Campus-Serie

Hochschulprojekt: Das schnellere Okay für Windkraftanlagen

Jens Sikeler
Lesezeit 6 Minuten
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21. März 2017

Mirco Kron woll mit seiner Arbeit an der Hochschule für Verwaltung in Kehl die Genehmigungsverfahren für Windkraftanlagen maßgeblich erleichtern. Eine Mammutaufgabe.

Die Genehmigung von Windkraftanlagen ist eine komplizierte Sache. Geht es nach den Betreibern, sollen die  Anlagen möglichst groß und dabei leistungsstark gebaut werden und rund um die Uhr laufen, damit sie so viel Geld wie möglich abwerfen. Auf der anderen Seite laufen Bürgerinitiativen Sturm gegen den Bau von neuen Windkraftanlagen. Als Genehmigungsbehörde hat man es da nicht leicht. 

An der Hochschule für öffentliche Verwaltung läuft jetzt ein Projekt, das den Ämtern das Leben wenigstens etwas erleichtern soll. Es trägt den sperrigen Namen »Inhalts- und Nebenbestimmungen in Genehmigungen von Anlagen der Erneuerbaren Energieerzeugung: rechtliche Zulässigkeit und betriebswirtschaftliche Auswirkungen«. Damit sollen den Behörden Werkzeugkasten und Anleitung geboten werden, erläutert Mirco Kron. Der Jurist wird das Projekt drei Jahre lang betreuen. 

Nur wenige Urteile

Hinter dem sperrigen Titel verbirgt sich ein Vorhaben von großer Bedeutung: 563 Windräder sind in Baden-Württemberg in Betrieb, 209 neue genehmigt. Die Verwaltungen stellt das  vor immense Herausforderungen. Es gebe nur wenige Gerichtsurteile, auf die sie sich in ihren Entscheidungen berufen könnten, weist Michael Frey auf ein Problem hin. Das ist einer der Ansatzpunkte. Eines von Krons Zielen ist es, Rechtssicherheit zu schaffen. Bisher hätten Behördenleiter im Nachbarlandkreis angerufen und nachgefragt, wie dort mit einem Problem umgegangen wird. Damit sei aber immer noch nicht klar, wie  alle anderen Landkreise das handhaben. Wenn alles so klappt, wie sich der junge Wissenschaftler das wünscht, soll den Anruf künftig der Blick in die Arbeit von Kron ersetzen.  

»Wenn die Anlage die gesetzlichen Vorgaben erfüllt, hat der Antragsteller ein Recht darauf, dass sie genehmigt wird«, betont Michael Frey, der an der Hochschule eine Jura-Professur innehat. Die Genehmigung umfasst dabei Inhalts- und Nebenbestimmungen. Erstere bestimmen Art und Umfang des Genehmigungsinhaltes, ergänzt Mirco Kron. Dazu gehörten etwa die Ausstattung der Anlage mit automatischer Schattenabschaltung oder die Nachtkennzeichnung. 

In die Medien schaffen es aber die Nebenbestimmungen. Frey nennt als Beispiel den Westweg an der Windkraftanlage »Prechtaler Schanze« bei Elzach, der verlegt werden sollte, weil Wanderer bei tiefen Temperaturen möglicherweise von Eisstücken hätten getroffen werden können.  

Für die Behörde gibt es keine festen Vorgaben, wie sie mit so einer Gefahr umgehen soll. »Sie hat einen Ermessensspielraum und muss nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entscheiden«, sagt Frey. In diesem Fall ließ sich das Ziel, also der Schutz der Wanderer, mit einem weniger schwerwiegenden Eingriff erreichen. Deshalb warnen jetzt Blinklichter Wanderer vor möglichem Eisschlag. 

Julia Morelle, Leiterin des Amts für Gewerbeaufsicht, Immissionsschutz und Abfallrecht beim Landratsamt Ortenaukreis, begrüßt das Hochschul-Projekt. »Der Aufwand der Genehmigungsverfahren sinkt dadurch sicher nicht, da jede Genehmigung eine Einzelfallentscheidung ist«,  so die Amtsleiterin. Die fachliche Bewertung sei komplex. 

