Die »salzige Susi«
Wenn Thomas Klumpp mit Schneepflug »Susi« unterwegs ist, bedeutet das: Der Winter ist in der Region angekommen. Der 40-Jährige aus Lauf versieht ab 3 Uhr den Dienst, damit die Ortenauer freie Fahrt haben.
Es ist bitterkalt und noch dunkel, aber die Sonne geht bereits langsam auf. Thomas Klumpp sitzt seit 3 Uhr im warmen Führerhaus seines Pfluges und sorgt dafür, dass die Autofahrer freie Straßen haben. Während aus dem Radio die Stimme eines Moderators weitere Schneefälle für die Höhenlagen voraussagt, schaut sich der 40-Jährige auf seiner gemächlichen Fahrt über die Schwarzwaldhochstraße das Naturschauspiel am Horizont an – die schneebeladenen Wolken ziehen heran. Diese Aussicht ist es, die den Laufer über die frühe Arbeitszeit hinwegtröstet: »Wenn man früh morgens hochfährt und alles noch unberührt ist – das ist einfach schön!«
Seit 24 Jahren ist Klumpp als Straßenwärter bei der Straßenmeisterei in Achern tätig. Mit 16 Jahren hat er hier seine Lehre begonnen und ist hängengeblieben. Begleiter bei den täglichen Einsätzen ist das Multifunktionsfahrzeug. »Das ist meine Susi«, sagt Klumpp mit einem Lachen und tätschelt das Lenkrad. »Manchmal will sie nicht wie ich, dann zickt sie«, erzählt Klumpp und drückt dabei auf einen Bildschirm neben dem Lenkrad. Ein Piepsen ertönt, der Schneepflug vorn am Fahrzeug gleitet Richtung Boden und rattert durch die glitzernde Schneedecke. Rechts schießt eine Schneeladung Richtung Fahrbahnrand. Hinten spuckt »Susi« kontinuierlich Salz aus – zehn Gramm pro Quadratmeter. Dass »Susi« nicht immer so will, wundert Klumpp nicht, »denn wegen des Salzes kann so ein Fahrzeug nur bis zu 15 Jahre im Dienst bleiben. Und das, obwohl alle Fahrzeuge bei Schichtwechsel gründlich gesäubert und eingewachst werden«.
Pro Jahr 8000 Tonnen
Bisher wurden in Achern 500 Tonnen Streusalz auf den Straßen verteilt. In allen vier Meistereien in der Ortenau kommt man pro Jahr so auf 2000 bis 8000 Tonnen über den Winter, je nachdem, wie lange die Saison dauert. Gelagert wird der Acherner Vorrat bei Straßenmeister Achim Priller. Der hat Klumpp heute Morgen in den Dienst geschickt – als sogenannter »Gucker«. In dieser Funktion darf sich Klumpp als Erster den Zustand der Strecke von Achern bis hoch zum Ruhestein und runter nach Kehl anschauen. Er muss seine »Susi« mit acht Tonnen Salz-Wasser-Gemisch, der sogenannten Sole, beladen. »Die Sole wirkt schneller, man spart Salz und die Wehverluste auf der Straße sind geringer«, erläutert Priller. Das ist wichtig, denn für die 1000 Kilometer Ortenauer Bundes-, Landes- und Kreisstraßen gibt es keinen 24-Stunden Räumdienst – nur zwischen 3 und 22 Uhr und bei Notfällen kümmert sich einer aus den vier Meistereien ums Räumen.
Bei Priller im warmen Büro riecht es an diesem Morgen nach frischem Kaffee, während er vor dem Computer auf eine Karte mit bunten Straßenlinien und blinkenden Markierungen blickt. Mit einem Klick gelangt er auf eine der fünf Infrarot-Livekameras: Die zeigen ihm im Zehn-Minuten-Takt aktuelle Bilder von den Straßen. Daneben zu sehen sind kompliziert wirkende Daten. »Hier können wir die Straßentemperatur in fünf und in 30 Zentimetern Tiefe, die Lufttemperatur, die Windgeschwindigkeit und die relative Feuchte sehen«, erklärt er und deutet auf den Bildschirm.
