert.
Viele Impulse gehen von Karlsruhe aus. Intellektuelle wie Alain Finkielkraut und Peter Sloterdijk kreuzten dort bei Podiumsdiskussionen die Klingen, französische Literaturprominenz wie Michel Tournier und Jean d’Ormesson gaben einen Einblick in ihr Werk. Auch prominenten Kunststipendiaten aus Paris bietet er Ausstellungsmöglichkeiten. Besonders stolz ist er auf eine Theaterproduktion, mit der er anlässlich des kürzlich begangenen 50. Jahrestags des Elyséevertrags den jungen Autor Lionel Courtot beauftragt hatte. »Le Traité« (Der Vertrag) heißt das Werk, das zuerst in Karlsruhe aufgeführt wurde. »Das Stück ist zu einem Riesenerfolg geworden und kommt jetzt sogar in Berlin auf die Bühne«, so Walter. Er kooperiert auch mit der IHK und der Arbeitsagentur, nutzt die Beziehungen zur Karlsruher Partnerstadt Nancy, um das kulturelle Leben zu bereichern.
»Kultur ist das Salz des Lebens. Sie ist das, was das Leben eigentlich lebenswert macht.« So begründet der Pendler zwischen Deutschland und Frankreich sein enormes Engagement, das auch von hohen staatlichen Stellen gewürdigt wurde. Ist er doch Träger des Bundesverdienstkreuzes am Bande und Ritter des »Ordre National du Mérite« in Frankreich. Und er wird auch weiter in den kommenden Jahren den Kulturaustausch nach Kräften fördern: »Die Kultur weitet unseren Geist und macht uns empfindsam für die Eigenheiten des Nachbarlandes.«