Ortenau-Reportage

Die Lust am Tüfteln

Bettina Kühne
Lesezeit 6 Minuten
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29. Januar 2015
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Löten, schrauben, schnippeln: Im »Repair-Café« wird fleißig repariert. ©Ulrich Marx

Reparieren statt wegwerfen: Im Offenburger »Repair-Café« versuchen Ehrenamtliche einmal im Monat, streikende Haushaltsgeräte und defekte Kleidung wieder flottzumachen.

Ein Nicken, ein konzentrierter Blick – und hinter der Stirn laufen die Zahnrädchen, während der ratsuchende Herr im »Repair-Café« im Stadtteilzentrum am Mühlbach in Offenburg erklärt, was seinem Toaster fehlt. Die Scheiben verbrennen. Mehr Information hat der freiwillige Bastler, der mithilft, Elektrogeräte wieder in Gang zu bringen, die normalerweise auf dem Müll landen würden, nicht. Der Toaster wird gedreht, gekippt, an den Knöpfen gespielt. Und schließlich ein Zängchen gezückt: Etwas im Innern hatte sich verbogen, deshalb blieb der Toast zu lange »hängen« und wurde schwarz. »Morgen werde ich das gleich beim Frühstück probieren, ob es wieder geht«, sagt der Besitzer zufrieden. Mit dem zweiten Vario-Toaster, den er mitbrachte, hatte er nicht so viel Glück: Die Glühwendel sind durchgeschmort. »Es hilft nur ein Ersatzteil«, heißt das fachmännische Urteil. Aber da er lieber reparieren statt wegschmeißen will, wird er versuchen, bis zum nächsten Treffen eins mitzubringen.

Im nächsten Moment gehen alle Köpfe hoch: Ein Radio dudelt. Wieder. Hörbares Zeichen für alle Bastler wie Hilfesuchenden, dass hier was geht. Ein Lächeln zieht über die Gesichter, dann konzentriert sich Christian Dunker wieder auf den Fahrradreifen vor ihm. Eine Dame hat ihren Drahtesel vorbeigebracht, damit die Arbeit erledigt wird. »Wir sind aber keine Konkurrenz zu den Fahrradhändlern«, betont Dunker, der im »Repair-Café« seit Anbeginn sein Know-how zur Verfügung stellt. Es gehe lediglich darum, Unterstützung zu bieten – etwa bei einer Rentnerin, die früher Hilfe von ihrem Mann hatte. Dunker ist von Anfang an dabei und freut sich, dass ihm die Arbeit leicht gemacht wird: »Die Fahrradwerkstatt im Stadtteil- und Familienzentrum ist ja voll ausgestattet.« Neben Werkzeug gibt es auch einen Fahrradhalter, der die Arbeit erleichtert. Deshalb schaut er gleich mal noch nach dem Licht – jetzt, da das Rad schon mal aufgebockt ist.

Mit der eigenen Werkzeugtasche angereist ist Felix Chantrel. Der Elsässer ist der jüngste »gute Geist«; er studiert in Offenburg Elektro- und Informationstechnik und bastelt gerne. Seine Hilfe bietet er zum ersten Mal an. Auch er macht einen Radiohörer glücklich. Johann Dold aus Ortenberg strahlt: »Meine Frau wird sich freuen, seit gut 30 Jahren steht das Radio auf seinem angestammten Platz in der Küche.« Doch inzwischen streikte der »Ein«-Knopf, die musikalische Unterhaltung zur Küchenarbeit war kein reines Vergnügen mehr. Dann hat Dold in der Zeitung vom »Repair-Café« gelesen. Es war nur ein Punkt, der gelötet werden musste, »aber ein Lötgerät habe ich zu Hause nicht«.