Rechtssicherheit

»Die Bedeutung des Projektes liegt vielmehr darin, belastbare Erkenntnisse über die Rechtssicherheit der je nach Einzelfall zu erlassenden Inhalts- und Nebenbestimmungen zu erhalten.« Weiter könnten Alternativen zu Inhalts- und Nebenbestimmungen offensichtlich werden. Derartige Erkenntnisse oder Vorschläge müssten den Trägern öffentlicher Belange zur Verfügung gestellt werden. »Nur diese können fachlich bewerten, ob die Alternativen im Einzelfall auch tatsächliche Alternativen darstellen.«

Es gibt Nebenbestimmungen in den Bereichen Baurecht, Arbeitsschutzrecht, Luftsicherheit, Immissionsschutz und Natur- und Artenschutz. Alle fünf Bereiche müssen die Genehmigungsbehörden im Blick haben. Die Zahl der Nebenbestimmungen in Genehmigungen zu Windenergieanlagen ist in der Regel sehr groß, beschreibt Morelle. Zwischen 80 und 100 Nebenbestimmungen seien in der Regel zu erlassen, um alle Belange hinreichend zu sichern.

Dazu kommen dann noch, wie Frey schätzt, 30 bis 50 Träger öffentlicher Belange, die von den Genehmigungsbehörden gehört werden müssen. Die Bandbreite reicht von Naturschutzeinrichtungen, über den Deutschen Wetterdienst bis hin zur Polizei und ihrem Digitalfunk, der durch die Anlagen gestört werden könnte. Ihre Interessen müssen die Behörden mit denen der Betreiber unter einen Hut bringen. 

Das macht deutlich, dass Kron eine Mammutaufgabe vor sich hat. Die Inhalts- und Nebenbestimmungen für sämtliche Anlagen im Regierungsbezirk Freiburg hat er bereits erfasst. Am Ende will er alle Genehmigungen Baden-Württembergs festgehalten haben. Kron will nichts weniger, als die bestmögliche Nebenbestimmung zu finden. Sie soll die Rentabilität der Anlage so wenig wie möglich beinträchtigen, dabei für die Verwaltung möglichst leicht umsetzbar sein. 

Helfen, den Frust bei Bürgern zu mindern, die finden, dass Windräder die Landschaft verschandeln, oder die sich am Lärm stören, wird die Arbeit aber aller Voraussicht nach nicht. »Der Ausblick von der Terrasse ist für den einzelnen Bürger sehr wichtig, im gesetzlichen Genehmigungsverfahren ist er es aber nicht«, macht der Professor deutlich. Deshalb suchten viele Bürger eine andere Strategie, um die Projekte zu verhindern. Auf einer Fläche, auf der ein Windrad entstehen sollte, war etwa ein Auerhuhn aufgetaucht, mit dem Ziel, den Bau dadurch zu verhindern. Die Nebenbestimmungen vieler Anlagen sehen den Schutz von Auerhühnern vor. 

Das Projekt von Kron ist aber nur eines der Beispiele, wie das Thema Windkraft die Wissenschaftler, aber auch die Studenten der Hochschule beschäftigt. Tirza Alber und Maximilian Ehebauer belegen in Kehl den Bachelorstudiengang Public Management. Frey ist einer ihrer Professoren. Sie besuchen bei ihm das Proseminar »Aktuelle Fragen zum Ausbau der Windenergie«.  

Wenn man mit Frey spricht, bekommt das Bild von der drögen Verwaltung schnell Risse. »Spannend« findet er die Genehmigungsverfahren. »Wenn Dinge neu sind, dann ist der Umgang mit ihnen schwierig«, erläutert er und verweist dabei auf die Flüchtlinge, Katastrophen oder eben Windräder. »Unsere Studenten müssen die Kompetenz haben, sich da reinzudenken«, macht er deutlich.

Offene Ohren

Bei den Studenten ist er auf offene Ohren gestoßen. Alber hat den Anspruch, nicht nur »alles zu übernehmen, was der Vorgänger gemacht hat«. Sie und Ehebauer widmen sich dem Thema Nebenbestimmungen. An den von ihnen untersuchten Beispielen wird deutlich, wie die Behörden mit ihrem Ermessensspielraum umgehen. 

Windkraftanlagen können das Wetterradar des Deutschen Wetterdienstes stören. Allerdings gebe es gute Möglichkeiten, diese Störungen herauszurechnen, berichtet Ehebauer. Deshalb entschieden die Behörden eher zu Gunsten der Anlagenbetreiber. Anders sieht es dagegen beim digitalen Polizeifunk aus. Auch der könnten von den Windkraftanlagen gestört werden. In diesen Fällen sind es eher die Anlagenbetreiber, die Einschränkungen hinnehmen müssen. 

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