Ortenau-Reportage

Der Traum der Nummer 1

Andreas Marx
Lesezeit 6 Minuten
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24. August 2016
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Zu Beginn passte die Geschäftsidee auf einen Bierdeckel, zwischenzeitlich streben Matthias Leibitz (Foto) und sein Geschäftspartner Manuel Meier mit ihrem Torwart-Handschuh »T1tan« die Vertriebsspitze im deutschsprachigen Raum an.

Zu Beginn passte die Geschäftsidee auf einen Bierdeckel, zwischenzeitlich streben Matthias Leibitz (Foto) und sein Geschäftspartner Manuel Meier mit ihrem Torwart-Handschuh »T1tan« die Vertriebsspitze im deutschsprachigen Raum an. ©T1tan

Zwei Hobby-Fußballer aus der Ortenau verkaufen mit ihrer eigenen Marke »T1tan« Torwart-Handschuhe. Durch digitale Vertriebswege und Marketingstrategien haben sie sich einen Traum erfüllt. Und es dauerte nicht lange, bis eine Torwart-Legende auf sie aufmerksam wurde.

Eine Erfahrung ist Matthias Leibitz besonders in Erinnerung geblieben: Er ist 15 Jahre alt und steht in der B-Jugend-Auswahl des SC Freiburg im Tor. Mit sechs Jahren schon spielte er auf dieser Position. 
Wie die meisten Jungs in seinem Alter träumt auch er davon, einmal Profi zu werden. Einmal überreichte ihm einer der Profis seine ausrangierten Torwart-Handschuhe. »Die Profi-Torhüter spielten mit Sonderanfertigungen. Die haben sich stark von meinen Modellen unterschieden«, erinnert sich Leibitz. 

Das sei ein Highlight für ihn gewesen. Schon damals habe er gemerkt, wie wenig Grip sein Billigmodell hatte und dass dieses schlecht verarbeitet sei. Muss das so sein? Diese Frage ließ Leibitz nicht los. 
Dieses Erlebnis ist fast 15 Jahre her, doch noch heute unterscheiden sich Torwarthandschuhe qualitativ und preislich: Die Spanne reicht vom Billigmodell für 18 Euro bis zum Profimodell von Reusch für 150 Euro. Die Handschuhe in den Sportfachgeschäften und an den Händen der Profis ähneln sich zwar, haben aber einen unterschiedlichen Grip, fühlen sich besser an, sind besser verarbeitet. »Außerdem sind sie gesponsert. Ein Profi zahlt keinen Cent dafür. Der Amateur zahlt drauf«, sagt Leibitz. Er beschloss, das zu ändern. Der Traum vom Fußballprofi wird zum Traum, einen hochwertigen und bezahlbaren Torwart-Handschuh herzustellen.

Der Titan ist Namensgeber

Rückblick: Während seines BWL-Studiums lernt Leibitz Manuel Meier kennen. Zusammen schmieden sie den Plan, eine eigene Firma zu gründen, so unabhängig wie möglich zu sein und dafür die Möglichkeiten des Internets zu nutzen. Die beiden brainstormen in einer Kneipe, halten ihr Geschäftsmodell auf einem Bierdeckel fest. Leibitz erinnert sich an seine Zeit als Keeper beim SC Freiburg und an den Traum des eigenen Handschuhs – die Geschäftsidee war geboren. »Alle Torhüter wollen die Handschuhe der Profis haben.« Die aber gebe es nur bei Ebay für 150 Euro und kaum im Laden. Sie beschließen, Torwart-Handschuhe herzustellen, die gut und günstig sind. Sie gründen die Marke »T1tan« in Anlehnung an Oliver Kahn. Der Traum wird langsam Wirklichkeit.

Das Geschäftsmodell der Unternehmer lässt sich bequem von der Couch aus machen. Ein Kunde, der auf dem Onlineshop Handschuhe kauft, erhält wenig später eine automatische Auftragsbestätigung. Die Software registriert den Geldeingang und schickt dem externen Logistiker automatisiert eine E-Mail mit dem Auftrag. Dieser verpackt das Paket und schickt es zum Kunden. 