Die nächste Kandidatin, die einen gelben Zettel ablegt und damit legitimiert ist, dass sie nun an die Reihe kommt, ist eine junge Frau. Ihr Drucker greift nicht mehr auf die Farbe »Magenta« zurück. Bisherige Versuche, ihn zu einem korrekten Farbausdruck zu bewegen, scheiterten. »Es muss aber gehen«, sagt sie aufgeregt und läuft auf und ab. Trotzdem: Der Drucker tut’s nicht, der Bastler zuckt die Schultern, es tue ihm leid. Eine Garantie, dass ein Gerät tatsächlich instand gesetzt werden kann, geben die Veranstalter vom Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (Bund) nicht.

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Außerdem: Es sind keine Kosten entstanden. Beim nächsten Sorgenkind, einem DVD-Player, der die Disk nicht mehr ausspuckt, hat Felix mehr Glück: Nachdem er sämtliche Schräubchen demontiert hat, kann er die Lade aus dem Gehäuse nehmen. Er spielt damit, schaut, drückt. Dabei löst sich wohl der Fussel, der die Funktion gehemmt hat. Jedenfalls läuft der Mechanismus einwandfrei. Alle Schrauben wieder rein, fertig, danke. Nebenan sorgt ein Mann mit einem defekten Staubsauger für Lacher: Kaputt sei der, ausgerechnet jetzt, wo die Garantie abgelaufen sei. Der Bastler findet aber spontan keine Lösung. Er hakt wegen der Garantie nach. »Es war eine Werbeprämie«, räumt der Besitzer ein. Alles grinst. Dann soll er sich an das Unternehmen wenden, schlägt der Bastler vor.

Nebenan rattert eine Heckenschere. »Na, was geht da nicht?«, witzelt der Ehrenamtliche, der dem Gartengerät gerade wieder auf die Sprünge geholfen hat. Sein Besitzer lacht – schließlich muss wieder Ordnung in den Garten kommen. Vor lauter Freude will er schon wieder gehen – und vergisst beinah, die Heckenschere wieder in ihrem Karton zu verstauen. Auch Martin Holub aus Hohberg hat wieder eingepackt. Einen Verstärker, kaum 20 Stunden in Betrieb. Er ist selbst Hobbybastler und wollte nun eine Diagnose dazu einholen, warum das Gerät seinen Dienst versagt: »Ich will nichts wegschmeißen.« Ein Fachmann hat ihn aufgeschraubt und entdeckt, dass die Kontaktstellen etwas dünn verlötet sind: Darin könnte das Problem liegen. Mehr Hilfe braucht Holub nicht – der Tipp genügt ihm fürs Erste: »Ich werde daheim nun alle Stellen nachlöten.«

Im Café vorne wirbeln Ehrenamtliche, um die Wartenden zu bewirten. Rund die Hälfte der 40 registrierten Freiwilligen sind im Einsatz, viele haben sogar einen Kuchen spendiert, sagt Petra Rumpel, Geschäftsführerin des Offenburger Bund. Aus Appenweier, Gengenbach, Oberkirch, Kehl und der ganzen Region kommen die Gäste, weiß sie. Viele nehmen die Reparaturwerkstatt in Anspruch, einige suchen den Austausch. Dazu hatte Rumpel auch gezielt eingeladen. Denn schön wäre, wenn es auch in anderen Orten im Kreis eine solche Hilfestellung gäbe. Das würde Fahrwege sparen und das Offenburger Angebot entlasten, das im Januar eine besonders starke Nachfrage verzeichnet; wahrscheinlich weil der Dezember-Termin ausgefallen war. Vor allem Besucher aus Gengenbach seien sehr interessiert gewesen, so Rumpel: »Dort könnte bald ein Repair-Café entstehen.«

Hinter den Tischen im Café-Bereich rattert die Nähmaschine. Die meisten Hilfesuchenden kommen wegen defekter Reißverschlüsse. Einigen kann man helfen, andere sind ein Fall für die Änderungsschneiderei. Als Letztes hat sich Beate Benz-Schulz eine Jeans vorgenommen. Ganz schön harte Arbeit, die doppelte Naht auf dem Stretchstoff richtig zu platzieren. Aber es klappt, das Stück ist fertig zur Anprobe. Die Besitzerin schlüpft schnell hinein – endlich passt die Hose perfekt.

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