Wenn es kritisch wird – etwa bei zu viel Schnee oder wenn die Straßen vereist sind – bekommt Priller eine SMS auf sein Handy geschickt. Dann weiß er, dass ein Fahrer allein die Aufgabe, die Straßen zu räumen, wahrscheinlich nicht bewältigen kann, und ruft bis zu zwei Kollegen oder weitere Fremdfahrer hinzu. »Am 17. Januar 2016 war so ein Tag, da lag der Schnee direkt nach dem Räumen wieder auf den Straßen. Man kam gar nicht mehr hinterher«, erinnert er sich. Heute hat der Straßenmeister aber Glück.
Während unten im Ort von Winter noch nichts zu sehen ist, müssen sich »Susi« und Klumpp oben auf der Schwarzwaldhochstraße durch einige Zentimeter Schnee pflügen. »Manchmal liegt der so hoch, dass man kaum erkennen kann, wo die Straße ist«, erzählt Klumpp. In solchen Situationen helfen ihm nur noch die roten Markierungen, die sogenannten Schneeziele, rechts und links der Fahrbahn. Ein Blick aus dem Führerhaus genügt, um zu erkennen, dass Klumpps Beruf auch einige Gefahren birgt: Direkt neben der Fahrbahn geht es beängstigend steil den Hang hinab. »Wenn es dann noch Nebel hat, muss man sich schon stark konzentrieren und ist abends echt geschafft«, schildert Klumpp. »Darum ist es wichtig, dass man im Sommer schon die Strecke mit allen Gefahrenstellen kennenlernt.« Trotzdem musste er auch schon mal aussteigen, um sich zu vergewissern, wo die Mittellinie ist.
Kein Splitt
Richtung Seebach sind auch viele Lastwagen unterwegs, die ab und zu ins Rutschen geraten. Aber der Straßenwärter weiß, was dann zu tun ist: »Wenn sie querstehen, muss erstmal Salz druntergestreut werden. Sonst komme ich ja auch nicht mehr durch.« Klumpp kommt ein Auto entgegen und er drückt automatisch auf einen Knopf – die Warnfähnchen auf dem Schneepflug flattern und es dröhnt leise, als die Pflugschaufel zur Seite gleitet, um dem Entgegenkommenden Platz zu machen. »Es gibt schon ab und zu Autofahrer, die kein Verständnis haben. Manchmal fuchteln Fußgänger wütend mit der Schneeschaufel«, sagt Klumpp mit einem verschmitzten Lächeln. »Das Problem ist, wenn ich den Schneematsch zur Seite räume und ein Lastwagen hinterher durchfährt, spritzt das auch mal an die Hauswand.« Deshalb verwenden die Straßenmeister auch keinen Splitt. Der schmilzt nicht wie das Salz und würde auf schnellbefahrenen Straßen aufspritzen und die Autos beschädigen.
Klumpp muss an einem Parkplatz wenden und dort auf die stehenden Autos achten. »Gut, dass wir so viele Spiegel haben, da sieht man alles.« Sein Salztank ist fast leer und muss an einem der Silos befüllt werden, bevor es noch höher geht. Der Straßenwärter fährt seine »Susi« unter die Öffnung des Silos und lässt Salz einrieseln. Dann geht es weiter. Vor »Susi« liegt unberührter Schnee – hinter ihr erscheint wie durch Zauberhand eine Straße.
Nach mehr als zwei Stunden Räumen ist der Straßenwärter zufrieden: »Jetzt freuen sich die Wanderer, die hochlaufen wollen.« Es ist kurz vor 12 Uhr und Dienstschluss. Klumpp fährt zurück zur Meisterei, um sich erstmal um »Susi« zu kümmern – sie ist salzig.
Da denkt er schon wieder an den nächsten Morgen, wenn er die unberührte Schönheit des Schwarzwalds genießen darf: »Das ist halt echt was Besonderes, wenn unten die Lichter brennen und dort oben Dunkelheit herrscht!«