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»Wenn alles normal läuft, hat man die Ware in 24 bis 48 Stunden«, sagt Leibitz. Der Logistiker organisierte außerdem den Export der Materialien nach Pakistan, da erst dort die Handschuhe produziert und zusammengenäht werden. Die fertigen Exemplare importiert er wieder und lagert sie bei sich ein. »Die Logistik ist unglaublich komplex. Früher haben wir versucht, das selbst zu stemmen, sind aber gescheitert.« Auf diese Weise hätten sie mehr Zeit für die Kernkompetenzen Produktentwicklung, Vermarktung und Kundenservice. Den Rest erledige der Algorithmus. 

Kostenpunkt für Hobby-Torwarte

Die Unternehmer benutzen Materialien, die auch Mitbewerber wie Reusch oder Uhlsport einsetzen. »Unsere Handschuhe verzichten auf unnötigen Schnickschnack. Farbige Beläge der Innenflächen oder komplizierte Verschlüsse machen sie nicht besser, aber dafür teurer.« Aus eigener Erfahrung weiß Leibitz, dass das als Hobby-Torwart empfindlich ins Geld gehen kann, wenn pro Saison drei oder vier Paare gekauft werden müssen. Ihre Klientel ist der Amateur-Torwart. Da Leibitz und Meier ohne Zwischenhändler agieren, setzen sie andere Preise an. »Wir liefern bei gleicher Qualität für 55 Euro.« 

Der automatisierte Arbeitsprozess erlaubt es Leibitz, den Verkauf seiner eigenen Marke als Nebenjob auszuführen. Eigentlich ist er Senior-Marketingmanager bei der Firma Hobart in Offenburg, die sich mit der Offenburger Firma Meiko den Weltmarkt für Profi-Spülmaschinen teilt. »Als ich eingestellt worden war, hatte ich unsere Firma schon gegründet und das auch so kommuniziert.« Wenn sich Geschäft und Arbeit nicht in die Quere kommen, sei das auch kein Problem, wurde signalisiert.
 
So unproblematisch war die Nebenbei-Firma nicht immer gelaufen: Nach der Gründung der Marke versuchte ein Lieferant, die Jungunternehmer auszutricksen und lieferte minderwertige Ware. Die Wege trennten sich: »Mit unserem jetzigen Lieferanten haben wir ein Vertrauensverhältnis, aber am Anfang mussten wir Lehrgeld bezahlen.« Das habe das Unternehmen damals fast gefährdet.  Ein anderes Mal zweifelten die jungen Leute an ihrem Geschäftsmodell, denn sie wussten nicht, wie sie ihren Bekanntheitsgrad steigern können. 

Ihr Markenname erweist sich als Glücksfall: Leibitz und Meier werden in die Geschäftsstelle der Titaneon Media AG gebeten, Oliver Kahns Firma in München. Die Ortenauer fürchten eine Unterlassungsklage wegen Verstoßes gegen Namen- oder Markenrechte. Doch sie werden gefragt: »Wie sieht’s aus, wollt ihr eure Firma verkaufen?« Zahlen seien keine genannt worden, erzählt Leibitz, doch Kahn erläuterte, dass er nach Asien und Südamerika expandieren wolle. Nach dem Gespräch verabschiedet sich der Titan: »Ich melde mich bei euch.« Das hat er bisher nicht getan. Dennoch: Die Erfahrung machte Meier und Leibitz Mut. Sie arbeiteten professioneller, nutzen soziale Netzwerke und verschicken ihre Handschuhe an User – der Rücklauf war durchweg positiv. Weder Uhlsport noch Adidas  haben vom Ortenauer Produkt gehört. »T1tan« sei nicht im Mindesten relevant für das Unternehmen, heißt es schmallippig von Reusch. Das beeindruckt die beiden »Macher« nicht im Geringsten.  

Der Traum vom Handschuh ist verwirklicht, doch der Hunger nicht gestillt: »Wir wollen im deutschsprachigen Raum die Nummer eins werden.« Und da wollen die Jungunternehmer mit dem Deutschen Fußballverband den größten Sportverband der Welt nutzen. Die Nummer eins werden zu wollen, ist für jemanden, der die Zahl Jahre auf dem Rücken getragen hat, eine Verpflichtung. 
Der »T1tan« hatte schon einen Olympia-Einsatz: 2012 trug zum ersten Mal einHandschuh »T1tan« – der Schlussmann der Vereinigen Arabischen Emirate beim 1:3 gegen England. Dass das Spiel so ausging – diesen Handschuh müssen sich Leibitz und Meier nicht anziehen.
 

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